Betrachtungstext: Donnerstag nach Aschermittwoch

Eine Gelegenheit zur Umkehr – Bekehrung ist ein Geschenk, um das wir Gott bitten können – Das tägliche Kreuz auf sich nehmen

Entscheidung als Weggabelung

DIE KIRCHE legt uns am Tag nach Aschermittwoch den ersten Psalm zur Betrachtung vor, der zwei Bilder enthält für alternative Wege, die wir einschlagen können. Auf der einen Seite der Weg derer, die Gottes Weisung suchen: Sie gleichen einem Baum, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken (Ps 1,3); auf der anderen Seite der Weg derer, die den Herrn verspotten: Sie gleichen der Spreu, die der Wind verweht (Ps 1,4). Entweder wir verwurzeln uns in der Wirklichkeit und tragen die Früchte der Heiligkeit, die der Herr uns schenken möchte, oder wir lassen uns treiben, hin und her geworfen vom Wind der flüchtigen Freuden, die einmal in diese, dann in jene Richtung ziehen.

„Die Fastenzeit hat begonnen“, schrieb der heilige Josefmaria, „eine Zeit der Buße, der Läuterung, der Umkehr. Leicht ist diese Aufgabe nicht. Christsein ist kein bequemer Weg: Es ist nicht damit getan, der Kirche anzugehören und dann Jahr um Jahr verstreichen zu lassen.“1 Gott gewährt uns einige Wochen, um gründlich über unseren Weg nachzudenken und das Geschenk der Umkehr zu erbitten.

Wir sind zum Leben berufen, daran erinnert Mose das auserwählte Volk, als es vor dem Eintritt in das Gelobte Land steht: Siehe, hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor, nämlich so: Ich selbst verpflichte dich heute, den Herrn, deinen Gott, zu lieben, auf seinen Wegen zu gehen und seine Gebote, Satzungen und Rechtsentscheide zu bewahren, du aber lebst (Dtn 30,15-16). Umkehr ist keine Selbstverleugnung, sondern eine Antwort auf den tief in unserem Herzen verankerten Wunsch nach Ganzheit. Papst Franziskus sagte: „Der Herr fordert alles; aber was er dafür anbietet, ist wahres Leben, das Glück, für das wir geschaffen wurden. Er will, dass wir heilig sind, und erwartet mehr von uns, als dass wir uns mit einer mittelmäßigen, verwässerten, flüchtigen Existenz begnügen.2


WAS KÖNNEN WIR TUN, um in dieser Fastenzeit das hohe Ziel unserer Umkehr zu erreichen? Die Kirche schlägt uns im Tagesgebet der Messe vor, zunächst den Herrn um seine Gabe zu bitten: „Herr, unser Gott, komm unserem Beten und Arbeiten mit deiner Gnade zuvor und begleite es, damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und durch dich vollendet werde.“3 Dieses Gebet wird auf Wunsch des heiligen Josefmaria täglich von den Gläubigen des Opus Dei gebetet. Wir sind uns bewusst, dass für diesen Weg der Umgestaltung Gott selbst erforderlich ist, der uns inspiriert, unterstützt und begleitet. Unsere Bekehrung wird in erster Linie ein Geschenk des Herrn sein, das wir mit Demut und Dankbarkeit annehmen.

Wenn wir auf das Alte Testament schauen, so ist es Gott, der die Initiative ergreift, um sein Volk aus Ägypten herauszurufen und in das Gelobte Land zu führen. Er unterstützt die Israeliten auf ihrer Reise und gibt ihnen neue Kraft, wenn ihr Mut zu schwinden droht. Das Gleiche tut der Herr jetzt für uns. Denn Gott ist es, der in uns das Wollen und das Vollbringen bewirkt zu seinem Wohlgefallen (Phil 2,13). Diese Worte des heiligen Paulus geben uns große Hoffnung. Den Herrn um seine Gabe zu bitten, bedeutet jedoch nicht, untätig zu bleiben. Wir können unsere Offenheit für seine Gnade auf viele Weisen zeigen, etwa durch konkrete Bußwerke oder vor allem durch das Gebet. Benedikt XVI. bestärkt uns darin: „Ohne das in Treue gelebte tägliche Gebet wird unser Tun leer, verliert es die tiefste Seele, wird es auf reinen Aktivismus reduziert, der uns am Ende unzufrieden macht. Es gibt ein schönes Gebet aus der christlichen Überlieferung, das man vor jeder Arbeit sprechen kann. Es lautet: Actiones nostras, quaesumus, Domine, aspirando praeveni et adiuvando prosequere, ut cuncta nostra oratio et operatio a te semper incipiat, et per te coepta finiatur. Das heißt: ,Herr, komm unserem Beten und Arbeiten mit deiner Gnade zuvor und begleite es, damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und in dir zu Ende komme.‘ Jeder Schritt unseres Lebens, jedes Handeln, auch das der Kirche, muss vor Gott geschehen, im Licht seines Wortes.“4


WENN EINER hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Lk 9,23). Diese Worte Jesu sind an seine Jüngerschar gerichtet, zu der auch wir gehören. Um die Freude über die Auferstehung des Herrn genießen zu können, müssen wir unser tägliches Kreuz erkennen und annehmen. Die Bußübungen der Fastenzeit haben genau diesen Zweck: alles Sündhafte in uns abzulegen, damit wir Jesus besser folgen können.

Der Herr verglich sein Leiden mit der Veränderung, die das Weizenkorn erfährt, wenn es in die Erde gepflanzt wird: Der Same scheint verloren zu sein, doch in Wirklichkeit verwandelt er sich in eine Ähre voller Früchte (vgl. Joh 12,24). Das Kreuz bedeutet nicht sinnloses Leiden, sondern Verwandlung: Es kündigt das Kommen neuen Lebens an. Wenn der Herr uns auffordert, täglich unser Kreuz auf uns zu nehmen, verspricht er uns damit implizit, dass jeder Tag eine Gelegenheit für eine kleine Verwandlung, eine neue Bekehrung sein kann.

Der heilige Josefmaria ermutigte uns, diese täglichen Kämpfe wertzuschätzen: „Du sprichst vom Gipfel ... Für eine Seele, die sich Gott hingibt, wird alles zum erstrebenswerten Gipfel: Sie entdeckt jeden Tag neue Ziele, weil sie der Liebe Gottes keine Grenzen setzen will noch kann.“5 Es gibt so viele Gelegenheiten zu unserer Umgestaltung, wie es kleine Gipfel gibt, denen wir täglich begegnen. Auf diesem Weg, den wir jetzt beginnen, finden wir Hilfe bei unserer Mutter, die Wegbereiterin für so viele Bekehrungen ist.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 57.

2 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 1.

3 Messe vom Donnerstag nach Aschermittwoch, Tagesgebet.

4 Benedikt XVI., Audienz, 25.4.2012.

5 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 17.