Brief des Prälaten des Opus Dei anläßlich des Konklaves

Brief von Bischof Javier Echevarria an die Gläubigen, Mitarbeiter und Freunde der Prälatur Opus Dei.

Bischof Javier Echevarria.

Meine lieben Töchter und Söhne, Gott schütze Euch!

Eine Woche nach meinem letzten Brief veranlassen mich die Ereignisse der vergangenen Tage, die ein Segen Gottes für die Kirche waren, Euch erneut zu schreiben. Wie die übrigen Hirten des Volkes Gottes wünsche ich mir, daß wir die wunderbare Einheit der katholischen Kirche tief auf uns wirken lassen. Beim Tod von Papst Johannes Paul II. ist sie geradezu greifbar geworden in den spontan aufbrechenden Demonstrationen gemeinsamen Gebetes und kindlicher Zuneigung. Ich bitte Gott, daß uns all das, was wir in diesen Tagen erleben durften, nicht wie ein sensationelles Ereignis nur kurzzeitig begeistert. Es sollte wirklich bleibende Eindrücke in unserer Seele hinterlassen, die uns zur Umkehr bewegen, die wir umsetzen in größere Verfügbarkeit für Gott und die Menschen und in erneuerte Vorsätze für unser Leben als Christen: daß wir ab jetzt großzügiger und treuer sind und Früchte wahrer Liebe bringen.

Der Tod von Papst Johannes Paul II. war eine weitere katechetische Unterweisung von seiner Seite. Er hatte sein Pontifikat mit einer Enzyklika über Jesus Christus, den Erlöser des Menschen, begonnen. Und er hat es beendet mit einem beredten Schweigen, denn die physische Unmöglichkeit zu sprechen enthielt eine Lehre: Christus ist unser Retter; wer Christus folgt, liebt das Leben; er hat keine Angst vor der Krankheit und auch nicht vor dem Tod, denn die Kinder Gottes besitzen eine Würde, die ihnen vom ersten Augenblick ihrer irdischen Existenz bis zum letzten zu eigen ist. Ein Abschnitt in der Geschichte der Kirche wie auch der Welt ist zu Ende gegangen, geprägt von der einzigartigen Gestalt dessen, der in dieser Epoche Vater und oberster Hirte des Volkes Gottes war. Gott hat uns diese historischen Augenblicke miterleben lassen, die uns – ich wiederhole es – eine besondere Gnade vermittelt und eine besondere Verantwortung auferlegt haben; denn jetzt ist es an uns, Jesus Christus weiter so zu verkünden, wie es uns der Nachfolger des Petrus vorgelebt hat. Mit der Wahl des nächsten Papstes während des Konklave, das am 18. April beginnt, wird ein neues Kapitel der Kirchengeschichte eröffnet. An diesem Ereignis können sich alle Katholiken aktiv beteiligen, indem sie ihr Gebet mit dem der Kardinäle und der ganzen Kirche verbinden.

In diesen Tage erinnere ich mich häufig an die beiden Konklave – 1958 und 1963 –, die ich an der Seite unseres Vaters in Rom erlebt habe. Mir bleibt unvergeßlich, wie eindringlich er uns aufforderte, für den nächsten Papst zu beten und alles für ihn aufzuopfern; wie bewegt er war, wenn der weiße Rauch, die fumata bianca, aufstieg, und mit welchem Glauben er sich sofort niederkniete und das Gebet Oremus pro beatissimo Papa nostro betete, noch bevor wir durch den Kardinal-Erzdiakon erfahren hatten, wer gewählt worden war. Und genauso hat es Don Álvaro gehalten.

Paul VI. und der Gründer des Opus Dei.

Wie damals der heilige Josefmaria, so wollen auch wir schon jetzt den Nachfolger von Johannes Paul II. aus ganzem Herzen lieben, wer immer es sein wird. Wir lieben ihn mit kindlicher Zuneigung und beten für ihn, damit Gott ihm reiche Gnaden schenkt und sein Dienst Früchte der Heiligkeit für die Kirche und Frieden für die Gesellschaft bringt. Erneuern wir unser Verlangen, dem Papst zur Seite zu stehen, denn Gott hat das Opus Dei einzig und allein für den Dienst an der Kirche gewollt. Schon während der Sedisvakanz können wir etwas für den Papst, der bald auf dem Stuhl Petri sitzen wird, tun: In Gemeinschaft mit allen Katholiken bringen wir Opfer und beten für denjenigen, den der Heilige Geist an die Spitze der Kirche stellen wird. Und das gibt uns in diesen Tagen Hoffnung und inneren Frieden.

Beten wir auch dafür, daß alle Katholiken die anbrechenden Zeiten mit den Augen des Glaubens betrachten und allen Erwägungen und Überlegungen, die nicht aus der übernatürlichen Logik erwachsen, keine Beachtung schenken. Ich erinnere mich an die erste Audienz, die Paul VI. unserem Gründer im Januar 1964 gewährte. Gegen Ende wurde auch Don Álvaro hereingerufen und der Papst bemerkte: Wir kennen uns schon seit vielen Jahren, „e sono diventato vecchio“ – inzwischen bin ich alt geworden. Don Alvaro antwortete ohne zu zögern: „No, Santità, lei e diventato Pietro“ – Sie sind Petrus geworden. Seit Jahresbeginn lege ich allen, denen ich begegne, das Stoßgebet Omnes cum Petro ad Iesum per Mariam ans Herz: Alle zusammen mit Petrus zu Jesus durch Maria. Diese Worte, die ich vom heiligen Josefmaria gehört habe, erhalten in diesen Tage ein besonderes Gewicht: Wir wissen eben nicht, wer der nächste Papst sein wird! Aber wer es auch sei, er wird Petrus sein, und wir begleiten ihn schon jetzt mit unserem Gebet, indem wir Maria, die Mutter der Kirche, anrufen und um ihre Fürsprache bitten.

In den vergangenen Tagen konnten wir aus unmittelbarer Nähe betrachten, wie unser Heiliger Vater von der ganzen Welt geachtet und geliebt wird. Das macht uns deutlich, wie „einnehmend“ die Heiligkeit ist, welche Anziehungskraft Christus hat, wie der göttliche Glanz in denen aufleuchtet, die kämpfen, um treu zu sein.

Gleichzeitig bestätigt uns die „Wucht“ dieser Gemeinsamkeit wie auch der sich darin manifestierenden Liebe, daß Petrus, um den sich die Kirche schart, das bestimmende Element der Einheit ist. Denn alle diese Bezeugungen der herzlichen Zuneigung sind ein dankbarer Gruß an Papst Johannes Paul II. und ein liebevoller Willkommensgruß an seinen Nachfolger.

Noch einmal: wie immer, so befinden wir uns auch heute in der Stunde der Einheit, deren Ursprung und sichtbares Fundament der Heilige Vater ist. Papst Johannes Paul II. ist es bis zu seinem Tod gewesen, und sein Nachfolger wird es ebenfalls sein. Wir alle verspüren das Bedürfnis, dem verstorbenen Papst unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Wie sehr hat er sie verdient mit seiner vollkommenen Hingabe an die Aufgabe, die Gott ihm anvertraut hat! Sicher werdet Ihr auch dem neuen Papst – wer es auch sei – von Anfang an Eure Zuneigung schenken und ihm schon jetzt dankbar sein für die väterliche Sorge, mit der er sein universales Amt ausüben wird.

In Liebe segnet Euch

Euer Vater

+ Javier