Phil - Gott ließ mich lange auf die richtige Frau warten

Phi ist in seiner Freizeit Fußballtrainer und ein junger, schlanker, athletischer Typ. Er kam aus einer buddhistischen Familie, die von Vietnam nach Finnland übergesiedelt war. Mit seinem Pferdeschwanz und den genauen, energischen Bewegungen erinnert er ein wenig an einen asiatischen Krieger.

„Meine Eltern flohen aus Nordvietnam, als der Krieg zu Ende war. Sie beschlossen, nach Finnland zu ziehen, um dort ein neues Leben zu beginnen und das vergangene zu vergessen. Wir Vietnamesen sind Pragmatiker und mögen keine Nostalgie, darin ähneln wir den Finnen.

Das Eintreffen in Finnland glich einem Schock

Im Februar 1983 kamen sie in Finnland an, mitten im Winter. Sie erlitten den üblichen Schock wegen der Dunkelheit und der völlig anderen Mentalität und der anderen Gewohnheiten. Die Regierung sorgte für Wohnung, Sprachkurse und Arbeit in einer Fabrik. Sie konnten sich schnell und gut integrieren.

1983 kam meine ältere Schwester zur Welt, ich zwei Jahre danach, später meine jüngere Schwester. Ich besuchte eine katholisch geprägte Schule, was meine Eltern nicht weiter störte, obwohl sie Buddhisten waren. Die Schule gefiel ihnen, weil sie einen guten Ruf hatte und für ihre Disziplin und das hohe englische Sprachniveau bekannt war. In dieser Schule konnte man zwischen katholischem und evangelischem Religionsunterricht wählen. Meine Eltern entschieden sich für den evangelischen, weil die meisten Leute hier Lutheraner sind. In diesem Unterricht lernte ich einige elementare Dinge über das Christentum, nicht viele, denn Religion interessierte mich nicht.

Als ich sieben Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden

1992 ließen sich meine Eltern scheiden. Ich war sieben Jahre alt. Meine Geschwister und ich bleiben bei meiner Mutter. Es war sehr hart. Ich verstand nicht, was passiert war. Als ich merkte, wie verlassen meine Mutter sich fühlte und wie sehr sie litt, wurde mir bewusst, dass ich als Sohn Pflichten hatte. Die menschlichen Werte und die buddhistischen Lehren, die sie mir vermittelte, halfen mir zu reifen.

Mit zwölf Jahren fing ich an, zu einem Klub zu gehen, in dem wir Lager organisierten, Ski liefen und viel Spaß hatten. Dort lernte ich Santi kennen. Damals achtete ich nicht darauf, dass der Klub unter anderem von Katholiken des Opus Dei geleitet wurde. Mir gefiel es dort, weil es für Jungen meines Alters interessante Veranstaltungen gab und weil man uns einige Haltungen beibrachte wie Aufrichtigkeit und Freude. In gewissem Sinne wurde der Klub für mich so etwas wie ein älterer Bruder, der mir durch die Jugendjahre hindurch zur Seite stand. Die Verantwortlichen wussten, dass ich Buddhist war, und respektierten meine Denkweise.

Unabhängig wurde ich erst nach dem Militärdienst

Mit zwanzig Jahren führte ich ein normales Leben, hatte eine feste Freundin und viele Freunde, Finnen und andere. Ich war Fan von Real Madrid und von den Filmen von Denzel Washington. Mein Leben verlief ohne große Höhen und Tiefen wie das der meisten jungen Leute in diesem Land, da wir wissen, dass unsere Zukunft wirtschaftlich gesichert ist. Auch wenn dies uns ermöglicht, früh unabhängig zu werden, wurde ich es erst, nachdem ich den Militärdienst und die Flugausbildung von Jyväskylä beendet hatte.

In einer großen Sinnkrise dachte ich plötzlich an Jesus

Im Januar 2005 hatte diese Ausbildung mitten im Winter begonnen. Ich hatte gerade die Beziehung zu einem Mädchen abgebrochen und fühlte mich sehr allein. Welchen Sinn hat mein Leben? fragte ich mich. Was mache ich überhaupt an diesem verlorenen Ort am Ende der Welt? Ohne zu wissen, warum, dachte ich plötzlich an Jesus. Ich wusste fast nichts über ihn außer dem, was ich in der Schule gelernt hatte. Und im Frühjahr 2006 stellte ich Santi viele Fragen über Gott, die Religion, das Christentum …

In dieser Zeit machten wir lange, anstrengende Märsche durch den Schnee und verbrachten Nächte in Zelten bei mehreren Graden unter null. Während ich mit meinem schweren Rucksack durch den Wald lief, dachte ich einmal dabei an das Kreuz Christi.

