Von Ruanda in die spanische Enklave Melilla

Clément Usabasen aus Ruanda hat in Spanien Gutes erlebt: die Rolle des schwarzen Königs Balthasar gespielt, das Opus Dei kennen gelernt, eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und Arbeit gefunden.

Clément

Ich bin vor vierunddreißig Jahren in Ruamagana geboren. Die Stadt liegt etwa 50 km von der Hauptstadt Kigali entfernt und hat 20.000 Einwohner. In so einem Städtchen stellt man sich auch die übrige Welt klein vor, und Nebensachen wie Fußball bedeuten einem fast alles. Jedenfalls war der Ball für mich und viele Jungs in meinem Viertel das Wichtigste von der Welt und füllte unsere Kindheit aus.

Auch in den Zukunftsträumen meiner Jugend spielte der Fußball noch die Hauptrolle. Ich träumte davon, einmal Tore zu schießen wie George Weah. Denn dieser Spieler aus Liberia war unser Idol. Auch in Europa wurde er als Spieler des AS Monaco, des AC Mailand und anderer erstklassiger Mannschaften berühmt – und sogar zum europäischen Fußballer des Jahres 1995 gewählt. Klar, dass ich ein Fan von seinem Club AS Monaco war. Trotzdem wollte ich noch höher hinaus als er und sah mich schon als Stammspieler bei Real Madrid. 

Die Realität

Wenn man heute Ruanda hört, denkt man leider nicht mehr an das so genannte „Land der tausend Hügel“. Vielmehr hat sich der Völkermord von 1994 ins kollektive Gedächtnis der Welt eingebrannt. Der Tod von mehreren Hunderttausend Menschen war der grausame Höhepunkt der Stammesfehden zwischen den Hutu und den Tutsi.

Kigali, die Hauptstadt Ruandas

Mein Vater, Evariste, war ein Hutu, meine Mutter Marie-Claire eine Tutsi. Doch in unserer Familie hatte immer ein wunderbarer Friede geherrscht. Spannungen wegen der Stammeszugehörigkeit waren bei uns unbekannt. Meine Mutter war fünf Jahre vor Beginn der tragischen Ereignisse an einer akuten Bronchitis gestorben. Auch den Tod meines Vaters im Jahre 1991 werde ich nie vergessen. Ich war siebzehn und ging in eine katholische Schule. An einem herrlichen Tag um die Mittagszeit holte mich ein Lehrer aus dem Unterricht und sagte leise: „Dein Vater ist tot.“ Es war sehr hart. Jetzt waren wir vier Geschwister verwaist. Aber unsere Tante Rosa nahm uns bei sich auf. 

Die Kraft des Namens

Früher schon hatte ich gehört, was mein Name bedeutet: Clément, Clemens – der Sanftmütige, der Gütige. Während des Bürgerkrieges wurde der Name zum Programm: Den Wert von Sanftmut und Güte entdecken, zur Versöhnung beitragen … Und beten: für den Frieden, für meine Geschwister, für Tante Rosa, für meine Freunde und auch für all jene, die als Opfer wie als Täter in den Genozid verwickelt waren.

Nach dem Bürgerkrieg geriet Ruanda in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise. Als Zweitältester musste ich unbedingt versuchen, weiterzustudieren. Aber die Universität funktionierte praktisch nicht mehr. Schließlich gelang es mir, nach Marokko zu gehen, wo mein älterer Bruder wohnte. Nun konnte ich in Rabat Wirtschaftswissenschaften studieren. Es war ein Glück, dass die Unterrichtssprache Französisch war, denn ich verstand kein Wort Arabisch. Mit einem Stipendium konnte ich meinen Master in Unternehmungsführung machen.

George Weah, mein großes Vorbild

Im Jahre 2004 ging ich nach Melilla, die spanische Enklave an der afrikanischen Mittelmeerküste, denn mein Stipendium war ausgelaufen und wurde nicht erneuert. Für Melilla hatte ich aber keine Aufenthaltsgenehmigung, fand also keine feste Arbeit und konnte außerdem zunächst kein Spanisch. Wieder nahm ich sozusagen meinen Namen in Anspruch – diesmal, um für mich selbst Clementia, die Güte Gottes zu erbitten.

Ich ging oft zur heiligen Messe. Einmal sprach mich nachher ein junger Mann an: Willst du mitkommen zu einem Zentrum des Opus Dei? Ich ging mit und bin dann oft hingegangen. Durch Alfonso bekam ich Einblick in den Geist des Opus Dei. Er arbeitet in Malaga in der Werbebranche und kommt regelmäßig nach Melilla. Auch mit dem Priester Don Manuel habe ich oft gesprochen und mich gut mit ihm verstanden.  

Ohne Papiere

Das Wichtigste blieb natürlich, bald an richtige Papiere zu kommen und der Ungewissheit ein Ende zu machen. Verschiedene Gelegenheitsarbeiten, halfen mir über diese schwierige Zeit hinweg, etwa in einem Seniorenheim.

Ein andermal hörte ich, dass ein Kindergarten noch einen König Balthasar für einen Auftritt am bevorstehenden Dreikönigsfest suchte. Überall in Spanien ist nämlich nicht Weihnachten, sondern Drei Könige der Tag der Bescherung. Ich bekam die Stelle, denn als schwarzer König bin ich natürlicherweise nicht zu schlagen ... Im Jahr danach machte ich wieder den Balthasar, diesmal in einem Altenheim. Und im folgenden Jahr defilierte ich sogar beim öffentlichen Dreikönigszug von Melilla mit – eine bedeutende Aufwertung meines königlichen Daseins.

Dies und anderes war gut und schön und hat auch Spaß gemacht, aber Papiere hatte ich immer noch nicht. Ich betete weiter um eine Chance, und manche Freunde beteten mit. Auf Einladung eines dieser Freunde konnte ich sogar einmal an Tagen der Besinnung in einem Tagungshaus des Opus Dei in Andalusien teilnehmen. Das war schon deshalb etwas Besonderes, weil meine Duldung eigentlich nur für die afrikanische Enklave Melilla galt. Ich konnte also nicht damit rechnen, dass mich die Polizei auf der europäischen Seite der Meerenge von Bord lassen würde. Aber es hat geklappt. Die Tage der Besinnung haben mich vorangebracht: Die wohltuende Ruhe, das viele Beten, das tiefere Eindringen in den Glauben. Außerdem konnte ich mich näher mit dem Geist des Opus Dei beschäftigen. Seither bin ich Mitarbeiter des Werkes. Aber meine Situation war noch immer nicht geklärt. 

Endlich geklärt – und die nächsten Schritte

Dann war es endlich soweit: Am 10. Juli 2007 bekam ich meine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Jetzt bin ich Verwalter eines Materiallagers in Melilla. Als ich das erste Mal einen richtigen Lohn ausbezahlt bekam, war das eine ganz besonders Freude für mich. Wieder musste ich an die Bedeutung meines Namens denken: Der Herr hatte sich mir als clemens erwiesen. Und der Fürsprache des heiligen Josefmaria empfehle ich jetzt meine weiteren Schritte an. Er möge mir helfen, dass ich eine gute Frau finde und eine Familie gründen kann.