Betrachtungstext: 3. Adventwoche - Mittwoch

Der Christ lebt von der Hoffnung – Gott in unserem Leben wirken lassen – Das wunderbare Wirken Gottes durch uns

DER HERR wird kommen und nicht zögern.1 Der Advent ist eine Zeit der Hoffnung, denn das Heil steht unmittelbar bevor. „Seht, Gott, der Herr, kommt mit Macht.2 Der Christ lebt von der Hoffnung, die der heilige Paulus als sicheren und festen Anker der Seele (Hebr 6,19) beschreibt. Ein Anker, der im Meeresboden verankert ist, hält das Schiff an seiner Position und bewahrt es davor, von Strömungen mitgerissen zu werden. Die christliche Hoffnung gründet nicht auf unseren eigenen Kräften, sondern auf den Verheißungen und der bedingungslosen Liebe Gottes. Papst Franziskus sagt: „Es ist eine neue, lebendige Hoffnung, die von Gott kommt. Sie ist kein bloßer Optimismus, kein Schulterklopfen oder flüchtiges Lächeln. Nein, sie ist eine Gabe des Himmels, die wir uns nicht selbst beschaffen können.3

Als das Volk Israel im Exil in Babylon lebte, stärkten die Propheten seine Hoffnung und seinen Mut, indem sie die baldige Befreiung ankündigten. In der heutigen Lesung hören wir die Worte des Propheten Jesaja, der das Volk ermutigt, die auf Gott gegründete Hoffnung lebendig zu halten, denn nur er kann retten: Ich bin der Herr, und sonst niemand. (…) Denn ich bin Gott, und sonst niemand (Jes 45,6.22). Dank der Macht des Herrn bekommen alle Nachkommen Israels ihr Recht und erlangen Ruhm (Jes 45,25).

Die Tugend der Hoffnung bewahrt uns vor Mutlosigkeit und trägt uns durch die Stürme des Lebens. Wenn das Herz in der Hoffnung verankert ist, weicht fruchtloses Klagen, und wir finden die Kraft, selbst das Unmögliche zu erreichen. Mit der Hoffnung können wir gestärkt aus den größten Prüfungen hervorgehen. Der heilige Josefmaria bezeugt dies mit folgenden Worten: „Aus einer wachsenden Überzeugung heraus schrieb ich schon vor Jahren: Erhoffe alles von Jesus. Du hast nichts, bist nichts, kannst nichts. Er ist es, der wirkt, wenn du dich ihm ganz überlässt. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und diese meine Überzeugung ist noch fester, noch tiefer geworden. Ich habe gesehen, wie die Hoffnung auf Gott in vielen Menschen einen wunderbaren Brand der Liebe entfacht hat, dessen Feuer das Herz kräftiger schlagen lässt, so dass sie nicht zaudern, nicht nachlassen, auch wenn sie auf ihrem Weg leiden, manchmal sogar sehr leiden müssen.“4


DIE HOFFNUNG zeigt sich im Wunsch, Gott in unserem Leben wirken zu lassen. Jesaja erinnerte das Volk im Exil daran, dass Gott der Ursprung aller Dinge ist: Der das Licht formt und das Dunkel erschafft, der das Heil macht und das Unheil erschafft, ich bin der Herr, der all dies macht (Jes 45,7). Der Auszug aus Babylon war nicht das Ergebnis eines Aufstands oder menschlicher Strategien – Gott selbst öffnete die Wege, als die Zeit reif war.

Ähnlich verhält es sich in unserem Leben: Es ist der Herr, der durch sein barmherziges Wirken Heil und Frieden bringt. Der Psalmist sagt: Der Herr gibt Gutes, Gerechtigkeit geht vor ihm her und bahnt den Weg seiner Schritte (Ps 85,13-14). Gott ist der wahre Protagonist unserer Geschichte; er schreibt das Drehbuch, berücksichtigt dabei aber immer unsere Freiheit. Er möchte unseren Einsatz und unsere Begeisterung, doch wir dürfen nicht vergessen: Alles hängt von ihm ab. Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen (Joh 15,5). Der heilige Josefmaria riet in schwierigen Momenten: „Wenn dir scheint, dass der Horizont sich schließt und Himmel und Erde verschmelzen, dann schau auf den Himmel. So wirst du viel Gutes auf der Erde tun – indem du auf den Himmel schaust.“5

Kardinal Ratzinger betonte bei der Heiligsprechung des heiligen Josefmaria treffend: „Der Gründer des Werkes sagte: Ich habe nichts gegründet; ein Anderer hat alles gemacht; ich habe versucht, fügsam zu sein und ihm als Werkzeug zu dienen.6 Diese Worte fassen das Geheimnis der Heiligkeit zusammen: Gott wirken lassen, sich von den eigenen Sorgen lösen und den Wegen vertrauen, die er für uns wählt. In dieser Haltung der Verfügbarkeit öffnen wir „die Tore der Welt, damit Gott gegenwärtig werden, wirken und alles verwandeln kann7.