Durch den Buddhismus wusste ich: das Leben auf Erden ist nicht alles

Durch den Buddhismus war ich vertraut mit geistlichen Gedanken. Ich wusste, dass das Leben hier auf Erden nicht alles ist. Darin unterschied ich mich von den meisten meiner Freunde, die als Atheisten lebten oder sich als solche verstanden. So wie sie bin auch ich sehr unabhängig. Meine Probleme löse ich gerne allein, ohne jemanden um Rat zu fragen. Ich hörte nur auf Santi, weil er mir ein echter Freund war, der meine Freiheit achtete. Wahrscheinlich haben viele Menschen für mich gebetet; denn wenn ich bei einem dieser langen Gespräche gesagt hätte: ‚Santi, lassen wir das Thema!‘ – dann hätten wir nicht wieder über Gott und das Christentum gesprochen…

Katholisch sein verlangt eine Übereinstimmung zwischen dem, was man glaubt und was man tut

Eines Tages dachte ich an die Möglichkeit, mich taufen zu lassen. ‚Aber warum ich?‘ fragte ich Gott. Ich kannte so viele gute Menschen, die nicht katholisch waren. Der Buddhismus ist eine gute Vorbereitung auf den Glauben, weil er einige Tugenden vermittelt. Aber im Katholizismus muss man Schritte tun, Entscheidungen treffen, die eine innere Spannung erfordern sowie eine Übereinstimmung zwischen dem, was du glaubst, und dem, was du tust. Ich wusste nicht, ob ich dazu bereit war.

Der Prälat des Opus Dei: „Es geht nicht darum, immer härtere und schwierigere Dinge zu tun.“

Im Jahr 2007 nahm ich an einem Studentenkongress in Rom teil und wurde zu einem Treffen mit dem Prälaten des Opus Dei eingeladen. Ich fragte ihn nach dem Gewicht, das Gott mir auf die Schultern legte. Er aber zeigte mir, dass der Glaube ein Geschenk ist, eine Gnade und keine Last. ‚Es geht nicht darum, immer härtere und schwierigere Dinge zu tun‘, sagte er, ‚sondern Gott zu lieben und dem zu folgen, was Er von dir möchte.‘

Damals hörte ich auf, mich mit anderen zu vergleichen

Von da an hörte ich auf, mich mit anderen zu vergleichen, und nahm mich selbst an mit meinen Stärken und Schwächen. Mir wurde bewusst, dass Gott uns liebt, so wie wir sind, nicht wegen irgendwelcher Taten … und entschied mich für die Taufe.

Das ist eins der Wunder des Christentums: Gott kennt dich und hilft dir, dich anzunehmen, wie du bist. Du musst kein anderer werden. Er möchte nur, dass du ihn liebst.

Mein Dilemma: entweder Gott oder meine Familie und meine Freunde

Ich stand nun vor einer Schwierigkeit, die man sich, soweit ich sehe, in den katholischen Ländern nur schwer vorstellen kann. Keiner meiner Freunde war Christ und ich kannte keinen einzigen finnischen Katholiken in meinem Alter. Ich fragte mich: Wie würden sich junge Katholiken in dieser oder jener Situation verhalten? Manchmal stellte ich sie mir wie seltsame Wesen vor, eine Art Monster wie das von Loch Ness … und ich wollte nicht der komische Vogel in meiner Gruppe sein. Ich befand mich in einem Dilemma: entweder Gott oder meine Familie und meine Freunde. Ich sprach mit einem meiner besten Freunde darüber, einem Bulgaren, den ich seit meinem siebten Lebensjahr kenne. ‚Ich bin orthodox, praktiziere aber nicht‘, sagte er mir. ‚Aber wenn du meinst, du wirst glücklich, wenn du dich taufen lässt, dann unterstütze ich dich.‘‚Bleiben wir dann weiter Freunde?‘

‚Natürlich! Wieso nicht?‘

Die jungen Katholiken aus Mexiko sorgten bei mir für innere Ruhe

Das beruhigte mich; denn ich hatte gedacht, dass meine Freunde mir den Rücken kehren würden, wenn ich mich taufen ließ. Meine Mutter allerdings war gar nicht glücklich darüber. Sie fürchtete, die Taufe könnte mich meiner vietnamesischen Wurzeln entfremden. Für sie ist es ganz wichtig, dass wir nicht vergessen, wer wir sind und woher wir kommen.

