Betrachtungstext: 14. Woche im Jahreskreis – Freitag

Gott handelt einfach – Die Zuflucht des göttlichen Blicks – Hier und jetzt lieben

JESUS KANNTE seine Apostel bis in ihre tiefsten Tiefen hinein. Er hatte Stunden damit verbracht, mit ihnen zu reden, mit ihnen zu wandern, mit ihnen zu beten. Er wusste, welche Hoffnungen und Ängste ihre Herzen erfüllten. Und auch wenn manche von ihnen versuchten, ihm etwas vorzumachen, was ihrer Persönlichkeit nicht entsprach, kannte Jesus die Stärken und Schwächen eines jeden genau. Vielleicht ermutigte er sie deshalb – als er sie aussandte, um zu predigen –, ihren Auftrag zu erfüllen, ohne sich komplizierte Strategien auszudenken oder den Wunsch zu haben, im Mittelpunkt zu stehen. Um Jesus in die Herzen der Menschen zu bringen, sollten sie arglos sein wie die Tauben (Mt 10,16).

Es gibt jedoch Zeiten, in denen unsere Beziehung zu Gott komplizierter geworden zu sein scheint. Wir haben den Eindruck, dass wir nicht genau wissen, was er von uns erwartet, oder wir fühlen uns ein wenig verloren, wenn wir ihm sprechen wollen. Und auch wenn wir versuchen, die Ereignisse des Tages zu reflektieren oder die Gefühle in unseren Herzen zu deuten, scheint es uns nicht zu gelingen, mit dem Herrn auf eine Wellenlänge zu kommen. In solchen Momenten wünschen wir, dass unser Gebet einfacher und unsere Gedanken zielführender wären. Wir sehnen uns nach einer Schlichtheit, die unseren Verstand erleuchtet und unsere Seele entlastet.

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Komplikation nicht von Gott kommt. Seit er Adam und Eva verführt hat, versucht der Teufel immer wieder, uns ein verzerrtes Bild von der Wirklichkeit zu vermitteln: Er spielt mit unseren Ängsten, um uns Sorgen über die Zukunft einzujagen, oder verleitet uns dazu, in den Worten und Handlungen anderer weit hergeholte Absichten zu vermuten. Das ist seine Falle, und sie erschwert es uns, das Gute zu erkennen. Doch Jesus hat uns gezeigt, dass das christliche Leben viel einfacher ist, als wir manchmal denken. Wir neigen dazu zu glauben, dass wir komplizierte Überlegungen anstellen müssen, um seinen Willen zu entdecken, während er sich in Wirklichkeit in den gewöhnlichen Dingen des Lebens zeigt. Papst Franziskus sagte: „Gott handelt immer mit Einfachheit: mit der Einfachheit des Hauses von Nazaret, mit der Einfachheit der alltäglichen Arbeit, mit der Einfachheit des Gebets.“1


WENN WIR uns durch das Gebet in den Blick Gottes stellen, wird uns dies helfen, die Welt und uns selbst mit immer einfacheren Augen zu sehen. Zu wissen, dass wir von ihm angeschaut werden, gibt uns Sicherheit: Wir begreifen, dass Gott uns liebt, so wie wir sind, in dem Guten, zu dem wir hier und jetzt fähig sind, und dass alles andere von relativer Bedeutung ist. Außerhalb dieses Blicks hingegen verspüren wir das Bedürfnis, unsere Zerbrechlichkeit zu verbergen oder etwas darzustellen, was wir nicht sind. Diejenigen, die sich in diesen Blick der Liebe flüchten und ihr Fundament in Gott finden, genießen die Seelenruhe der einfachen Menschen. Sie sind unabhängig von den vielen Umständen, die sich ihrem Einfluss entziehen oder die sie ohnehin nicht ändern können. Daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, sagt der heilige Johannes, und wir werden vor ihm unser Herz überzeugen (1 Joh 3,19).

