Betrachtungstext: 18. Dezember – Advent

Der heilige Josef und sein Himmel auf Erden – Josefs Sendung an der Seite Marias und des Messias – Mit Maria und Jesus die Schwierigkeiten überwinden

DU BIST wahrhaft erwählt, denn der Herr der Welt hat dir seinen Sohn und seine Mutter anvertraut.“1 So besingt der Hymnus Te Ioseph seit Jahrhunderten die großen Stationen des Lebens des heiligen Patriarchen. Schon bald dürfen wir den Bräutigam Marias mit gutem Grund bitten, uns zu lehren, das Jesuskind so zärtlich wie er zu umarmen und liebevoll zu wiegen.

Doch die Freude des heiligen Josef war hier auf Erden nicht ohne Bedrängnisse: Noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes (Mt 1,18). Josef reagierte mit der Treue und Loyalität eines Mannes, der tief mit Gott verbunden war. Er beschloss, sich in aller Stille von Maria zu trennen, um ihr – abgesehen von seiner fehlenden Begleitung – keine weitere Last aufzubürden. In dieser Familie ordnet sich alles den göttlichen Plänen unter, alles wird dem Willen Gottes angepasst. Obwohl es nur wenige Stunden der Beklemmung waren, litt der heilige Josef. Er verstand nicht, was geschah, doch er zweifelte keinen Augenblick an seiner Braut oder an Gott. Er war, so sagte der heilige Thomas, „erfüllt von einer heiligen Furcht, an der Seite einer so großen Heiligkeit zu leben2. Ein Engel wurde gesandt, um ihn zu trösten und ihm in seiner Bestürzung seine Aufgabe zu zeigen: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen (Mt 1,20-21).

Die Freude Josefs über diese doppelte Ankündigung ist leicht vorstellbar. Der Messias war bereits da, und er würde ihn und seine gesegnete Mutter beschützen. Zu der Freude, Maria zurückgewonnen zu haben, kam das unermessliche Glück, zu wissen, dass die Fülle der Zeit gekommen war. Für einen Sohn Davids war diese Nachricht die meisterhoffte. Der Erlöser war bereits unter ihnen. Nie hätte er sich ein so großes und unverdientes Glück erträumen können. Er wollte jubeln über das, was Gott ihm zugedacht hatte, auch wenn es ihm noch verborgen blieb, wie dies Wirklichkeit werden sollte.


VOR DEM EMPFANG der Nachricht des Engels verfolgte der heilige Patriarch, wie Papst Franziskus es ausdrückte, ein gutes Lebensprojekt, „doch Gott hatte einen anderen Plan, eine größere Sendung für ihn vorgesehen. Josef war ein Mann, der der Stimme Gottes stets Raum gab, zutiefst empfänglich für dessen verborgenen Willen und aufmerksam auf die Botschaften, die aus der Tiefe seines Herzens und von oben zu ihm kamen. (…) So wurde Josef noch freier und größer. Weil er seine Rolle dem Plan des Herrn gemäß annimmt, findet Josef seine wahre Identität und wächst über sich hinaus. Seine Freiheit, auf das Seine und seine eigene Lebensgestaltung zu verzichten, und seine vollkommene innere Verfügbarkeit für den Willen Gottes fordern uns heraus und weisen uns den Weg.“3

Wahrscheinlich suchte Josef eilig seine Braut auf, um ihr von der Offenbarung zu berichten. Im heutigen Evangelium wird ein Wort mehrmals wiederholt: zu sich nehmen. Dieses Wort beschreibt auch treffend die Beziehung, die wir zu Gott anstreben. Wir möchten Zuflucht sein und das Geheimnis der Liebe in unseren Herzen bergen. Zu sich nehmen bedeutet, eine Person in unser Zuhause oder in unsere Gemeinschaft aufzunehmen. Es ist, als hätte Gott auch Josef um Erlaubnis gebeten hätte, in die Welt eintreten zu dürfen. Jesus drängt sich nicht auf, sondern bittet um Raum in unseren Herzen. Er fordert uns auf, ihm einen Unterschlupf zu gewähren und ihm unsere Gesellschaft zu schenken.

Erstaunlicherweise bat Gott den heiligen Josef darum, die Aufgabe zu übernehmen, die beiden kostbarsten Wesen, die es je auf Erden gab, zu sich zu nehmen. Dankbar nahm Josef, der Bräutigam Marias, die Gabe an und bewies damit, dass Gottes Großzügigkeit keine Grenzen kennt. Auch uns bietet der Herr fortwährend große und kleine Gaben an – Möglichkeiten, in denen wir Jesus und Maria Raum geben können. Der heilige Josefmaria war begeistert von der Einfachheit des heiligen Patriarchen: „Der heilige Josef ist wunderbar! Er ist der Heilige der ergebenen Demut …, des ständigen Lächelns und der steten Bereitschaft.4


MÖGLICHERWEISE hat Josef oft staunend die Herrlichkeit gespürt, Jesus und Maria in seiner Obhut zu haben, und sich dabei gesegnet gefühlt. Wahrscheinlich ließen Maria und Jesus ihn in jedem Augenblick fühlen, wie wichtig seine Sendung und sein Leben waren. Sicherlich überzeugten sie ihn leicht davon, dass er der beste Vater der Welt war.

Umso schmerzhafter war es wohl für ihn, als Jesus ohne Vorwarnung im Tempel blieb, um seine göttliche Sendung in der Welt zu verdeutlichen. Papst Benedikt überrascht uns mit der Erklärung: „Diese Begebenheit aus dem Evangelium offenbart die wahrste und tiefste Berufung der Familie: nämlich die Berufung, jedes Mitglied auf dem Weg der Entdeckung Gottes und des Planes, den er für ihn vorgesehen hat, zu begleiten.“5 Als sie den Knaben nach drei Tagen fanden, mag Josef einen gewissen Trost empfunden haben, als er feststellte, dass auch Maria es nicht begriff. Maria an seiner Seite zu wissen, war für ihn der Schlüssel zur Überwindung all seiner Zweifel und Unsicherheiten. Mit Maria wurde ihm alles leichter.

Was hätte er sich auf Erden noch mehr wünschen können? Die Liebe eines so erhabenen Wesens zu empfangen und es immer an seiner Seite zu wissen, war für Josef wie ein Stück Himmel auf Erden. Ob es darum ging, durch die Wüste nach Ägypten zu fliehen oder tagtäglich in der Werkstatt von Nazareth zu arbeiten, ob die Dinge nach Wunsch liefen oder nicht – das Lächeln seiner geliebten Ehefrau machte alles erträglich. Möge Gott uns die Gnade schenken, seine Pläne mit derselben Hingabe anzunehmen, wie Maria und Josef es taten. An einem heiligen Abend schloss Papst Franziskus seine Predigt mit folgenden tröstlichen Worten: „Wenn deine Hände dir leer erscheinen, wenn du dein Herz arm an Liebe siehst, so ist die heutige Nacht deine Nacht. Die Gnade Gottes ist erschienen, um dein Leben zu erhellen. Nimm sie an, und das Licht der Weihnacht wird in dir erstrahlen.6


1 Stundenbuch, Hymnus Te Ioseph, der in der Vesper des Hochfests des heiligen Josefs gebetet wird.

2 Hl. Thomas von Aquin, Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, lib. 4, d. 30, q. 2, a. 2, ad. 5.

3 Franziskus, Angelus, 22.12.2013.

4 A. Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 3, Adamas, Köln 2008, S. 660, Anmerkung 170.

5 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 31.12.2006.

6 Franziskus, Homilie, 24.12.2019.

Foto: Kelli McClintock (unsplash)