Ein Heiliger für unsere Zeit

Von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet ist der wichtigste -zumindest der entscheidenste- Tag in unserem Leben paradoxerweise unser Todestag. Er bezeichnet das Ende unseres Lebens in dieser Welt und den Beginn unseres ewigen Lebens

In unserem Leben mögen wir zahlreiche kurzlebige Ziele verfolgen, doch langfristig kann ein Ziel nur im Kontext der Hoffnung stehen, die uns bei unserem Heimgang vor Augen steht. Menschen, die an kein ewiges Leben glauben ändern sich rasch selbst!

Ihre einzige Hoffnung besteht in dem Versuch, so lang als möglich zu leben, dieses Leben und seine flüchtige Freude zu verlängern, doch enden sie wie der Autofahrer, der gern lenkt und eine nimmerendende Reise antritt, bei der er ziellos dahinfährt; und wenn dann das Auto doch anhält – dann war’s das! Ein Mensch, der so denkt, ist einem Golfball ähnlich. Er fliegt im Leben häufig hoch hinaus und endet schließlich doch in einem kleinen Loch in der Erde und damit endet das Spiel! Oder nicht?

Die Liebe zum materiellen Wohlergehen – hier und jetzt – ließ unsere Konsumgesellschaft entstehen. Hier endet die Lust, sobald ihre Ursache aufhört oder wir sie satt haben. Manche Erwachsene benehmen sich wie kleine Kinder, die zu weinen anfangen, sobald ihre Unterhaltung endet. Der Unterschied besteht darin, daß kleine Kinder noch keinen ausgebildeten Verstand bzw. Wille besitzen und daher so wenig Tadel verdienen wie Tiere, die ein vollkommen geordnetes Leben leben, das von einem menschlichen Gesichtspunkt aus beurteilt völlig egoistisch ist.

Es fehlt jegliche langfristige Zielsetzung, weil das Nachdenken fehlt. Sobald sich unser Verstand entwickelt, merken wir, dass wir mit Rücksichtnahme auf unsere Vervollkommnung als reife Menschen die Richtung unseres Lebens kennen müssen und unseren Willen ausbilden müssen um zu SEIN, was wir SEIN wollen, und nicht bloss HABEN müssen, was wir HABEN wollen. Das alte Merkwort “Man kann nichts mitnehmen!” ist wahrer als wir denken, aber nehmen wir uns zum Denken Zeit? Das Einzige, was wir mitnehmen, wenn wir dahingehen, ist, was wir sind, unsere Tugenden und unsere Defekte.

Einer ganz alten christlichen Tradition zufolge wird der Tag, an dem ein Heiliger stirbt, der “dies natalis” (ihr “Geburtstag”) genannt. Der heilige Josefmaria Escriva wurde am 9. Januar 1902 geboren, aber sein “Geburtstag” ist der 26. Juni 1975. Seine Heiligsprechung fand auf dem Petersplatz in Rom statt, am 6. Oktober 2002, und zwar in Anwesenheit von Hunderttausenden aus aller Welt, deren Leben von der Botschaft berührt wurde, die der Heilige seit seiner Gründung des Opus Dei, seit dem 2. Oktober 1928 verbreitete.

In einer Homilie am 8. Oktober 1967 sagte er: “Macht euch in dieser Stunde mit neuer Klarheit bewußt, daß Gott euch aufruft, ihm gerade in den materiellen, weltlichen Aufgaben des menschlichen Lebens und aus ihnen heraus zu dienen. Im Labor, im Operationssaal eines Krankenhauses, in der Kaserne, auf dem Lehrstuhl einer Universität, in der Fabrik, in der Werkstatt, auf dem Acker, im Haushalt, in diesem ganzen, unendlichen Feld der menschlichen Arbeit wartet Gott Tag für Tag auf uns. Seid davon überzeugt: Jede noch so alltägliche Situation birgt etwas Heiliges, etwas Göttliches in sich, und euch ist aufgegeben, das zu entdecken.” Er verbreitete diese Botschaft mit der Dringlichkeit, die eine Welt, die immer materialistischer wurde, nötig hatte, weil Männer und Frauen angefangen hatten, eine Art Doppelleben zu führen. “Auf der einen Seite das Innenleben, der Umgang mit Gott, und auf der anderen Seite, säuberlich getrennt davon, das familiäre, berufliche und soziale Leben, ein Leben voll irdischer Kleinigkeiten”.

