Jedes Alter ist gut, um Gott zu begegnen

Beim Weltjugendtag traf Bischof Javier Echevarría in vier verschiedenen Begegnungen mit rund 6.000 Jugendlichen aus aller Welt zusammen. In einem Zenit-Interview sprach er anschließend über Wachstum und scheinbaren Stillstand in der Kirche, über die Sammlung im Gebet und die Langzeitwirkung des WJT.

ZENIT: Herr Bischof, als Prälat des Opus Dei kennen Sie Menschen aus der ganzen Welt, weil ihre "Diözese" nicht territorial eingegrenzt ist. Findet sich in allen derselbe "Hunger nach Gott", von dem Kardinal Meisner gesprochen hat, oder sind die Menschen des Südens dank Ihres Naturells Gott näher als der Deutsche oder die Menschen des Nordens generell?

Bischof Echevarría: Zunächst möchte ich feststellen, dass das Opus Dei eine Personalprälatur und somit ein der Teil der hierarchischen Kirchenstruktur ist, aber keine Diözese. Tatsächlich ist das Opus Dei bereits weltweit verbreitet. Die Gläubigen der Prälatur haben ganz verschiedene Nationalitäten, aber zugleich einen gemeinsamen Nenner. Und das ist die Sicherheit, Kinder Gottes mit einem "Hunger nach Gott" zu sein, den sie immer weiter zu steigern suchen. Es ist für jedermann eine offensichtliche Tatsache, dass wir höchst verschieden sind: Leute von Nord und Süd, von Ost und West, aber alle mit dem frohen Bemühen, ganz in Gottes Nähe zu leben. Ich gehe davon aus, dass es in Deutschland ganz viele Menschen gibt, die Gott näher kommen wollen. Viele Leute verbringen - mit ihrer deutschen Mentalität - ihre Tage im Umgang mit dem Herrn, in der Familie, bei der Arbeit, im Berufsverkehr, in ihrer Freizeit. Und das mit dem Wunsch, vielen weiteren Menschen dieses große menschliche Ideal ihrer Gottesnähe weiterzugeben.

ZENIT: Was ist das Besondere dieser Tage in Köln – für die Welt und insbesondere Deutschland?

Bischof Echevarría: Für mich ist das Besondere an diesem Pastoralbesuch, dass der Nachfolger Petri kommt und dass sich als Folge der Gemeinschaft der Heiligen die ganze Kirche den Anliegen des gemeinsamen Vaters anzuschließen sucht. Was in diesen Tagen in Köln geschieht, ist demnach von großer Bedeutung für Deutschland und die Welt. Denn es zeigt, dass die Kirche lebendig und jung ist. Ihre Jugendlichkeit umfasst auch die hochbetagten und die älteren Menschen, die Kranken und die Armen. Was zählt, ist ja die Jugend des Herzens. Sie alle sind sehr jung, wenn es darum geht, Gott den anderen nahezubringen. Und das ist es gerade, was nottut.

ZENIT: Wird der Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat einen neuen Frühling der Kirche einläuten?

Bischof Echevarría: Natürlich. In der Kirche sind wir stets im Wachstum begriffen. Auch wenn man scheinbare Phasen des Stillstands festzustellen meint, ist das in Wirklichkeit kein Stillstand. Denn hier in Deutschland, diesem großartigen Land, darf man jetzt auf einen großen Schatz, nämlich das Gebet vieler unbekannter Frauen und Männer rechnen. Nicht nur das, was man äußerlich sehen kann, baut die Kirche auf, sondern auch der Reichtum, der aus dem heiligmäßigen Leben vieler Christen erwächst. Ganz gewiß leben hier in Deutschland viele heiligmäßige Menschen, die Gott dafür danken, dass sie der katholischen Kirche angehören, und die alle Bürger Deutschlands und der ganzen Welt mit der Liebe Christi lieben wollen.

ZENIT: Der Papst möchte zeigen, dass Christsein froh macht. Was ist das für eine Freude?

