Die Lehren, die uns der erste Papst aus Lateinamerika hinterlässt.

Papst Franziskus hat die Kirche mit theologischen wie pastoralen Impulsen bereichert. Der folgende Artikel von Mariano Fazio, argentinischer Theologe und Auxiliarvikar des Opus Dei, erschien am 22. April 25 in der argentinischen Tageszeitung La Nación.

In diesem bewegenden Moment der Geschichte – geprägt von Trauer über den Tod des Papstes und dankbarer Erinnerung an sein Wirken – möchte ich einige Überlegungen zu den Lehren von Papst Franziskus teilen. Sie stellen einen bleibenden Schatz für die Kirche dar, der weiter wachsen und Früchte tragen kann – Früchte, deren Bedeutung mit der Zeit immer deutlicher werden wird.

Barmherzigkeit als Herzstück des Pontifikats

Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“– so der Titel eines seiner Bücher – könnte als die zentrale Botschaft seines Pontifikats gelten. In einer Linie mit dem heiligen Johannes Paul II. hat Franziskus stets verkündet, dass Christus das Antlitz der göttlichen Barmherzigkeit ist und dass das heilbringende Kerygma – die Erstverkündigung des Evangeliums – den Herzschlag des kirchlichen Lebens bildet. Gerade dies feiern wir Christen in der österlichen Zeit: Der menschgewordene Gott hat uns durch seinen Tod am Kreuz erlöst und durch sein grenzenloses Erbarmen die Türen zur Vergebung aufgestoßen.

Im Anschluss an diese Erstverkündigung stellte Franziskus die Seligpreisungen und die Werke der Barmherzigkeit – wie wir sie in Matthäus, Kapitel 25 finden – ins Zentrum des Evangeliums. In ihnen wird die göttliche Barmherzigkeit konkret und erfahrbar und der Bedürftige wird eins mit der Person Jesu Christi: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40). Franziskus wurde deshalb als „Papst der Ränder“ bezeichnet: der sichtbaren wie der geistigen. Er stellte sich an die Seite der Armen, Migranten, Kranken, Ausgegrenzten, der Opfer von Krieg und Drogenhandel, ebenso wie jener, die innerlich leiden, sich einsam fühlen, im Groll gefangen sind oder an Hoffnungslosigkeit verzweifeln.

Fratelli tutti und die Kultur der Begegnung

In der Sozialzyklika Fratelli tutti wandte sich Franziskus an eine zersplitterte und gewaltgeprägte Welt, entfaltete eine aktuelle Deutung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter und rief zu einer „Kultur der Begegnung“ auf. Angesichts engstirniger und gewalttätiger Nationalismen, fremdenfeindlicher Einstellungen, Herabwürdigungen und sogar Misshandlungen von Menschen, die anders sind, betonte er: „Der Glaube muss zusammen mit der ihm innewohnenden Menschlichkeit ein kritisches Gespür gegenüber diesen Tendenzen lebendig halten und dazu beitragen, schnell zu reagieren, wenn sie sich einzunisten beginnen. Daher ist es wichtig, dass die Katechese und die Predigt auf direktere und klarere Weise die soziale Bedeutung der Existenz, die geschwisterliche Dimension der Spiritualität, die Überzeugung der unveräußerlichen Würde jedes Menschen und die Beweggründe, um alle zu lieben und anzunehmen, einbezieht“ (86).

Sein Blick auf die Menschheitsfamilie (alle sind Brüder, „Fratelli tutti“) wird ergänzt durch eine Sicht auf die Welt als ein Zuhause, ein gemeinsames Haus. Aus dieser Perspektive entwickelte Franziskus seine Lehre über die ganzheitliche menschliche Ökologie, die er in Laudato si‘ darlegt. Der Titel der Enzyklika ist dem Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi entnommen, in dem dieser über die Elemente der Natur wie über eine Familie spricht: Bruder Sonne, Schwester Mond, Bruder Feuer und unsere Schwester Mutter Erde.

