Betrachtungstext: 1. Fastensonntag (C)

Jesus begleitet uns in den Schwächen – Die Versuchungen möchten unsere göttliche Abstammung schwächen – Der Teufel will, dass wir Gott misstrauen

JEDES JAHR lädt uns die Kirche am ersten Sonntag der Fastenzeit ein, über die Versuchungen nachzudenken, die Jesus erlitten hat. Als wir diese Geschichte zum ersten Mal hörten, waren wir vielleicht überrascht, dass der Mensch gewordene Gott selbst auf diese Weise geprüft werden würde. Jesus nimmt sie unter anderem deshalb an, damit wir auch dann, wenn wir in Versuchung geraten, seiner Begleitung und seines Verständnisses sicher sein können. Dies geschah zum Beispiel mit der Heiligen Katharina von Siena. Nach einer Nacht, in der sie viel gelitten hatte, fragte sie: Mein Herr, wo warst du, als mein Herz von so vielen Versuchungen geplagt wurde? Und sie hörte: "Ich selbst war dort in deinem Herzen”1.

Jesus kämpft in uns, mit uns und für uns. In der Bedrängnis bin ich bei ihm, ich reiße ihn heraus und bring ihn zu Ehren (Ps 91,15) sagt Gott mit Worten des Psalmisten. Christus wurde vom Teufel versucht, und in Christus wurdet ihr versucht, schreibt der heilige Augustinus, denn Christus nahm euer Fleisch und gab euch sein Heil, er nahm eure Sterblichkeit und gab euch sein Leben, er nahm von euch die Verletzungen und gab euch die Ehren und er trat in deine Versuchungen ein, um dir den Sieg zu verleihen2.

Wenn wir an unsere Schwäche denken, könnten wir manchmal traurig werden. Aber Christus, der vollkommener Gott und vollkommener Mensch war, wollte auch die Versuchung erleiden; er wollte diese Schwelle überschreiten, um uns zu begleiten. Vergiss nicht, dass der Herr unser Vorbild ist und dass Er deshalb zugelassen hat, dass man Ihn, obwohl Er Gott war, versuchte, damit wir Mut fassen und – mit Ihm – des Sieges gewiss sind. Wenn du in solchen Augenblicken spürst, wie deine Seele bebt, dann sprich zu deinem Gott: Hab Erbarmen mit mir, Herr, denn meine Gebeine zittern und meine Seele ist ganz verwirrt (Ps 6,3-4). Er selbst wird dir antworten: Sei ohne Furcht, denn ich habe dich erlöst und dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein (Jes 43,1)3.

WENN DU GOTTES SOHN BIST (Lk 4,3): So verführt der Teufel Jesus zweimal. Mit denselben Worten wurde er von denen beschimpft, die ihn ans Kreuz führten. Diese Versuchungen haben mit der göttlichen Abstammung zu tun, sie wollen sie erschüttern, sie in Frage stellen. Der Teufel greift dort an, wo er am meisten Schaden anrichten kann, er stellt den Kern von uns, von dem alles bestimmt wird, in Frage. Natürlich laden uns manche Versuchungen vordergründig nur zur Faulheit, nur zum Zorn, nur zur Bequemlichkeit ein... Aber hinter diesen Verstrickungen wird unser Zustand als Kinder Gottes in Frage gestellt. Sklaverei oder Gotteskindschaft - das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit, des angsterfüllten Egoismus, in dem sich offenbar so viele Seelen verfangen haben4.

Entweder die Hölle oder die Flucht, es gibt keinen Mittelweg5, sagte der heilige Pfarrer von Ars auch. Das Heilmittel besteht also darin, dass wir uns immer wieder in unseren kindlichen Zustand zurückversetzen. Unser Trost ist das Vertrauen auf das, was Gott tun kann, der als guter Vater das Beste für uns will. In den Augen eines Kindes sind Schwierigkeiten nur Momente, in denen einem klar wird, wer sein Vater ist. Natürlich können es weniger angenehme Momente sein, aber das Kind weiß, dass sie vorübergehend sind, es ist sicher, dass der Frieden kommen wird. Versuchungen können uns in der Tat helfen, uns daran zu erinnern, dass wir Gott brauchen, dass wir nicht auf uns selbst gestellt sind und dass wir den Herrn um Befreiung vom Bösen anrufen müssen. So helfen derjenigen Person, die sich an Gott wendet, die Versuchungen und Hindernisse, die ihr der Teufel in den Weg legt, um so mehr; denn es ist Seine Majestät, die für sie kämpft6.

WIE EIN fähiger General, der eine Festung belagert, studiert der Teufel die Schwachstellen des Menschen, den er zu besiegen versucht7. Doch im Vertrauen darauf, dass Gott stärker ist, können wir in dieser Fastenzeit auf seine Liebesbeweise für uns blicken, die er uns in der Person seines Sohnes hinterlassen hat. Wir möchten auch die kleinste Geste von Christus wahrnehmen, der auf dem Weg nach Jerusalem unterwegs ist, um sein Leben für die Menschheit hinzugeben. Der Versucher seinerseits unternimmt alles, uns zu belügen und uns an dessen Güte zweifeln zu lassen. So war es auch bei unseren ersten Eltern und so war es auch bei dem neuen Adam. "Misstraue Gott", flüstert er uns zu, "wenn er wirklich dein Vater wäre, würdest du nicht hungern, du wärst nicht in Schwierigkeiten, du wärst nicht am Kreuz".

Der Teufel versuchte den Herrn mit den Worten: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden (Lk 4,3). Und gerade Jesus ist Brot geworden, damit es uns nie an der lebensspendenden Nahrung fehlt. Der Teufel versuchte den Herrn mit den Worten: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab (Lk 4,10). Und Gott wollte den Tod seines Sohnes nicht vermeiden, um uns zu retten. In der Tat versucht der Teufel bei jeder Versuchung, uns mit dem größten Schwindel der Geschichte zu überreden: Er will uns davon überzeugen, dass Gott uns nicht liebt, dass er uns betrügt.

Wir können Maria mit den Worten des heiligen Josefmaria um den Mut bitten, zu wissen, dass wir inmitten unserer Schwäche Kinder sind, weil wir die Liebe Gottes genießen wollen. Mutter! ‒ Rufe es laut, laut. ‒ Sie hört dich, sieht dich vielleicht bedroht, und sie ‒ deine heilige Mutter bietet dir mit der Gnade ihres Sohnes ihre mütterliche Hilfe, ihre liebende Zärtlichkeit an: dann bist du gestärkt zu neuem Kampfe8.


1 Hl. Katharina von Siena, Der Dialog, Teil II, Kap., III.

2 Hl. Augustinus, Kommentar zum Psalm 60.

3 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 20.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 38.

5 Hl. Pfarrer von Ars, Über die Beharrlichkeit.

6 Hl. Teresa, Das Buch der Klosterstiftungen, 11, 7.

7 Hl. Thomas von Aquin, Über das Vater unser.

8 Hl. Josefmaria, Weg, Nr. 516.