Wenn wir etwas oder jemanden erwarten, dann weil wir die Hoffnung haben, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Doch Gott hat seine Zeitvorstellungen, die nicht immer mit den unseren übereinstimmen. Warten verlangt daher Vertrauen und viel Geduld – die keineswegs Apathie ist, sondern ein Ausdruck innerer Stärke. Der heilige Augustinus beschreibt sie als „eine Spur Gottes in uns‘8, die uns befähigt durchzuhalten, die Prüfungen des Lebens zu ertragen und mit unseren eigenen Grenzen in einen Dialog zu treten.


ALS JOHANNES über im Gefängnis von der Predigt Jesu hört, schickt er zwei Jünger zu ihm mit der Frage: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? (Lk 7,19). Jesus antwortet ihnen, indem er auf die Früchte des göttlichen Wirkens verweist: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet (Lk 7,22).

Johannes ist seine Sendung sehr klar bewusst – dem Messias den Weg zu bereiten –, und er ahnt, dass sein Ende nahe ist. Er will nicht im Mittelpunkt stehen. Er ist bereit, kleiner zu werden, damit Christus wachsen kann (vgl. Joh 3,30). Wie Papst Benedikt XVI. es ausdrückte: „hat er die tiefe Demut, auf Jesus, den wahren Gesandten Gottes, zu zeigen und selbst zurückzutreten (...). Das christliche Leben verlangt sozusagen das ,Martyrium‘ der täglichen Treue zum Evangelium, also den Mut, Christus in uns wachsen zu lassen und an Christus unser Denken und unser Handeln auszurichten.9 Auf diese Weise erfahren wir die heilende, verwandelnde und belebende Wirkung des göttlichen Handelns in unserer Seele und werden zu guten Werkzeugen in seinen Händen werden.

Der heilige Josefmaria ermutigte uns, das Beispiel Johannes des Täufers zu betrachten: „Beachtet, wie er seine Jünger zu Jesus schickt, damit sie fragen, wer er ist. Jesus verweist auf die Wunder, die durch ihn geschehen. Diese Wunder geschehen weiterhin durch eure Hände: Menschen, die blind waren und nun sehen; Menschen, die stumm waren, nun aber sprechen, weil sie das Böse überwunden haben. Gelähmte, die ihre Tatenlosigkeit überwinden und Werke der Tugend vollbringen. Andere scheinen zu leben, sind aber innerlich tot wie Lazarus. Ihr bringt sie zu Gott, und sie leben wieder – durch die Gnade Gottes, euer Leben und euer Zeugnis. Denn ihr seid Christus, und er wirkt durch euch.“10 Diese Wunder sind Gottes Werk. Wir selbst spüren, dass sie nicht aus uns stammen, denn „die Ulme bringt keine Birnen hervor. Die Frucht stammt von Gott Vater, der so väterlich und großzügig gewesen ist, dass er sie in unsere Seele legte.“11

Maria ist unsere Hoffnung, weil sie die vollkommene Vermittlerin ist, die dafür sorgt, dass Gottes Wunder in der Welt weiter geschehen. Die demütige Frau von Nazaret setzt ihre Sendung vom Himmel aus fort und ermutigt uns, die Gnade Gottes in unseren Herzen wirken zu lassen. Sie sagt uns immer wieder: Was er euch sagt, das tut! (Joh 2,5).


1 Eröffnungsvers, Mittwoch der dritten Adventswoche.

2 Ruf vor dem Evangelium, Mittwoch der 3. Adventswoche.

3 Franziskus, Homilie in der Osternacht, 11.4.2020.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 205.

5 Ders., Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 15.1.1959.

6 Kardinal J. Ratzinger, Dejar obrar a Dios, L’Osservatore Romano 6.10.2002.

7 Ebd.

8 Hl. Augustinus, De patientia, 1.

9 Benedikt XVI., Audienz, 29.8.2012.

10 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, Jetzt am Jahresbeginn, Nr. 5.

11 Ebd.

Foto: Swapnil Dwivedi (unsplash)