Betrachtungstext: Karsamstag

Die Hoffnung erhellt den Karsamstag – Jene, die Christus in seiner Verlassenheit begleiten – Maria tröstet und stärkt uns in schwierigen Momenten

ES KANN leicht geschehen, dass der Karsamstag, wie Papst Franziskus sagte, „jener Tag des Ostertriduums ist, den wir am meisten vernachlässigen, weil wir gespannt darauf warten, vom Kreuz des Freitags zum Halleluja des Sonntags überzugehen“1. Damit uns dies nicht passiert, empfiehlt er, auf die Frauen zu schauen, die die Gottesmutter stets begleitet haben. „Für sie war es – wie für uns – die dunkelste Stunde. Doch auch in dieser Lage lassen sich die Frauen nicht lähmen. Sie ergeben sich nicht den fruchtlosen Mächten des Klagens und Trauerns, verschließen sich nicht in Pessimismus: Sie fliehen nicht vor der Schwere des Moments. Stattdessen tun sie etwas Einfaches und zugleich Außerordentliches: In ihren Häusern bereiten sie duftende Öle für den Leib Jesu vor. (...) Ohne es zu ahnen, bereiteten sie im Dunkel jenes Sabbats bereits den Anbruch des ersten Tages der Woche vor – jenes Tages, der die Geschichte für immer verändern sollte.“2

Jesus Christus liegt heute im Grab. Freundeshände haben ihn liebevoll in jene Stätte gelegt, die Josef von Arimathäa gehörte, nahe beim Golgotha. Wo sind die Apostel? Aus den Evangelien erfahren wir dazu gar nichts. Doch bei Einbruch der Dunkelheit dürfte sich an jenem Sabbat einer nach dem anderen im Abendmahlssaal eingefunden haben, wo sie sich Tage zuvor mit dem Meister versammelt hatten. Wieviel Entmutigung offenbarten ihre kargen Gespräche! Sie hatten Jesus verlassen und verraten. Ihre Niedergeschlagenheit mochte so groß gewesen sein, dass der Gedanke nicht fehlte, alles hinzuschmeißen und ins alte Leben zurückzukehren – wie wenn die vergangenen drei Jahre nicht gewesen wären. Bedenken wir: Wir tun uns in dieser Lage leichter als die Apostel, weil wir das Ende genau kennen. Und so „leben wir“, wie Papst Benedikt sagte, „in der Stille, die den Karsamstag umfängt, berührt von der grenzenlosen Liebe Gottes, in der Erwartung des Morgens des dritten Tages, des Morgens des Sieges der Liebe Gottes, des Morgens des Lichts, das den Augen des Herzens ermöglicht, das Leben, die Schwierigkeiten, das Leid auf neue Weise zu sehen. Unsere Misserfolge, unsere Enttäuschungen, unsere bitteren Erfahrungen werden von der Hoffnung erhellt.“3


DIE ENTTÄUSCHUNG der einen wie der anderen ist verständlich: Weder die Apostel noch die Frauen waren bis dahin Zeugen der Auferstehung Christi geworden. Doch eines zeichnet die heiligen Frauen aus: Sie sind bis zum Schluss treu. Sie machen sich ein Bild von der Lage, um nach der Sabbatruhe zurückkehren und die Einbalsamierung Jesu abschließen zu können. Diesen Dienst wollen sie ihm nicht vorenthalten. Ihre Zuneigung ist stärker als der Tod. Wir möchten zugleich aber auch so mutig wie Josef von Arimathäa und Nikodemus sein, die „in der Stunde seiner Verlassenheit, des allgemeinen Abfalls und der Schmähungen, ... Farbe bekennen (...). Mit ihnen“, so schrieb der heilige Josefmaria, „will auch ich ans Kreuz herantreten: mit der Wärme meines Herzens will ich Christus, seinem erstarrten, kalten Leichnam, ganz nahe sein ... Mit meinen Sühneakten und Abtötungen will ich ihn vom Kreuz abnehmen ... Mit dem Linnen eines reinen Lebens will ich ihn einhüllen. In meine Brust will ich ihn einschließen; in ihr soll er wie in einem lebenden Felsen geborgen sein, und niemand kann ihn mir entreißen.“4 In einer Stunde, in der niemand mehr etwas von Christus erwartet, zuckt keine dieser Gestalten gleichgültig mit den Achseln. Sie haben nichts zu gewinnen, können alles verlieren, und doch wollen sie Jesus ihre Liebe erweisen.