All dies löste sich auf, als ich fünf Wochen in Mexiko verbrachte, wo ich junge Katholiken kennenlernte, die mit ihren Freundinnen ausgingen und sich köstlich amüsierten. Sie waren so normal wie ich! Und am 25. Mai 2008, drei Tage nach meinem Geburtstag, empfing ich in der Kathedrale von Helsinki die Taufe.

Mein Weg zum Glauben war die Muttergottes

Meine Mutter war bei der Feier anwesend. Ihre Haltung half mir sehr zu verstehen, was Liebe bedeutet. Sie hatte sich anderes für mich vorgestellt, aber sie akzeptierte meine Entscheidung. Sie erinnerte mich an die Muttergottes unter dem Kreuz. Sie hat später festgestellt, dass uns der katholische Glaube keine Kultur aufzwingt, die unseren Wurzeln fremd ist, wie sie gedacht hatte. Vor meiner Taufe hatte ich mehrere Texte gelesen, die davon handelten, dass wir mit Gott als mit unserem Vater umgehen sollen. Das ist sicher gut, aber in einem Fall wie dem meinen ist es nicht das Beste, weil mir seit meinem siebten Lebensjahr der Bezugspunkt dazu fehlt. Mein Weg zum Glauben war die Muttergottes. Dank ihr bin ich Christ geworden. Vom ersten Augenblick an verstand ich, dass die Taufe mich dahin führen musste, Gott mit meiner ganzen Seele zu lieben und die anderen glücklich zu machen, zuallererst meine Familie.

Eine Arbeit zu finden, war leicht – ein Mädchen, das Christin war, nicht

Wie die meisten meiner Freunde und wie viele andere Finnen habe ich nicht das Glück gehabt, meine Mutter und meinen Vater zusammen zu Hause zu erleben. Ich habe unter der Trennung gelitten und möchte sie mit meinem Leben irgendwie wiedergutmachen. In diesem Sinne war meine Taufe der erste Schritt hin zu der christlichen Familie, die ich gerne gründen möchte.

Als ich das Studium der Politischen Wissenschaften beendet hatte, suchte ich eine Arbeit und ein Mädchen, das ich heiraten könnte. Ersteres war einfach, das Zweite nicht so sehr. Ich war immer sehr zugänglich und kannte viele Mädchen, aber keine von ihnen war Christin. Manchmal, wenn wir über bestimmte Themen sprachen, hatte ich das Gefühl, dass wir auf verschiedenen Planeten lebten.

Wenn es ernst wurde, lachten mich die Mädchen aus

Was hat Gott mit mir vor? fragte ich mich. Ich suchte ein Mädchen, mit dem ich glücklich werden könnte und das die nötigen Eigenschaften hätte, die christliche Mutter unserer Kinder zu sein. Aber ich fand keins. Musste ich meine Erwartungen ändern? Zwar habe ich vietnamesische Wurzeln, aber ich fühle mich als Finne. Musste ich mein Land verlassen?

Je mehr Jahre vergingen, desto drängender wurden diese Fragen. Wenn mir ein Mädchen gefiel und ich ihr verdeutlichte, dass ich bis zur Ehe warten wollte, um eine intimere Beziehung einzugehen, lachte sie mich aus. Gott sei Dank gab Er mir genug Licht, um entscheiden zu können: ‚Lass es, Phi, es hat keinen Zweck‘ – auch wenn sie mir gefiel.

Es waren keine üblen Mädchen. Sie hatten nur nie zuvor einen Mann getroffen, der weniger ihren Körper kennenlernen wollte als sie selbst und der an ein gemeinsames Leben dachte und nicht nur an die nächsten drei Monate.

Sollte ich unverheiratet bleiben, weil sich kein Mädchen fand?