Bischof Echevarría: Der Heilige Vater hat kürzlich darauf bestanden, dass das Christsein – im Gegensatz zu dem, was man gelegentlich glauben machen will – keineswegs eine Last ist. Die Gesamtheit der Gebote entspricht vielmehr dem Gewicht der Flügel, von denen Benedikt XVI. gesprochen hat: Sie helfen uns, dass wir uns zum Schöpfer aufschwingen können, zu Gott, der jedem von uns stets ganz nahe ist. Daher liegt die Freude in dem Wissen, dass wir in jedweder Lebenslage einen Vater haben, der uns nie im Stich lässt, sondern uns jederzeit umsorgt. Im Leben des Menschen bleiben Schmerz und Opfer niemals aus. Auch nicht im Leben unseres Herrn Jesus Christus, der das Vorbild aller Christen ist; auch nicht im Leben der Gottesmutter Maria, die von allen Menschen Jesus Christus am nächsten stand. Das ist kein Masochismus, sondern eine Pflicht aus Liebe. Ohne Opfer gibt es nämlich keine Liebe und keine Hingabe. Vielmehr muss man sich freudig für die anderen verausgaben, auch in ganz unscheinbaren Dingen.

ZENIT: Ihr Vorgänger, der heilige Josefmaria, hat das Opus Dei gegründet, um allen Menschen zu verkünden, dass sie heilig werden können, ohne außergewöhnliche Dinge zu tun. Was ist also Heiligkeit? Wie wird man heilig?

Bischof Echevarría: Der heilige Josefmaria nahm auf, was Jesus Christus gelehrt und verkündigt hat. "Coepit facere et docere", erst einmal fing der Herr an zu wirken, und danach predigte er. Zuerst wirkt er durch seine demütige, ärmliche Geburt in einer Höhle, liebevoll umgeben von Maria und Josef und den Hirten – armen Leuten, die aber freigebig lieben können – und dann auch von den Weisen, die gekommen sind, um ihn anzubeten. Die Weisen verfügen zwar über bessere Möglichkeiten als die Hirten, doch als sie den neugeborenen König der Juden suchen, lassen sie uns erkennen, dass sie genauso bedürftig sind – oder noch mehr.

Darin liegt die Heiligkeit, dass wir Gott stets in dem suchen, was uns gerade umgibt, dass wir uns mit Christus identifizieren. Dafür braucht man keine außergewöhnlichen Dinge zu tun. Die großen Entsagungen sind nicht unverzichtbar – nur sollen wir sie annehmen, wenn sie auf uns zukommen, beziehungsweise frei und willentlich suchen, wenn der Herr uns darum bittet. Wichtig ist also, dadurch fortwährend Gottes Willen zu erfüllen, dass man geradezu heroisch den Pflichten eines jeden Augenblicks nachkommt und die Anregungen Christi zur Treue nicht abschüttelt, die er uns jeweils macht, seien sie nun angenehm oder unangenehm.

ZENIT: Wie kann das Opus Dei auf diesem Weg zur Heiligkeit helfen?

Bischof Echevarría: Das Opus Dei ist gekommen, um die ganze Welt daran zu erinnern, dass die Heiligkeit nicht Sache weniger Privilegierter ist. Das heißt, wir alle können uns Gott nähern, ganz gleich, an welchem Platz wir stehen. Jesus Christus hat zu den Menschen, zu jedem Einzelnen gesagt: "Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist." Das Opus Dei erinnert an die Notwendigkeit, alle Tätigkeiten, auch die scheinbar ganz banalen, in einen Dialog mit Gott zu verwandeln. In gleicher Weise erinnert es daran, wie notwendig das sakramentale Leben ist. Ohne die Sakramente kann das Leben aus der Gnade nicht wachsen. Die Sakramente sind ja die Mittel, die uns unser Herr Jesus Christus hinterlassen hat, damit wir uns erneuern und ihm gleichförmig werden können.

ZENIT: Herr Bischof, das Motto dieses Weltjugendtages lautet: "Wir sind gekommen, um IHN anzubeten" (Mt 2,2). Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der man das Wesentliche leicht aus den Augen verliert und Stille manchmal sogar als unerträglich empfindet. Wie gelangt man da zu einem Geist der Anbetung, worin besteht sie? Wie spricht man mit Gott?