Für die Gottesmutter hingegen wird der Karsamstag zwar ein schmerzlicher, jedoch kein trauriger Tag gewesen sein. Der Glaube, die Hoffnung und die zärtliche Liebe zu ihrem göttlichen Sohn werden sie mit Frieden erfüllt und die Auferstehung mit zuversichtlicher Sehnsucht erwarten lassen haben. Sie wird sich besonders an die letzten Worte Jesu erinnert haben: Frau, siehe, dein Sohn! (Joh 19,26). Und so wird sie begonnen haben, ihre Mutterschaft gegenüber jenen Männern und Frauen auszuüben, die Christus seit den frühesten Zeiten gefolgt sind. Sie wird sich aufgemacht haben, den Glauben und die Hoffnung der Apostel neu zu entfachen, indem sie sie an die Worte erinnerte, die sie vor kurzem aus dem Munde des Herrn gehört hatten: Sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Und nach drei Tagen wird er auferstehen (Mk 10,34). Der Herr hatte sehr deutlich gesprochen, damit sie wüssten, wenn es schwierig wurde, wie sie im Glauben an seinem Wort festhalten konnten. In der schmerzlichen Erinnerung an die Leiden, die Jesus Christus ertragen musste, überkam Marias mütterliches Herz zugleich eine große Erleichterung darüber, dass nun alles vorbei war: „Das Werk unserer Erlösung ist vollbracht“, hält der heilige Josefmaria fest. „Jetzt sind wir Kinder Gottes, weil Jesus für uns gestorben ist und sein Tod uns losgekauft hat.“5


AN DER SEITE MARIAS, im Licht ihrer Hoffnung, dürften die Herzen eines jeden neu entzündet worden sein. „Und was, wenn alles wahr ist?“, mochten die Apostel denken. „Was, wenn Jesus Christus wirklich aufersteht, wie er es zugesagt hat?“ So wie sie sich früher alle um den Sohn geschart haben, möchten sie jetzt in der Nähe der Mutter sein. Sicher hat diese auch so manchen ausgeschickt, um nach jenen zu suchen, die nicht gleich erschienen. Sie hoffte, Thomas zu finden, um sein verängstigtes Herz zu trösten. In der Stunde der Prüfung wandten sie sich also an Maria, „und mit ihr zusammen, wie leicht ist es!6

Wir wollen unseren Glauben auf ihren Glauben stützen: vor allem, wenn uns etwas schwerfällt, wenn Schwierigkeiten auftreten und wir Momente der Dunkelheit durchleben. Der heilige Bernhard empfiehlt: „Wenn die Winde der Versuchung aufkommen, wenn du über die Stolpersteine der Trübsal fällst, schau auf den Stern, rufe Maria an.“7 Gott will, dass sie für uns Fürsprecherin ist, Mutter, sicherer Weg, um in Momenten der Dunkelheit das Licht wieder zu finden.

Diejenigen, die sich auf die mächtige Fürsprache der heiligen Maria berufen, wissen, dass noch nie gehört worden ist, dass diejenigen, die auf sie vertrauten, ohne Hilfe geblieben sind, egal wie schwierig der Moment und wie groß die Verwirrung ihrer Seelen war. Mit Papst Franziskus wollen wir uns auch an Jesus wenden: „Welche Traurigkeit auch immer in uns wohnen mag, wir werden hören, dass wir hoffen sollen. Denn mit dir mündet das Kreuz in Auferstehung, denn du selbst bist mit uns im Dunkel unserer Nächte: Du bist Gewissheit in unseren Ungewissheiten, Wort in unserem Schweigen, und nichts wird uns je deine Liebe zu uns rauben können.“8 An der Seite Marias, der Mutter der Hoffnung, wird unser Glaube an die Verdienste ihres Sohnes Jesus erneut wachsen.


1 Franziskus, Predigt, 11.4.2020.

2 Ebd.

3 Benedikt XVI., Worte nach dem Kreuzweg am Kolosseum, 2.4.2010.

4 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, XIV. Station, Nr. 1.

5 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, XIV. Station.

6 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 513.

7 Bernhard, Homiliae super Missus est, 2, 17.

8 Franziskus, Predigt, 11.4.2020.