Heiligkeit im Alltag und Volksfrömmigkeit

In seinem apostolischen Schreiben Gaudete et exultate lädt Papst Franziskus dazu ein, die Heiligkeit „von nebenan“, der Mittelschicht, die Heiligkeit als Perspektive für alle, zu entdecken: „Es gefällt mir, die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln (7).“ Es ist die alltägliche, unscheinbare Heiligkeit, die die Kirche trägt – Heilige, die unter uns leben und ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind.

Diese „Volksheiligkeit“ wird getragen von der Frömmigkeit des gläubigen Volkes Gottes – von Wallfahrten, Andachten und dem Gebet zur Gottesmutter. Franziskus widmete unter anderem der Krippe (Admirabile signum), dem heiligen Josef (Patris corde), dem heiligem Herzen Jesu (Dilexit nos), den Segnungen und der Liturgie wichtige Gedanken. All das ist eingebettet in sein Zeugnis der Liebe zu Maria, dem Dreh- und Angelpunkt seiner Predigt über die Revolution der Zärtlichkeit.

Freundschaft mit Jesus und missionarischer Geist

Wenn sich die kerygmatische Verkündigung an die Jugend richtet, nimmt sie den Ton von Freundschaft und Freude an: Gott ist Liebe, und er will dein Freund sein. Selbst „die treuen Freunde, die uns in den schwierigen Momenten zur Seite stehen, sind ein Widerschein der Liebe des Herrn, seines Trostes und seiner liebevollen Gegenwart. (…) Die Freundschaft mit Jesus ist unverbrüchlich. Er verlässt uns nie, auch wenn er manchmal zu schweigen scheint. Wenn wir ihn brauchen, lässt er sich von uns finden und bleibt an unserer Seite, wo immer wir hingehen (Christus vivit, 151, 154).

In der Darlegung von Papst Franziskus geht mit Freundschaft immer auch die missionarische Verkündigung einher: Weitergeben, was wir empfangen haben. In Evangelii gaudium betont er etwa die Bedeutung des aufmerksamen, mitfühlenden Zuhörens, um das Verlangen nach dem christlichen Ideal zu wecken. Und ganz gleich, wo wir sind und mit wem wir zusammen sind – ob in unserem Viertel, in der Schule, beim Sport, unterwegs mit Freunden, bei der Freiwilligenarbeit oder in der Arbeit –, es ist immer gut und passend, die Freude des Evangeliums zu teilen (Evangelii Gaudium). So kann Jesus allen Menschen näherkommen und ihnen sein Licht (Lumen fidei) und seine Hoffnung schenken, die nicht enttäuscht (Spes non confundit). Noch wenige Tage vor seinem Tod wandte er sich an junge Menschen mit dem Aufruf, „begeistert im Glauben, eifrig in der Liebe und beharrlich in der Hoffnung“ voranzugehen.

Ich selbst sehe eine grundlegende Kontinuität zwischen Benedikt XVI. und Franziskus. Einmal durfte ich dem argentinischen Papst meine Deutung seiner Lehren schildern: Die „Diktatur des Relativismus“, von der Benedikt sprach, ist im Grunde die Kehrseite der „Wegwerfkultur“, die Franziskus anprangerte. Beide beschreiben ein und dasselbe Problem: Wenn die Grundlagen der Menschenwürde erschüttert werden, drohen Ausbeutung und Missbrauch – besonders gegenüber den Schwächsten. Seine Antwort war positiv.

Was beide Päpste zutiefst verbindet, liegt im Wesen der Sendung des Papstes und in der radikalen Neuheit des Christentums begründet: zur Begegnung mit einer Person, mit Jesus von Nazaret, einzuladen. Nicht zu einer erhabenen Lehre, sondern zu einer lebendigen Person: die auf dieser Erde gelebt hat, die lebt, weil sie auferstanden ist, und die uns im Himmel mit offenen Armen erwartet. Diese Person, der Franziskus nun in einer endgültigen Umarmung begegnet ist.

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