Die Laien, treibende Kraft der Evangelisation

Die Berufung gibt den Laien Kraft "und zwar vor allem zum Glücklichsein". Interview mit Theologieprofessor Ramiro Pellitero von der Universität Navarra.

Inmitten ihrer alltäglichen Sorgen und Nöte sind die christlichen Laien berufen, ihr Gebetsleben zu vertiefen und missionarisch zu wirken - eine Aufgabe, die nach Professor Ramiro Pellitero niemanden überfordert.

Im zweiten Teil eines längeren Gesprächs über die Rolle der Laien in Kirche und Welt geht der Professor für Pastoraltheologie an der Universität von Navarra (Spanien), der das Buch "Los Laicos en la Eclesiología del Concilio Vaticano II" ("Die Laien in der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils") geschrieben hat, ganz konkret auf den christlich geprägten Alltag des "gewöhnlich Christen" ein. 

ZENIT: Wo entdecken wir heute dieses neue Kirchenverständnis, von dem Sie sprechen, und welche Auswirkungen hat es?

-- Professor Pellitero: Die Bischofsynode von 1987 hat sich mit der Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt befasst. Das ist das Thema des zweiten Teils meines Buches "Die Laien in der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils". Während der Sitzungen wurden die Lebenserfahrungen der Gläubigen aus allen Teilen der Welt eingehend analysiert. Als Frucht dieser Synode verfasste Papst Johannes Paul II. das Nachsynodale Apostolische Schreiben Christifideles Laici, in dem er die Schlussfolgerungen der Bischofssynode mit seinen eigenen Erfahrungen und Überlegungen verbindet. In meinem Buch gehe ich auf bedeutende Fragen ein, die während der Synode aufkamen und von den Experten notiert wurden. Vor allem haben wir es da mit der Identität der Laien und ihrer Stellung in Kirche und Welt zu tun. Das Konzil bringt das zum Ausdruck, wenn es die Laien als jene Christen bezeichnet, die vor allem das "säkulare Wesen" kennzeichnet.

Das bedeutet für die Laien, dass die alltäglichen Aufgaben ein wichtiger Bestandteil ihrer christlichen Berufung und somit nicht wesensfremd sind. Aus diesem Grund bedürfen sie einer starken und konsequenten Einheit des Lebens, die das Fundament ihrer Sendung ausmacht. Heute tragen nämlich gerade die "gewöhnlichen Christen" immer mehr zur Neuevangelisierung bei. 

ZENIT: Könnten Sie vielleicht anhand einiger Beispielen zeigen, wann eine solche Lebenseinheit – die Übereinstimmung zwischen Glauben und Leben – nicht gegeben ist?

-- Professor Pellitero: Zu den häufigsten Ausdrucksformen der mangelnden Übereinstimmung zwischen Glauben und Leben gehören sicherlich die Suche nach persönlichem Wohlergehen um jeden Preis und der zügellose Aktivismus im Beruf. Beides führt dazu, dass man seine Pflichten gegenüber Gott und häufig auch die Liebe zum Nächsten vergisst.

Des weiteren kann sich eine fehlende Einheit im christlichen Leben auch darin zeigen, dass man bei der Kindeserziehung den einfachsten Weg wählt, ohne dem Erfordernis von Mühe und Opfer Achtung zu schenken, oder – allgemeiner gesprochen –, dass es sich um ein Familienleben handelt, in dem es an christlichen Tugenden mangelt. Das heißt nicht, dass das familiäre Heim zu einer Sakristei werden soll, wohl aber, dass es eine Schule für menschliche und christliche Tugenden sein sollte.

Für gewöhnlich finden Freizeitaktivitäten ohne Bezug auf Gott und den Nächsten statt: Man konsumiert und lässt es an Nüchternheit und anderen Ausdrucksweisen christlichen Lebens in der Gesellschaft fehlen. Das kann sogar an Sonn- und Feiertagen geschehen: Wenn wir nämlich vergessen, dass diese Tage der besonderen Pflege unserer Beziehung zu Gott und der Hinhabe an die Nächsten gewidmet sein sollten. Und das fängt bei der eigenen Familie an, betrifft die Freunden und schließlich auch die Bedürftigen, die nicht vergessen werden dürfen.

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch von Politikern sprechen, die nicht fähig sind aufzuzeigen, dass die christlichen Werte dem Gemeinwohl dienen; von Geschäftsleuten, die keine soziale Gerechtigkeit üben; von Journalisten und Redakteuren, die sich an das halten, was den besten Absatz verspricht.

ZENIT: Worin besteht die Berufung und Sendung der Laien ganz konkret?

