Heiligkeit für Alle

Die Schweiz ist wohlbekannt für ihre atemberaubenden Landschaften, imposanten Berge und schimmernde Täler, für ihre Seen, die jedes Jahr viele Touristen anziehen. Aber wussten Sie, dass die Schweiz auch an die 80 Heilige und Selige kennt?

Zwar waren nicht alle von ihnen schweizerischer Herkunft, aber diese Heiligen lebten oder starben in der Schweiz. So wurde wahrscheinlich um 286 n. Chr. der in Ägypten geborene Heilige Mauritius an der Spitze einer römischen Legion mit seinen Truppen im Wallis hingerichtet, die mit ihm zusammen Christen geworden waren und sich dem Befehl von Kaiser Maximilian Herkules zur Ausrottung der Christen widersetzt hatten.

Im selben Jahr wurden die Geschwister Felix und Regula, ebenfalls aus Ägypten stammend, und ihr Diener Exuperantius nach ihrer Flucht aus Saint-Maurice eingeholt und in Zürich hingerichtet. Der Überlieferung nach trugen sie nach ihrem Märtyrertod ihre abgetrennten Köpfe in den Händen an den Ort, an dem sie begraben werden sollten. Sie sind die Schutzheiligen der Stadt, die sie sterben sah.

Die Geschichte der Heiligsprechungen könnte zu der Annahme verleiten, dass die Heiligkeit einigen wenigen Auserwählten vorbehalten ist: solchen, die den Märtyrertod erlitten, oder Ordensfrauen und -männer, die sich in vorbildlicher Weise Gott geweiht und zumeist Außergewöhnliches geleistet haben. Dies ist der Fall von Schwester Maria Bernarda (Verena) Bütler (1848-1924), die 2008 heiliggesprochen wurde. Die hl. Bernarda wurde in eine Bauernfamilie im Kanton Aargau hineingeboren. 1888 ging sie nach Südamerika, um dort die Kongregation der Franziskaner-Missionsschwestern von Maria Hilf zu gründen, die sich auch heute noch zahlreichen Werken der Nächstenliebe zur Bekämpfung des sozialen Elends widmen. Interessant ist, dass unter den jungen Schwestern, die sie auf ihrer gefahrvollen Reise begleiteten, auch Schwester Maria Charitas Brader, Tochter reicher Bauern aus dem Kanton St. Gallen, war, die 2003 seliggesprochen wurde.

"SANFTMUT, SANFTMUT BITTE, UND WIR WERDEN ZUR HEILIGKEIT GEHEN" [1].

Interessanterweise schrieb Papst Franziskus 2013 auf Twitter: "Um heilig zu sein, muss man nicht viel leiden oder außergewöhnliche Dinge tun, sondern drei Dinge: Gebet, Demut und Liebe für alle".

Dies sind genau die Worte, die den Schutzpatron der Schweiz, Nikolaus von Flüe (1417-1487), geboren im Kanton Obwalden, Bauernsohn, Analphabet geblieben, Vater von zehn Kindern, 1947 heiliggesprochen, definieren könnten. Nach einem Leben als Ehemann und Vater, wo er häusliche und soziale Tugenden lebte, verließ er im Alter von 50 Jahren alles, um Einsiedler zu werden und so auf einen besonderen Ruf Gottes zu antworten. Der Einsatz dieses großen Heiligen für Gerechtigkeit und Frieden ist eine perfekte Antwort auf den Aufruf von Papst Franziskus an jeden von uns, in einer unruhigen und gewalttätigen Welt gelassen voranzuschreiten: "Sanftmut, Sanftmut bitte, und wir werden zur Heiligkeit gehen" [2].

«ES GIBT ETWAS HEILIGES, GÖTTLICHES, DAS IN DEN ALLTÄGLICHSTEN SITUATIONEN VERBORGEN IST, UND ES LIEGT AN EUCH, ES ZU ENTDECKEN.»[3]

Näher bei uns gewöhnlichen Christen steht die hl. Marguerite Bays (1815-1879), die als erste Schweizer Laiin am 13. Oktober 2019 in Rom zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Ihr einfaches Leben als Bäuerin und Schneiderin auf dem Freiburger Land lässt uns verstehen, wie sehr die Arbeit, wenn sie mit Kompetenz, Aufmerksamkeit, Dienstgeist und ohne Perfektionismus ausgeführt wird, zu einer heiligen Tätigkeit werden kann, wenn sie mit Gebet und Eucharistie verbunden ist. Ihr Beispiel eines bescheidenen Lebens, das vom einfachen und tiefen Glauben eines Menschen getragen wird, obwohl es weder Schriften noch Stiftungen oder Bewegungen hinterlassen hat, illustriert die Worte des heiligen Josefmaria einige Jahre später: «Jede noch so alltägliche Situation birgt etwas Heiliges, etwas Göttliches in sich, und euch ist aufgegeben, das zu entdecken.»

Erst vor kurzem, am 2. Juli 2020, wurde in Zürich die diözesane Phase zur Seligsprechung des Ingenieurs Toni Zweifel (1938-1989) abgeschlossen. Alle in den letzten zwanzig Jahren gesammelten Dokumente und Gnadenerweise sind der vatikanischen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse vorgelegt worden.

Als Maschinenbau-Student an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ), der aus einer wohlhabenden Schweizer Industriellenfamilie stammte, hätte Toni das Geschäft seines Vaters übernehmen und ein Wohlstandsleben führen können. Ein paar Mitstudenten erzählten ihm dann vom Opus Dei, wo sie eine Ausbildung erhielten, um ihren Glauben zu vertiefen und zu lernen, wie sie Gott in ihrem täglichen Leben finden können.

Während der Weihnachtsfeiertage 1961-62 nahm Toni an geistlichen Besinnungstagen teil. Hier begann er zu begreifen, dass er "weiter zielen, wirklich lieben, seine Egozentrik überwinden, eine Entscheidung treffen, sich zu etwas verpflichten" müsse. Einige Monate später beantragte er die Aufnahme in das Opus Dei als "Numerarier".

So stellte Toni seine Talente in den Dienst der Nächsten und der Gesellschaft. 1972 gründete er die Limmat Stiftung, die erste sogenannte Dachstiftung der Schweiz, die Hunderte von Bildungs- und Sozialinitiativen in der ganzen Welt unterstützt hat und weiterhin unterstützt.

Er nahm voll und ganz Gottes Willen an, als er an Leukämie erkrankte, die ihn 1989 im Alter von 51 Jahren aus diesem Leben riss.

Der Ruf zur Heiligkeit ist universal in Raum und Zeit

Wenn wir beim Leben dieser heiligmässigen Menschen verweilen, erkennen wir - wie Papst Franziskus am 1. November 2020 sagt - "die unerschöpfliche Vielfalt der Gaben und konkreten Geschichten, die es bei den Heiligen gibt: Jeder hat seine eigene Persönlichkeit".

Es ist jedoch klar, dass sie alle eines gemeinsam haben: Sie alle haben sich entschieden, Gottes Willen zu folgen, aus Liebe und in jedem Aspekt ihres Lebens. Und diese Beispiele von Biografien aus ganz verschiedenen Zeiten lassen uns verstehen, dass der Ruf zur Heiligkeit universell is: Er ergeht an alle Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten.

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[1] Papst Franziskus, Angelus zum Hochfest Allerheiligen , 1. November 2020.

[2] Papst Franziskus, Angelus zum Hochfest Allerheiligen , 1. November 2020

[3] St Josefmaria, « Die Welt leidenschaftlich lieben »