Entweder lernen wir, den Herrn in unserem alltäglichen Leben zu entdecken,” sagte er, “oder wir werden ihn niemals finden. Es tut unserer Zeit not, der Materie und den ganz gewöhnlich erscheinenden Situationen ihren edlen, ursprünglichen Sinn zurückzugeben, sie in den Dienst des Reiches Gottes zu stellen und sie dadurch, daß sie zum Mittel und zur Gelegenheit unserer ständigen Begegnung mit Jesus Christus werden, zu vergeistigen.

”In einem seiner Bücher “Der Weg” – ein geistlicher Klassiker – schrieb Escrivá in den Dreißiger Jahren einen Punkt, der in der heutigen Gesellschaft noch relevanter geworden ist: Hetzen, hetzen!... Schaffen, schaffen!... Fieberhafte Tätigkeit... Wunderbauten der Technik... Übernatürlich gesehen: Attrappen, Pappmaché, bunte Kulissen... Hetzen! Schaffen! - Die Leute rennen: kommen und gehen. Weil sie bei ihrer Arbeit nur auf den gegenwärtigen Augenblick sehen: sie leben nur dem Jetzt. - Du aber solltest die Dinge unter dem Gesichtswinkel der Ewigkeit sehen, das Ziel und die Vergangenheit gegenwärtig haben... Ruhe. - Friede. - Intensives Leben in deinem Innern. Ohne Hetzen, ohne die Sucht, den Platz zu wechseln. - Wie vielen könntest du von deinem dir zukommenden Platz aus, als ein mächtiger Generator geistiger Elektrizität, Licht und Energie spenden!..., ohne selber Kraft und Licht einzubüßen.”

Meine Eltern lernten den heiligen Josemaría Escrivá 1962 in London kennen, und das war der Beginn einer langen Freundschaft. Trotz seiner zahlreichen Beschäftigungen und Verantwortungen als Vater von tausenden geistlicher Söhne und Töchter, die über die fünf Kontinente hin verstreut lebten, unterließ er nie, unsere Briefe zu Weihnachten zu beantworten. Er vertraute uns seine Freuden und Sorgen an, die er mit Gebet, Sympathie und Zuneigung tränkte, und mit seiner anziehenden Freude. Meine Eltern erinnerten sich stets an eine Reise nach Italien. In der Nähe eines kleinen Ortes in den Außenrändern Roms trafen sie den Heiligen zufällig.

Mein Vater hielt den Wagen an, um ihn zu grüßen, und er lud sie umgehend zu sich nach Rom ein. So war der heilige Josefmaria! Er tat, was er predigte, und bei ihm zu sein bedeutete, angefüllt werden mit dem brennenden Wunsch, Frieden und Freude über die Welt hin auszustreuen und Seelen für Gott zu gewinnen. “Ich versichere euch”, sagte er am 8. Oktober 1967, “wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes. Das ist der Grund, warum ich immer und immer wieder betone, daß die christliche Berufung darin besteht, aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen. Himmel und Erde scheinen sich am Horizont zu vereinigen; aber nein, in euren Herzen ist es, wo sie eins werden, wenn ihr heiligmäßig euren Alltag lebt...”

Wie Papst Johannes Paul II bei der Heiligsprechungszeremonie sagte: “Das Vorbild und die Weisung des hl. Josemaría sollen uns anspornen, damit auch wir am Ende unserer irdischen Pilgerschaft am seligen Erbe des Himmels teilhaben können!”.

1935 schrieb der heilige Josefmaria ein paar Worte nieder: “Lebe ein Glaubensleben. Liebe selbsthingegebenes Ringen: Kampf, Schwanken! Wir alle können da durchkommen. Am Ende ruht man in Dir! Leben, ein Test, ein Schritt, ein Traum, eine Komödie, ein Weg, ein Kampf, eine Blume, ein Sternenfunkeln, ein Lichtblitz; einhundert Jahre? Nur eine Sekunde! Dann Liebe Ihn, der Leben ist, Ende, Realität, Ruhe nach dem Sieg, Licht der ewigen Sonne… und das: Ewigkeit.” Wie Papst Johannes Paul II bei der Heiligsprechungszeremonie sagte: “Das Vorbild und die Weisung des hl. Josemaría sollen uns anspornen, damit auch wir am Ende unserer irdischen Pilgerschaft am seligen Erbe des Himmels teilhaben können!”.

Hier haben wir einen Menschen, der dieses langfristige Ziel erreichte und der in seinem Leben Männern und Frauen aller Altersgruppen, Rassen, Bekenntnissen und sozialem Hintergrund Mut machte, ihr Leben inmitten der modernen Welt zu heiligen. Er ist wirklich ein Heiliger für alle Zeit!

Imelda Wallace // The Guardian (Nigeria)