Bischof Echevarría: Bevor ich auf diese Frage antworte, möchte ich auf etwas zu sprechen kommen, das von fundamentaler Bedeutung ist für das Leben eines Christen, eines Gotteskindes: den Optimismus. Wir können an die Fragen und Situationen nicht mit dem Pessimismus herangehen, der die allgemeine Stimmungslage mitunter zu prägen scheint. Ein Kind Gottes weiß, dass es alle Lebensumstände in Freude umzuwandeln vermag, auch solche, die andere als Widrigkeiten empfinden mögen. Selbstverständlich kann nur da ein Dialog mit Gott entstehen, wo es Ruhe und Sammlung gibt. Beides kann man so wenig unerträglich finden, wie man das Gespräch oder Beisammensein mit einem geliebten Menschen unerträglich findet. Und wir Menschen sind alle von Gott geliebt und bevorzugt, wie er selbst sagt. In der Bibel offenbart er uns ja, dass es sein Wohlgefallen ist, bei den Menschenkindern zu sein. Wenn wir diesen Dialog fördern, werden wir Frauen und Männer sein, die an diesem Glück, an diesem Gefallen teilhaben, das Gott an jedem von uns hat.

Wie man mit Gott sprechen kann? Einfach und natürlich, wie man mit einem Freund oder Bruder spricht. Der heilige Josefmaria riet, wir sollten uns mit Gott über unser Leben unterhalten. Beten heißt, über unsere Seele sprechen, über unsere kleinen oder großen Kämpfe. Und als Vater, der sich so sehr für uns interessiert, wird er uns annehmen und uns mit großer Liebe und dem Wunsch zuhören, uns in allen unseren Bedürfnissen zu helfen. Freilich wird er wie jeder gute Vater zulassen, dass wir Prüfungen und Widrigkeiten erfahren, damit wir reifer werden und immer mehr auf seine Gnade setzen.

ZENIT: Für die Pilger und alle, die für den Weltjugendtag beten, gewährt Papst Benedikt einen vollkommenen Ablass. Welche Rolle spielt der Ablass im Leben der Kirche? In welcher Verbindung steht er zum Beichtsakrament?

Bischof Echevarría: Die Ablässe haben eine vitale Bedeutung, weil sie uns die unendlichen Verdienste des Leidens, des Todes und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus zuwenden. Sie lassen uns an dem glorreichen Leben teilhaben, zu dem wir alle berufen sind. Deshalb helfen uns die Ablässe, Gott näherzukommen. Sie erlassen uns nämlich die restlichen Strafen für unsere bereits vergebenen Sünden und machen uns dadurch bereit, künftig gelehriger und leichter zur Beichte zu gehen und die Gnade dieses Sakraments aufzunehmen. Im Bußsakrament vergibt Christus die Todsünden von Grund auf. Es gibt kein anderes Mittel – von außerordentlichen Umständen einmal abgesehen –, auch wenn die Kirche lehrt, dass ein vollkommener Reueakte die Sünden tilgt, auch die Todsünden. Aber wer kann schon sicher sein, dass seine Reue wirklich vollkommen ist? Der Mensch braucht die Sicherheit, dass Gott ihm vergeben hat. Dieser Gott, der uns zuhört, der uns umsorgt, der uns auch die Traurigkeit über unsere Niederlage nimmt – eben durch das Bußsakrament.

ZENIT: Herr Bischof, was ist die Botschaft des heiligen Josefmaria an die Weltjugend, die sich in Köln versammelt hat?

Bischof Echevarría: Ich möchte die Botschaft des heiligen Josefmaria mit wenigen Worten zusammenfassen, die er als junger Priester geschrieben hat. Er sagte sie uns allen, nicht nur den jungen, sondern auch den reiferen und den alten Menschen. Schließlich ist jedes Alter gut für die Begegnung mit Gott. Aber wenn er heute leben würde, würde er der Jugend wieder raten, was er damals in den Anfangsjahren des Opus Dei niedergeschrieben hat, als er sich mancherlei Schwierigkeiten gegenübersah. Ich zitiere: "Davon, dass du und ich so handeln, wie Gott will, hängen viele große Dinge ab. Vergiss das nicht." Davon, dass sich alle gut und richtig verhalten, die in diesen Tagen in Köln sind, die ganze Jugend um uns herum, hängen viele große Dinge ab: für ihre eigene Seele und für die Seelen ihrer Vertrauten, für ihre Heimatländer und für die Seelen überall auf der Welt.