Betrachtungstext: 18. Woche im Jahreskreis – Montag

Das Menschenmögliche anstreben – Erinnerung an ein Geschenk – Leben aus dem Glauben

DIE LEUTE hatten den Lehren Jesu nun schon mehrere Stunden zugehört. Ein unbehagliches Gefühl ergriff die Jünger: Was wird passieren, wenn die Menge merkt, dass keine Zeit mehr blieb, um Proviant zu besorgen? Vielleicht wird die Begeisterung in Entmutigung umschlagen, oder die Ermüdung wird sie schnell vergessen lassen, was sie gehört haben. Also gehen sie leise auf Jesus zu und geben ihm zu bedenken: Der Ort ist abgelegen und es ist schon spät geworden. Schick die Leute weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen! (Mt 14,15) Obwohl vernünftig ist, was die Apostel sagen, antwortete der Herr mit Worten, die nicht leicht zu verstehen sind: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! (Mt 14,16)

Die Apostel waren nicht zu Jesus gegangen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Sie hatten nicht versucht, sich eine Schwierigkeit vom Hals zu schaffen. Vielmehr hatten sie ein Problem im Voraus erkannt und wollten dazu beitragen, es rechtzeitig zu lösen. Doch dass nun sie den Leuten zu essen geben sollten, überstieg ihre Möglichkeiten vollkommen. An eine solche Option hatten sie nicht einmal gedacht, geschweige denn dass diese Option mit ihnen zu tun haben könnte, denn sie hatten keine Vorräte für eine solche Menschenmenge. Natürlich taten ihnen diese Leute leid, aber was konnten sie tun? Doch der Meister ließ nicht locker: Er wollte, dass seine Jünger alles Menschenmögliche taten, um jenen, die gekommen waren, ihn zu hören, zu essen zu geben.

Trotz ihrer begrenzten Möglichkeiten machten sie sich an die Arbeit und – konnten fünf Brote und zwei Fische auftreiben. Und Jesus wusste ihre Mühe zu schätzen, nahm die Speisen, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten (Mt 14,19). Das Essen reichte für alle und es blieb sogar so viel übrig, dass zwölf Körbe nötig waren, um das Restliche einzusammeln. Benedikt XVI. erläutert dazu: „Das Wunder wird nicht aus dem Nichts hervorgebracht, sondern aus einem ersten bescheidenen gemeinsamen Teilen dessen, was ein einfacher kleiner Junge bei sich hatte. Jesus fordert uns nicht ab, was wir nicht haben, sondern lässt uns sehen, dass sich das Wunder – wenn jeder das Wenige anbietet, das er besitzt – immer neu ereignen kann: Gott vermag unsere kleine Geste der Liebe zu vermehren und uns an seiner Gabe Anteil haben zu lassen.“1


VERMUTLICH ging die Vermehrung der Brote und Fische allmählich vor sich. Die Apostel fingen an, die Nahrungsmittel zu verteilen, und wurden sich nach und nach des Wunders bewusst: Auch wenn das, was sie ursprünglich aufgetrieben hatten, spärlich war, schien jedes Mal, wenn sie zurückkehrten, um Nahrung zu schöpfen, für ein paar weitere Personen wieder genug vorhanden zu sein. Auch das Manna konnte nicht aufgehäuft werden (vgl. Ex 16,17-20): Gott wollte, dass diejenigen, die diese Nahrung erhielten, nicht das Bewusstsein verloren, dass es sich um ein göttliches Geschenk handelte; Gott wollte, dass sie auf ihn vertrauten und nicht allein menschliche Sicherheiten suchten. Dies könnte der Grund dafür gewesen sein, dass der Herr die Apostel eine ähnliche Erfahrung machen ließ. Franziskus sagte über das Wunder: „Jesus offenbart seine Macht, aber nicht auf spektakuläre Weise, sondern als Zeichen der Nächstenliebe, der Großzügigkeit Gottes des Vaters gegenüber seinen müden und bedürftigen Kindern.“2

Monate später würde der Herr die Apostel auffordern, das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden. Wieder dürften sie sich klein und schwach gefühlt haben: Wer waren sie für ein so großes Unterfangen? Dann konnten sie sich daran erinnern, was sie am Tag der Brot- und Fischvermehrung erlebt hatten. Der Herr hätte die Menschenmenge auch anders sättigen können, aber er wollte, dass die Apostel ihren Beitrag leisteten, dass sie an seiner Sendung teilhatten. Und obwohl die Mittel durchgehend knapp waren, reichten sie am Ende aus. Deshalb empfahl der heilige Josefmaria gerne, bevor man allzu sehr auf die eigene Stärke schaute: „Jeder einzelne von uns möge darüber nachdenken, was Gott für ihn getan.“3 Entscheidend ist nicht, was wir uns selbst zutrauen, sondern was der Herr durch uns tut. Jesus möchte nicht, dass unsere Begrenzungen den Rhythmus der Evangelisierung bestimmen, sondern die Bedürfnisse der Seelen und die Kraft des Heiligen Geistes, der die Gaben vervielfacht.


DER GLAUBE, den der Herr von uns erwartet, hat nichts mit der Gewissheit zu tun, dass unsere Ressourcen sich von selbst vermehren werden. Vielmehr geht es darum, unsere fünf Brote in den Dienst Gottes zu stellen und so zu handeln, als ob diese Brote ausreichen würden, auch wenn wir unsere Begrenzungen weiterhin spüren. Der Glaube ist kein Gefühl, das Schwierigkeiten ignoriert und naiv darauf vertraut, dass alles gut gehen wird. Er ist vielmehr die Überzeugung, dass Gott immer an unserer Seite ist, wie immer die Dinge laufen, und sich ihrer bedienen wird, wenn wir den Heiligen Geist wirken lassen, zu meinem Wohl, zum Wohl meiner Mitmenschen und der ganzen Kirche.

Der Herr hat der Kirche und jedem Christen eine große Aufgabe übergeben. Kein Wunder, dass wir uns manchmal überfordert fühlen können. Die Szene der Brotvermehrung wird uns daran erinnern, dass Gott von uns erwartet, dass wir uns wie die Jünger mit allen unseren Kräften an der apostolischen Sendung beteiligen. Und er erwartet auch, dass wir mit dem anfangen, was uns möglich ist, ohne uns von der Sorge leiten zu lassen, ob wir die Erwartungen erfüllen können oder nicht. Die Knappheit unserer Brote und Fische sollte uns nicht daran hindern, das zu tun, was wir gerade in Händen haben; Gott wird für das Weitere sorgen. Selbst wenn wir uns nicht sicher fühlen, leben wir doch aus dem Glauben.

Der heilige Josefmaria schrieb: „Christlicher Optimismus – das ist weder der Blick durch die rosarote Brille noch das rein menschliche Vertrauen darauf, dass schon alles gut gehen wird. Christlicher Optimismus wurzelt im Bewusstsein unserer Freiheit und in dem Vertrauen auf die Macht der Gnade. Er verlangt von uns, dass wir in jedem Augenblick bereit sind, dem Ruf Gottes zu folgen.“4 Maria verstand es meisterhaft, alle Ereignisse in ihrem Leben im Glauben anzunehmen, selbst jene, die beunruhigend schienen. Die Mutter Gottes zu sein, überstieg ihre eigenen Fähigkeiten, aber sie vertraute auf den Herrn. Und dieses Vertrauen befähigte sie, die Mutter aller Menschen zu werden.


1 Benedikt XVI., Angelusgebet, 29.7.2012.

2 Franziskus, Angelusgebet, 2.8.2020.

3 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 312.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 659.