Vom Licht zum Feuer

Zur Einstimmung auf Pfingsten eine Betrachtung von Josef Arquer

Einstimmung auf Pfingsten

"Es werde Licht" (Gen 1,3). Licht steht am Anfang der Schöpfung – der alten wie der mit der Auferstehung Christi angebrochenen neuen Schöpfung. Der Engel am Grab "leuchtete wie ein Blitz" (Mt 28,3) und die zwei Gestalten, die zu den Frauen sprachen, waren in "leuchtende Gewänder" (Lk 24,4) gekleidet.

Das österliche Licht strahlt die vierzig Tage bis Christi Himmelfahrt, dann über Pfingsten hinaus. Viele Christen beginnen an Christi Himmelfahrt – gleichsam in der Tradition der Jünger – die Pfingstnovene zum Heiligen Geist.

Die Jünger gingen nach der Himmelfahrt des Herrn "in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben" (Apg 1,13). Nach einer alten Tradition war es derselbe Raum, in dem Jesus die Eucharistie eingesetzt und Worte des Abschieds gesprochen hatte.

Wie werden die Jünger gebetet haben?

Der Tisch, die Polster, die Fenster – jede Einzelheit des Raumes wird die Jünger an Gesten und Worte des Herrn erinnert haben. Viele Worte blieben zunächst geheimnisvoll, aber im neuen Licht begannen sie durchsichtig zu werden: "Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen ... Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll ... Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe (vgl. Joh 14,16; 18;26). Auch das "neue Gebot" wird jetzt fassbar, wenn sie alle zusammen sind und Maria mitten unter ihnen: "Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13, 34). Mit zwei Worten hatte ihnen Jesus die Quelle gezeigt und einen Maßstab gegeben: "wie ich". Nicht eine unpersönliche Vernunft wie bei den heidnischen Philosophen der Stoa durchdringt die Welt und bestimmt das Schicksal des Menschen, sondern eine persönliche Liebe. Sie stammt von oben und begründet die neue Sehweise des Christen.

Anregungen aus der Liturgie

In dieser Zeit der Einstimmung auf Pfingsten legt uns die Liturgie Worte der Sehnsucht nach Licht und Feuer in den Mund. Im "Veni Sancte Spiritus" heißt es, die "lux beatissima", das beseligende Licht möge "cordis intima", die Herzensmitte der Gläubigen erfüllen. Nun ist das seit Ostern strahlende Licht zugleich "ignis", Feuer, das Sinne und Gemüt in Liebe entflammt: "Accende lumen sensibus".

Der "Sonntag der Barmherzigkeit" am Ende der Osteroktav hat eine neue Nuance des österlichen Lichtes gebracht. Im Jahre 2000 hatte Papst Johannes Paul II dem "Weißen Sonntag" diesen weiteren Namen gegeben. Gottes Erbarmen wird "sichtbar in Christus und durch Christus, durch seine Taten und seine Worte und schließlich durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung". Christus "spricht nicht nur vom Erbarmen und erklärt es mit Hilfe von Gleichnissen und Parabeln, er ist vor allem selbst eine Verkörperung des Erbarmens, stellt es in seiner Person dar. ‚Er selbst ist in gewissem Sinne das Erbarmen.' Für den, der es in ihm sieht – und in ihm findet, wird Gott in besonderer Weise ‚sichtbar' als Vater, ‚der voll Erbarmen ist'."(Enzyklika Dives in misericordia, 2)

Gottes Erbarmen im Guten Hirten sichtbar

Jesus macht Gottes Erbarmen fassbar in Worten und Gesten. Der heilige Josefmaria bezieht diese Sehweise des Herrn auf jeden Christen heute: "Wir müssen die Augen offen halten und umherschauen, um den unaufhörlichen Anruf wahrzunehmen, den Er durch die Menschen, die uns umgeben, an uns richtet. Die Menschen dürfen uns nicht gleichgültig sein; wir dürfen uns nicht einschließen in unserer eigenen kleinen Welt. So hat Jesus nicht gelebt. Immer wieder spricht das Evangelium von seiner Barmherzigkeit, von seiner Fähigkeit, am Leid und an den Bedürfnissen seiner Mitmenschen Anteil zu nehmen: Er hat Mitleid mit der Witwe von Naim (Vgl. Lk 7,11-17), Er weint über den Tod des Lazarus (Vgl. Joh 11,35), Er kümmert sich um die Menge, die Ihm nachfolgt und nichts zu essen hat (Vgl. Mt 15,32), Er erbarmt sich vor allem auch der Sünder, jener, die durch die Welt gehen, ohne das Licht und die Wahrheit zu kennen: ‚Und als Er ans Land stieg, sah Er eine große Volksmenge und fühlte Erbarmen mit ihnen, denn sie waren wie Schafe ohne Hirten. Und Er belehrte sie über vieles' (Mk 6,34)". (Christus begegnen, 146)

Papst Johannes Paul II nimmt die Öffnung der zwei Verblendeten zum Licht zum Anlass, den Christen eine Anregung zu geben, die hilfreich ist in diesen Tagen des Gebetes um Licht und Feuer: "Wenn einmal der Verstand erleuchtet und das Herz erwärmt ist, dann ‚sprechen' die Zeichen". (Apostolisches Schreiben Mane nobiscum Domine, 14)