So vergingen meine Jahre: 25, 26, 27 … Bei jedem Mädchen war es immer wieder dasselbe. ‚Mein Gott, was verlangst du von mir? Ich bin mir sicher, dass du mich glücklich machen willst, aber werde ich die Frau meines Lebens nicht finden? Ich bitte dich nicht um Wunder, ich selbst muss mich auch einsetzen. Ich weiß aber nicht mehr, was ich tun soll. Soll ich in ein katholisches Land ziehen?‘ Und ich fragte Gott: ‚Was möchtest du? Soll ich unverheiratet bleiben?‘ Ich war entschlossen, Ihm treu zu sein, was immer auch geschehen würde.

Dann kam die Frage, ob ich zum Opus Dei gehören wollte

Eines Tages wurde ich gefragt, ob ich zum Opus Dei gehören wollte. Dies bedeutete zu kämpfen, um mich zu heiligen in meiner Arbeit, meinem täglichen Leben und in der Ehe (in meiner zukünftigen Ehe, die ich immer schwieriger möglich sah).

‚Ich möchte nicht‘, antwortete ich. Dann wurde nicht mehr darüber gesprochen.

Immer, wenn ich betete, erinnerte mich Jesus wieder daran. ‚Gut, dann überlege ich es mir – sagte ich ihm – wenn Du darauf bestehst.‘

Aber ich verschob die Entscheidung auf später. Ich fand gut, dass andere sich hingaben; aber ich selbst nicht. Und immer wieder, wenn ich betete, stand die Frage im Raum. Wenn Gott es mir eindringlicher zu verstehen gegeben hätte, wäre es einfacher für mich gewesen, weil mir dann nichts anderes übriggeblieben wäre. Aber Er schlug es mir nur vor, er zwang mich nicht.

Und ich sagte Ja.

Mit 30 Jahren immer noch kein Mädchen gefunden, das die Mutter meiner Kinder werden könnte

Inzwischen näherte sich fatal und gefährlich das Datum meines 30. Geburtstags, und ich hatte noch immer nicht das Mädchen gefunden, das ich suchte. Gab es ein solches Mädchen überhaupt in Finnland? Meine katholischen Freunde gaben mir Ratschläge, als sie meine Unruhe bemerkten. Ich dankte ihnen, hatte aber den Eindruck, sie meinten, eine Frau zu finden, sei so ähnlich wie zu Ikea zu gehen, um ein Regal zu kaufen. Und da es so nicht funktioniert, machte ich mir nichts daraus. ‚Warum suchst du nicht unter den Mädchen der Pfarrei?‘, fragte einer. In der Pfarrei! Ich wollte beim Skilaufen ein Mädchen kennenlernen oder beim Salsatanzen, beim Hip-Hop, den ich liebe, bei einem Fest mit Freunden oder beim Kochen; denn ich experimentiere gerne und mache Gerichte mit den überraschendsten Zutaten … Oder beim Fallschirmspringen. Als ich in Jyväskylä beim Militär war, habe ich Spaß daran gefunden. Aber … in der Pfarrei! Man geht doch zur Pfarrei, um zu beten und an der Messe teilzunehmen, und nicht, um Mädchen kennenzulernen!

Sie fragte: „Was ist passiert?“ Und jetzt wird geheiratet!

Eines Tages machte ich beim Fußballspielen eine falsche Bewegung und musste an einem Kreuzbandriss operiert werden. Dies ist bei Fußballspielern eine häufig auftretende Verletzung. Eine Zeit lang musste ich mit Krücken gehen. Schon morgens zur Messe, zur Arbeit und überallhin bewegte ich mich mit ihrer Hilfe. Sobald es mir besser ging, verzichtete ich auf sie. Aber in der Rehabilitation bestand der Arzt darauf, dass ich sie wieder benutzen sollte. Eine junge Philippinin meines Alters, die mich schon vorher mit den Krücken in der Kirche gesehen hatte, fragte mich am Ausgang ganz besorgt: ‚Was ist passiert? Hast du dich nochmal verletzt?‘

Am kommenden 27. Juni werden wir heiraten, wenige Wochen nach meinem 30. Geburtstag. Sie ist ein gutes, hübsches, sympathisches, intelligentes und frommes Mädchen.

Sie heißt Jaquilin.“

Episode aus: José Miguel Cejas (Hg.), Warmer Nordwind: Lebenszeugnisse von Christen in den nordischen Ländern / aus dem Spanischen von Helga Kegel und Janni Büsse, fe-Medienverlag, Kisslegg 2018 (mit freundlicher Genehmigung)