EINE DER PRÄGENDEN Erfahrungen der Apostel war die großzügige Hingabe Jesu an jeden Menschen, ohne im Gegenzug etwas zu erwarten. In diesem Geist sollten sie ihm nachfolgen: Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben (Mt 10,8). Die Apostel schätzten sich glücklich, Zeit mit Jesus verbracht zu haben und seinem Ruf gefolgt zu sein, das Evangelium in die Welt hinauszutragen. Sie wussten, dass dies ein freies Geschenk Gottes war und nicht etwas, das sie sich verdient hatten.
Auch die ersten Christen lebten nach diesem Prinzip. Sie waren ein Herz und eine Seele (Apg 4,32) und deshalb füreinander da. Sie zögerten nicht, ihre Besitztümer zu teilen, um für die Bedürfnisse der Kirche und der Armen zu sorgen, und dort zu helfen, wo Unterstützung nötig war, denn sie alle waren Apostel. Sie gewährten Gastfreundschaft, leisteten materielle Hilfe oder stellten sich selbst in den Dienst der Evangelisierung, wie die Reisegefährten des Paulus.
Dieses Bild zeigt sich auch in der heutigen Kirche. Laien, Priester und Ordensleute erinnern durch ihr Zeugnis oder auch die Sakramente daran, dass Gott unter den Menschen gegenwärtig ist. Kranke und alte Menschen vereinen ihre Beschwerden und Einschränkungen im Namen aller mit dem Leiden des Herrn. Männer und Frauen tragen mit ihrer Großzügigkeit zur Versorgung der Bedürftigsten bei. Väter und Mütter machen ihr Zuhause zu einer Schule der Liebe, ähnlich der heiligen Familie, zum Wohl der gesamten Gesellschaft. Jeder Einzelne lebt die Sendung, zu der Gott ihn berufen hat, von seinem Platz aus und gibt das unverdiente Geschenk unentgeltlich weiter.
DIE LOGIK der Unentgeltlichkeit, die Christus vorlebte, spiegelt sich in jeder Freundschaft wieder. Wer Buch darüber führt, was er für andere getan hat, um eine Gegenleistung zu erhalten, kann kaum als wahrer Freund gelten. Eine gute Freundschaft aufzubauen, erfordert vielmehr, wie Papst Franziskus sagte, „viel Zeit zum Reden, Beisammensein und Kennenlernen“1, ohne sich zu viele Gedanken darüber zu machen, was man gibt oder bekommt. Wahre Freundschaft ist das genaue Gegenteil von Egoismus; sie hat immer das Wohl des anderen im Blick und achtet auf seine Bedürfnisse. „Ein fester Vorsatz für die Freundschaft“, notierte der heilige Josefmaria, „Ich will mich in meinem Denken, in meinen Worten und in meinen Handlungen gegenüber meinem Nächsten – wer immer es sei – nicht mehr wie bisher verhalten: Ich will nie mehr verpassen, die Liebe zu leben, und der Gleichgültigkeit in meinem Herzen keinen Raum mehr geben.“2
Es liegt in der Natur der Freundschaft, dem anderen das Beste von dem zu geben, was wir haben; ein wahrer Freund freut sich von Herzen über diese Geste. Wer eine authentische Begegnung mit Christus hatte, weiß, dass das Wertvollste, was er besitzt, darin besteht, Jesus kennengelernt zu haben. Deshalb ist das Apostolat keine gezwungene Handlung, sondern der spontane Ausdruck der Zuneigung, die wir für den anderen empfinden, wobei wir stets dessen konkrete Situation im Blick haben werden. Wie der Prälat des Werkes treffend schrieb, ist die Freundschaft selbst Apostolat, denn sie ist „ein Dialog, in dem wir Licht geben und Licht empfangen; in dem Projekte entstehen, da wir uns gegenseitig Horizonte eröffnen; in dem wir uns gemeinsam über Gutes freuen und einander bei Schwierigkeiten unterstützen; in dem wir schöne Momente miteinander verbringen, denn letztendlich möchte Gott, dass wir glücklich sind.“3 Wie pflege ich meine Freundschaften? Sind sie Räume, in denen ich die Liebe Christi weitergebe und empfange? Ist meine Erfahrung mit Gott das Wertvollste, was ich mit den Menschen teile, die mir am meisten bedeuten?
DIE APOSTEL beschränkten sich nicht darauf, das Evangelium in ihrer unmittelbaren Umgebung zu verkünden. Denn sie hatten von Jesus den Befehl erhalten, es in der ganzen Welt zu verbreiten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie dieses Bedürfnis bereits davor verspürt hatten. Eine Botschaft von solch einschneidender Bedeutung für das eigene Leben und ein Ereignis, das den Sinn des Lebens verändert, konnte nicht auf Israel und die nächstgelegenen Gebiete begrenzt bleiben.
Auf seinen Reisen erlebte der heilige Paulus, wie sein Herz entbrannte, wenn er den Durst nach Gott um sich herum spürte. Während er, wie Lukas erzählt, in Athen auf seine Gefährten wartete, wurde sein Geist von heftigem Zorn erfasst; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern (Apg 17,16). Zunächst begab er sich wie gewöhnlich in die Synagoge, aber das reichte ihm nicht. Bei nächster Gelegenheit ging er auch auf den Markt und redete mit Einzelnen, bis die Athener ihn baten, auf dem Areopag zu ihnen allen zu sprechen und ihnen die neue Lehre (Apg 17,19) darzulegen, die er verkündete.
Auch in unserer Umgebung begegnen wir zahlreichen Menschen, die nach einem unbekannten Gott dürsten. Wir alle sind mehr oder weniger bewusst auf der Suche nach Gott, wir alle tragen die Sehnsucht nach unserem himmlischen Vater in uns. Durch ein Leben, das von der Freude des Evangeliums erfüllt ist, können wir Christus mittels der Erfüllung unserer Aufgaben zu erkennen geben.4 In diesem Sinne bezeichnete der heilige Josefmaria das Apostolat seiner Töchter und Söhne als „intravenöse Injektion in den Blutkreislauf der Gesellschaft“ 5: Ob in Fabriken, Laboren, Werkstätten, in unseren eigenen Häusern, in kleinen und großen Städten – an all diesen Orten können wir das Antlitz unseres Herrn durch aufrichtige Freundschaft aufzeigen. Maria wird uns helfen, denselben Wunsch wie die Apostel zu haben, nämlich das Evangelium weiterzugeben, beginnend in unserer eigenen Umgebung.
1 Franziskus, Radiointerview, 15.9.2015.
2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 748.
3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 14.
4 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, Nr. 31.
5 Hl. Josefmaria, Instruktion, 19.3.1934, Nr. 42.