Ich kenne Piotr von den Katechesen und Bildungsangeboten des Opus Dei. Er ist mein Freund und ein lebensfroher, humorvoller Mensch. Diesmal treffe ich ihn hier in Karczew, das 30 Kilometer von Warschau entfernt ist. Es ist Samstag gegen Mittag. Ich bin in der Sporthalle der 16.000 Einwohner-Stadt. Diesmal ist alles anders: Normalerweise sind hier Fans und Sportaktivitäten. Jetzt sehe ich hier Freiwillige, die Kleidung und das Allernötigste verteilen und kiloweise Lebensmittel hereinbringen. Die Sporthalle gehört der Gemeinde. Jetzt ist sie in provisorisches Notunterkunftszentrum für Kriegsflüchtlinge. Piotr ist einer der Verantwortlichen, auch viele andere bekannte Gesichter von früher von den verschiedenen Kultur- und Sportveranstaltungen sind hier.
Heute früh ging es durch die Medien: Polen hat laut Regierung schon 700.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Die Folgen sieht man hier, im Kleinen. Piotr spricht gerade mit einer Ukrainerin. Dann wendet er sich mir zu und sagt: „Gestern nahmen wir 90 Personen auf, überwiegend Frauen und Kinder. Sie werden direkt von der Grenze hierhergebracht. Manche bleiben nur kurze Zeit bei uns, weil sie weiter nach Warschau oder in andere Länder wie Deutschland, England oder Frankreich weiterfahren wollen.“
Ich schaue mich um: Man rechnet offenbar mit noch mehr Flüchtlingen, es gibt viele Schlafmöglichkeiten vorbereitet, viele Matratzen. Für die Kinder haben die Helfer Spielzeuge gebracht und auch eine Spielecke eingerichtet. Ein kleiner ukrainischer Bub läuft gerade als Tiger verkleidet herum, so, wie bei einer Kindergeburtstagsparty. Manche können darüber lächeln: Ein wenig Humor mitten im Ernst der Lage tut gut.
Die Flüchtlinge sind ruhig. Viele Frauen und Mütter versuchen via Handy mit Angehörigen und Bekannten Kontakt aufzunehmen. Auf den Wänden sind die Hinweise auf kyrillisch geschrieben.
Piotr ist sichtlich bewegt: „Immer wieder kommen Einwohner von Karczew und helfen uns. Die Stiftung eines der größten Lebensmittelkonzerne übernahm hier die Organisation der Freizeitgestaltung und des Unterrichts für die Kinder. Manche Frauen wollen schon jetzt eine Arbeit finden und überlegen, wie sie hoffentlich bald wieder ein normales Leben führen können...“, erzählt er.
Als ich weitergehe, treffe ich noch einen anderen Freund, der ebenfalls Supernumerarier des Opus Dei ist. Er kam schon ganz in der Früh, um zusammen mit seinem Sohn neue Schlafmöglichkeiten für die nächsten Ankömmlinge vorzubereiten. Er erzählte mir, dass sie sich schon jetzt den Kopf zerbrechen, wie man den Ukrainern helfen kann, eine Arbeit zu finden, die Sprache zu lernen und einen Kindergartenplatz zu finden.
Ich danke Gott für die Solidarität und das große Engagement für die Notleidenden, das man hier erleben darf. Dieselben, die sich aus den Glaubenskatechesen kennen, trifft man nun hier, wo sie ihre Zeit, Energie und Geld investieren, um in dieser so dramatischen Zeit den Menschen zu helfen. Über dem Haupteingang der Halle hängt ein Kreuz. Ein vielsagendes Symbol in dieser Zeit.
PS: Tweets aus Dankbarkeit für die von den Polen geleistete Hilfe.