Betrachtungstext: 3. Woche der Fastenzeit – Dienstag

Gott erwartet das Opfer unseres Herzens – Rückkehr zum Vater in dieser Fastenzeit – Vergeben, weil uns vergeben wird.

UNTER DEN nach Babylon verschleppten Juden befanden sich Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja, Söhne von königlicher Abkunft oder wenigstens aus vornehmer Familie (...), frei von jedem Fehler, schön an Gestalt, in aller Weisheit unterrichtet und reich an Kenntnissen; (...) einsichtig und verständig und geeignet, im Palast des Königs Dienst zu tun (Dan 1,3-4). Drei Jahre lang wurden sie in der Sprache und Weisheit ihrer neuen Heimat unterrichtet und erhielten sogar chaldäische Namen. In den ersten Kapiteln des Buches Daniel wird erzählt, was die Abkömmlinge aus dem Hause Juda am Hof Nebukadnezzars, des Königs von Babel, erlebten und wie sie sich gegenseitig darin unterstützten, in der fremden Umgebung Gott und den Bräuchen ihres Volkes treu zu bleiben. Zur Strafe für ihre Weigerung, die Religion des Königs anzunehmen, ließ dieser drei von ihnen in einen glühenden Feuerofen werfen.

Dort wendet sich Asarja mit einem langen Gebet an Gott. Seine Gedanken gehen über ihr Leid hinaus. Sein Herz hört nicht auf, die Lage des Volkes Israel – seine Verschleppung nach Babylon – zu beklagen. Gott hatte sein Volk einst aus der Sklaverei befreit und ihm ein Land gegeben, in dem es in Freiheit leben konnte. Doch all diese Pracht ist nur mehr schmerzhafte Erinnerung. Ach, Herr, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt (Dan 3,37).

In dieser dramatischen Situation bietet Asarja dem Herrn alles an, was er hat: Du aber nimm uns an! Wir kommen mit zerknirschtem Herzen und demütigem Sinn. Wie Brandopfer von Widdern und Stieren, wie Tausende fetter Lämmer, so gelte heute unser Opfer vor dir (Dan 3,39). Und Gott lässt sich besänftigen und nimmt dieses Opfer an, das ihm am meisten gefällt: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen. Kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig (Joel 2,12-13). Die innere Haltung eines Menschen, der weiß, dass er all das Gute, das er erhalten hat, nicht bezahlen kann, macht das Opfer in den Augen Gottes wohlgefällig.


ASARJA hat die Logik Gottes verstanden. Selbst inmitten der Flammen wendet er sich dem Himmel zu. Asarja und seine Gefährten haben erfahren, was es heißt, vollkommen hilflos zu sein, und sind bereit, alles von Gott zu erhalten. Die Dankbarkeit dieser drei jungen Männer für ihre Rettung findet Ausdruck in einem Lied, in dem sie alle Geschöpfe aufrufen, die Barmherzigkeit Gottes zu loben und zu preisen (vgl. Dan 3,51-90).

Der Feuerofen der Verbannung war für das Volk Israel die Feuerprobe, die ihm half, sich auf das Wesentliche zurückzubesinnen. Von dort aus werden sie einen neuen Anfang nehmen, in dem Gott und seine Liebe wieder ihre Mitte bilden. Wir folgen dir jetzt von ganzem Herzen, fürchten dich und suchen dein Angesicht. Überlass uns nicht der Schande, sondern handle an uns nach deiner Milde, nach deinem überreichen Erbarmen! Errette uns, deinen wunderbaren Taten entsprechend; verschaff deinem Namen Ruhm, Herr! (Dan 3,41-43)

Auch für uns ist die Fastenzeit eine Gelegenheit zum Neuanfang. „In gewisser Weise ist das menschliche Leben eine ständige Heimkehr ins Haus unseres Vaters“, sagte der heilige Josefmaria. „Heimkehr durch die Reue, diese Bekehrung des Herzens, die den Wunsch, uns zu ändern, in sich schließt, den festen Entschluss, unser Leben zu bessern, und die sich daher auch in Werken des Opfers und der Hingabe äußert.1 Diesen Weg zurück zum Vater zu entdecken und zu beschreiten, wird uns mit der gleichen Freude erfüllen, wie sie die Herzen der drei jungen Männer erfüllte.


DIE ERFAHRUNG der Vergebung Gottes zwingt uns, die rein menschliche Logik hinter uns zu lassen. Als Petrus Jesus fragt, wie oft er seinem Bruder vergeben muss, erhält er zur Antwort: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal (Mt 18,21-22). Dann erzählt Jesus das Gleichnis von einem Mann, der zehntausend Talente schuldete, eine Summe, die selbst Salomo in Bedrängnis gebracht hätte. Der König soll in den Zeiten größten Wohlergehens des Königreichs Israel jährlich sechshundertsechsundsechzig Goldtalente erhalten haben (vgl. 1Kön 10,14). Der arme Schuldner könnte sich wie Asarja vorgekommen sein, als dieser das Ausmaß der Sünden des Volkes und seine fehlenden Mittel zur Wiedergutmachung gegeneinander abwog. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, (...) fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen (Mt 18,25-26).

Und nun gibt Jesus dem Gleichnis eine überraschende Wendung. Der Herr gibt sich mit der bloßen Zahlungsbereitschaft seines Dieners zufrieden. Der Meister lehrt uns – wie es Asarja bereits erfahren hat –, dass Gott sich von einem zerknirschten Herzen gewinnen lässt, dass er seine Gnade über uns ausgießt, wenn wir bloß aufrichtig zahlen möchten, selbst wenn wir dazu nicht imstande sind. Papst Franziskus teilte in einem Angelus-Gebet folgende Beobachtung mit: „Gott (...) wird nicht müde, uns zu vergeben. (...) Das Problem ist, dass wir müde werden, (...), um Vergebung zu bitten.2 Jesus vergibt uns immer, wenn wir uns reumütig dem Sakrament der Beichte nähern. Zugleich drängt uns das Wissen, dass selbst Gott unsere Fehler vergisst, dazu, Kränkungen, die wir durch andere erlitten haben mögen, nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Der heilige Josefmaria sagte gerne: „Zu verzeihen brauchte ich nicht extra zu lernen, denn der Herr hat mich gelehrt zu lieben.3 Wir bitten die heilige Maria, die Zuflucht der Sünder, uns zu lehren, offen für Gottes Vergebung zu sein, unseren Brüdern und Schwestern die Vergebung nicht zu verweigern und sie häufig um Vergebung zu bitten.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 64.

2 Franziskus, Angelus-Gebet, 17.3.2013.

3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 804.