Betrachtungstext: 13. Woche im Jahreskreis – Montag

Treue bei der Suche nach Jesus – Das unabsehbare Leben des Jüngers – Vollständige und freie Liebe

JESUS hatte gerade mehrere Krankenheilungen vollbracht und Dämonenausgetrieben, womit sich Jesajas Prophezeiung erfüllte: Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen(Jes 53,4). Die Menge war begeistert, solche Wunder erleben zu dürfen, doch der Herr entschied, dass seine Arbeit in dieser Gegend vorerst beendet war. Und er beschloss, mit dem Boot ans andere Ufer zu fahren. Doch bevor er ablegen konnte, trat ein Schriftgelehrter an ihn heran und sagte: Meister,ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst (Mt 8,19).

Der Schriftgelehrte hatte eine endgültige Entscheidung getroffen: Er war bereit, alles zu verlassen, um sich Jesus anzuschließen. In der kurzen Zeit, die er mit ihm verbracht hatte, hatte er ein neues Glücksgefühl entdeckt. Dabei war diese Erfahrung nur ein erster Funke. Denn Christus kennenzulernen, ist, so sagte Papst Franziskus, „ein Abenteuer, das ein ganzes Leben andauert. Die Liebe Jesu kennt nämlich keine Grenzen.“1 Der Schriftgelehrte spürte, dass es nicht genug war, einige Stunden mit Jesus zu verbringen. Er wollte, dass sich sein ganzes Leben um Jesus drehte.

Das Leben jedes Christen ist ein ständiges Ausschauhalten nach Jesus. Ja es ist sogar so, dass das Leben jedes Menschen die andauernde Suche nach einem Glück ist, das nur Gott selbst bereiten kann. Manches Mal erleben wir seine Nähe intensiv, in anderen Momenten haben wir den Eindruck, dass er uns nicht hört. Doch das ist die Treue, die er fordert: das unbeirrte Suchen nach ihm, das stete Verlangen nach ihm. Der heilige Josefmaria schreibt: „Dieser Kampf eines Kindes Gottes ist nicht von traurigem Verzicht, trüber Resignation oder Freudlosigkeit geprägt: Es ist vielmehr der Kampf eines Liebenden, der bei der Arbeit und Erholung, in der Freude und im Leid in Gedanken stets bei seiner Liebe verweilt.“2


DIE REAKTION des Herrn auf die Ansage des Schriftgelehrten ist geheimnisvoll: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann (Mt 8,20). Scheinbar haben diese Worte wenig mit dem zu tun, was Jesus gerade vernommen hat. Die Worte geben aber den Lebensstil Jesu und all derer wieder, die ihm – so wie der Schriftgelehrte – folgen wollen. Papst Franziskus schildert diesen so: „Zu Gott aufsteigen und zu den Brüdern und Schwestern hinabsteigen, dies ist der Weg, den Jesus uns weist. Er bringt uns davon ab, ungestört in den Komfortzonen des Lebens zu grasen und müßig zwischen den kleinen alltäglichen Befriedigungen dahinzuleben. (...) Die Jünger Jesu sind nicht für die vorhersehbare Ruhe eines normalen Lebens geschaffen.“3

Der Schriftgelehrte war bereit, seinen ruhigen und vorgezeichneten Lebensentwurf aufzugeben, um Jesus nachzufolgen. Die Apostel hatten dies schon getan: Sie hatten ihre Sicherheiten aufgegeben, um sich, im Vertrauen auf die Nähe des Herrn, auf ein unabsehbares Abenteuer einzulassen. „In den Händen Christi“, sagte der heilige Josefmaria, „müssen wir uns von seinem erlösenden Blut durchtränken lassen und bereit sein, in weitem Bogen ausgestreut zu werden, unser Leben so anzunehmen, wie Gott es haben will.“4

Glück ist nicht etwas, das wir allein mit unserer persönlichen Anstrengung, Mühe und Planung erreichen könnten. Das Glück, das Gott uns schenkt, liegt großteils in den Beziehungen zu den Menschen, die uns nahe stehen: Das ist das Leben, „wie Gott es haben will“. Eine geliebte Person, der Freund oder der Bruder, können uns geben, was wir alleine nicht zustande bringen: uns bei unserer Suche geliebt, angenommen und verstanden zu fühlen. In diesem „unberechenbaren“ Abenteuer der Nachfolge Jesu Christi rechnen wir mit den Menschen, die uns Gott zur Seite gestellt hat. Diese, und vor allem Christus selbst, sind der beste Ort, wo wir stets unser Haupt hinlegen können.


GLEICH NACH DEM Schriftgelehrten nähert sich ein Jünger dem Herrn und bittet ihn: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben (Mt 8,21). Jesus antwortet darauf: Folge mir nach: Lass die Toten ihre Toten begraben! (Mt 8,22). Der heilige Johannes Chrysostomos kommentiert dazu: „Jesus gebot nicht, die unseren Eltern gebührende Ehre auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern wies darauf hin, dass nichts uns dringlicher sein sollte als die Dinge des Himmels.“5

Der heilige Josefmaria weist uns darauf hin, dass „der Herr, der Meister der Liebe, ein eifersüchtiger Liebhaber“ ist: Er bittet um alles, was uns gegeben wurde, und um alles, wonach wir streben.6 Wahre Liebe verlangt, dass wir alles geben und alles empfangen. Genau das hat Gott mit jedem von uns getan, als er Mensch wurde, für uns gestorben, auferstanden und in der Eucharistie geblieben ist. Wenn wir dieser göttlichen Logik der Liebe zu Gott und zu den Nächsten folgen, erfahren wir ein Glück, das die Welt nicht geben kann. Papst Benedikt sagte, wir könnten uns dessen sicher sein, „dass er all jene mit Freude erfüllt, die ihm das Leben weihen und auf seine Einladung antworten, alles zu verlassen, um bei ihm zu sein und sich mit ungeteiltem Herzen dem Dienst an den anderen zu widmen.“ Und er fügte hinzu: „Eine große Freude behält er ebenso dem Mann und der Frau vor, die sich einander in der Ehe völlig hinschenken, um eine Familie zu gründen und Zeichen der Liebe Christi zu seiner Kirche zu werden.7

Wir wissen nicht, wie dieser Jünger auf die Worte des Herrn reagierte, ob er wegging oder sich dafür entschied, Jesus weiterhin nachzufolgen. Was wir jedoch wissen ist, dass Jesus will, dass wir ihn bedingungslos lieben, und dies in voller Freiheit. Weder den Schriftgelehrten noch den Jünger nötigt er zu einer Entscheidung: Er lässt sie selbst die Wahl treffen. Christus „drängt sich nicht als Herrscher auf“, sagte der heilige Josefmaria, „und bittet um etwas Liebe8. Bitten wir Maria, dass wir ihrem Sohn mit der Freiheit und Liebe zu folgen wissen, die ihr eigenes Leben geprägt haben.


1 Franziskus, Tagesmeditation, 25.10.2018.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 219.

3 Franziskus, Predigt, 18.11.2018.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 157.

5 Hl. Johannes Chrysostomus, In Matthaeum, 27, 6.

6 Vgl. hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 45.

7 Benedikt XVI, Botschaft, 15.3.2012.

8 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 179.