-- Professor Pellitero: Christen, die im Herzen der Gesellschaft leben und dort apostolisch wirken, können in den Lehren des heiligen Josemaría Escrivá wertvollen Rat finden. Das habe ich im dritten Teil meines Buches herausgearbeitet.

Zuallererst muss die Eucharistie zur Mitte und Wurzel des christlichen Lebens der Laien werden, so wie sie es ja auch für die ganze Kirche ist. Das führt zu dem, was der heilige Josemaría mit "priesterlicher Seele und Laienmentalität" bezeichnet hat: Alle Christen – und eben auch ganz besonders die Laien, Männer und Frauen – müssen wissen, dass sie eine priesterliche Berufung besitzen. Anders gesagt, die Laien müssen Mittler zwischen Gott und den Menschen sein; Mittler, die Gott ihre gesamte Existenz als Lobpreis und Danksagung darbringen, und zwar in der Heiligen Messe durch die Hand des Priesters – als Fürbitte für die Bedürfnisse der Welt und als Wiedergutmachung für die Sünden aller Männer und Frauen.

Nach christlichem Verständnis ist die Welt, die von Gott gut erschaffen wurde, durch die Sünde verletzt worden. Christus hat sie erlöst, indem er sich am Kreuz hingab. Die Christen sind nun ihrerseits dazu berufen, dieses Werk Jesu Christi im eigenen Leben zu verwirklichen.

Die größte Weisheit ist eben immer noch die "Torheit des Kreuzes". Das Bild von Papst Johannes Paul II., der als kranker und alter Mann den Kreuzweg betet und das Kreuz umarmt, bedarf keines weiteren Kommentars.

Zusammenfassend möchte ich an die Worte von Papst Johannes Paul II. beim Abschied in Spanien im Jahr 2003 erinnern: "Man kann modern und zugleich Jesus Christus vollkommen treu sein."

ZENIT: Ist dieses Panorama, das Sie zeichnen, nicht ein wenig abgehoben? Interessieren sich die Menschen nicht eher für die praktischen Dinge im Leben: Sorge um das Notwendigste, Lösung der alltäglichen Probleme, Streben nach einem größeren Wohlstand usw.? Bleibt die Sendung der Laien vor einem solchen Hintergrund nicht ein schöner, aber unrealisierbarer Traum?

-- Professor Pellitero: Sicher wäre das so, wenn da nicht auch die Tatsache wäre, dass die Berufung den Laien Kraft gibt, und zwar vor allem zum Glücklichsein. Schauen Sie sich nur die Begeisterung an, der die Weltjugendtage beherrscht. Die christliche Mission ist ein Dienst an der Freude in der Welt, einer Freude, die nicht naiv ist: Wir Christen vergessen unsere Schwierigkeiten nicht, aber wir wissen, dass wir auf Gott zählen können.

Auf dieser Überzeugung aufbauend, können die christlichen Laien allen die Botschaft des Evangeliums verkünden – als das wirksamste Mittel, um persönliche Probleme und die sozialen Nöte unserer Zeit zu lösen; als das geeignetste Mittel, um in der Familie und unter den Völkern Frieden und Gerechtigkeit herzustellen sowie im Dialog mit allen Menschen guten Willens eine "Zivilisation der Liebe" aufzubauen.

Natürlich bedarf es dabei eines großen Einsatzes, allem voran der Bemühung um das Gespräch mit Gott. Das Gebet ist der einzige Weg, um den göttlichen Ruf Tag für Tag vernehmen zu können und ihm zu folgen, die unersetzliche Aufgabe eines jeden von uns.

Zugleich ist eine Verpflichtung uns selbst gegenüber notwendig: uns nicht vom Gedanken verführen lassen, dass die anderen alles viel besser könnten als wir. Und dann handelt es sich auch um eine Verpflichtung dem Nächsten gegenüber, da die christliche Aufgabe in der Familie und unter den Mitmenschen ausgeführt wird.

Es geht darum, allen Menschen zu dienen, besonders den Bedürftigsten, das heißt denjenigen, die an Leib und Seele krank sind: Die Armen, Kranken, Verlassenen und all diejenigen, die nicht wissen, wie man Liebe schenkt und empfängt, diese sind nach Worten der seligen Mutter Teresa von Kalkutta die Ärmsten der Armen.

Wie Benedikt XVI. uns in seiner ersten Enzyklika vor Augen führt, ist die christliche Sendung in dem Maß, in dem wir die Liebe leben und weitergeben, die größte Revolution aller Zeiten. Und sie ist tatsächlich möglich, weil wir die nötige Energie bereits erhalten haben, noch ehe wir sie weitergeben, und weil wir sie täglich im Gebet und in den Sakramenten empfangen können.

Pamplona (www.kath.net / zenit)