Der heilige Josefmaria fasste die Gründe für das Gebet eines Christen in den Worten „ihn erkennen und dich erkennen“2 zusammen. Tatsächlich sind die Zeiten des Gesprächs mit Gott der richtige Moment, um eine entspannte Perspektive auf unsere Probleme und auf uns selbst zu gewinnen. Durch die göttliche Gnade können sich die Verwirrungen unserer Gedanken auflösen. Auf diesem Weg wird uns auch die Orientierung helfen, die wir in der geistlichen Begleitung oder in den Bildungsmitteln erhalten. Auf jemanden vertrauen, der uns kennt, kann uns helfen, die Realität zu entkomplizieren und der inneren Stimme, die oft versucht, unsere Gedanken zu verdrehen, keine Bedeutung beizumessen.

Der heilige Josefmaria betonte, dass sich die christliche Bildung, die das Opus Dei erteilt, gerade durch ihre Einfachheit auszeichnet: „Unsere Askese hat die Schlichtheit des Evangeliums. Wir würden sie verkomplizieren, wenn wir kompliziert wären, wenn unser Herz im Dunkeln bliebe.“3 Im Allgemeinen führt uns alle Hilfe, die wir von außen erhalten, dazu, uns selbst so anzunehmen, wie Gott uns geschaffen hat. Auf diese Weise können wir konkret erkennen, was wir heute und jetzt an Gutem tun können, ohne zu denken, dass wir eine andere Realität benötigen, um die Heiligkeit zu erlangen.


ES GIBT verschiedene Gründe, weshalb es schwierig sein kann, einfach zu sein und sich in die Hände Gottes zu begeben. Meist stehen die Schwierigkeiten in Zusammenhang mit unseren Schwächen. Zum einen gibt es den Perfektionismus, der zu Frustration führt, da wir die angestrebten Ziele nicht erreichen, und zu Lähmung, da wir Angst haben, Fehler zu machen. Dann haben wir den Sentimentalismus, in Folge dessen wir uns vor allem von der ersten und oberflächlichen Reaktion leiten lassen, die irgendetwas in uns auslöst. Dann gibt es noch den Voluntarismus, der wenig reflektiert und seine Befriedigung in der bloßen Erfüllung von Aufgaben findet ... Außerdem wird das Leben durch das zunehmende Arbeitstempo nicht immer leichter: Da wir jeden Tag mehr leisten können, müssen wir immer mehr Entscheidungen treffen, ohne dass die Prioritäten immer ganz klar wären. Dazu führt der soziale Wettbewerb manchmal zu einem Ehrgeiz, der unsere Seele belastet ... Wir würden gerne ein einfaches Leben führen, aber die Realität scheint zu komplex zu sein, um es uns zu erlauben.

Angesichts dieses Panoramas lädt uns der heilige Josefmaria ein, uns mit dem gegenwärtigen Moment zu beschäftigten, der die geeignete Zeit für unsere Heiligkeit ist. Denn die Gegenwart ist die einzige Zeit, in der wir die Gnade Gottes empfangen können: „Verhalte dich ,jetzt‘ richtig, und denke nicht an ,gestern‘, das schon vorüber ist, noch sorge dich um ,morgen‘, von dem du nicht weißt, ob es für dich noch kommt.“4 Die Vergangenheit oder die Zukunft können in der Tat zu einer Last werden, die uns daran hindert, den Willen des Herrn klar zu erkennen. Er selbst sagt es uns: Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage (Mt 6,34).

Indem wir uns auf eine einzige Aufgabe konzentrieren, ohne uns zu sehr darum zu kümmern, was andere denken oder welche Auswirkungen es auf unser Leben haben wird, können wir unseren Willen besser fokussieren und unsere Talente effektiver einsetzen. Natürlich ist es wichtig, vergangene Ereignisse zu bewerten und Zukunftspläne zu schmieden. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, uns gemeinsam mit Gott darauf zu konzentrieren, im Hier und Jetzt zu lieben. Denn Liebe kann nur in diesem Augenblick gegeben und empfangen werden. Die Jungfrau Maria dient uns als Vorbild, da sie sich in aller Einfachheit den Plänen Gottes überließ. Sie wird uns helfen, jeden Augenblick als den gerufenen Moment zu leben, um Gott und die anderen zu lieben.


1 Franziskus, Predigt, 16.3.2020.

2 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 91.

3 Vgl. Hefte 3: Leben in Christus, S. 148 (AGP, P07).

4 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 253.