Der Priester soll nur von Gott reden

Teil 2 von 3 – Vor 100 Jahren, am 28. März 1925, empfing der hl. Josefmaria Escrivá das Sakrament der Priesterweihe.

Aus Anlass dieses Jubiläums erscheint das Transkript eines Vortrags bei Radio Gloria von Prof. Dr. Dr. Stefan Mückl, in dem er das besondere Verständnis des Priestertums in der Lehre und Verkündigung des hl. Josefmaria Escrivá anhand konkreter Begebenheiten seines bewegten Lebens beleuchtet. Prof. Mückl lehrt Staatskirchenrecht an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom.


Die heilige Messe feiern, als sei sie die erste, die einzige, die letzte

In seinem priesterlichen Wirken stand dem heiligen Josefmaria stets vor Augen, dass er nur Werkzeug für einen unendlich viel Größeren ist. Ihm wollte er den Weg bereiten. Die Selbstaussage des hl. Johannes des Täufers: Er muss wachsen, ich aber geringer werden[1], fasste er für sich in die Worte: „Meine Sache ist es, mich zu verbergen und zu verschwinden, damit allein Jesus aufstrahlt.“[2] Eine kleine Begebenheit aus dem März 1939 illustriert, wie er dies meinte und lebte: Als er nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs nach Madrid zurückkehrte, umdrängten ihn nach den Jahren erbitterter religiöser Verfolgung die Menschen, um ihm – wie damals allgemein üblich – zur Begrüßung die Hand zu küssen. Er bot ihnen stattdessen ein Kruzifix zum Kuss an.[3]

Der Priester, so seine feste Überzeugung wie geübte Praxis, soll „nur von Gott (sprechen)“[4], nicht aber mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit in denjenigen Sachbereichen, in denen es den Gläubigen aufgetragen ist, nach ihrem recht geformten christlichen Gewissen ihre eigene Entscheidung zu treffen. Diese Haltung war in Zeiten, in denen verbreitet Priester und auch Bischöfe meinten, es gebe für bestimmte Fragestellungen nur „die einzigen katholischen Lösungen“ und die dementsprechend in Hirtenbriefen konkrete Wahlempfehlungen aussprachen, eine ganz neue Tonlage, ja revolutionär. „Klerikalismus, offizieller Katholizismus“[5] waren für ihn mit der Freiheit der Kinder Gottes nicht vereinbar. Er lebte als Priester eine Haltung vor, die er „laikale Mentalität“ nannte. Alle Gläubigen sollten sich eine solche zu Eigen machen, ebenso wie eine „priesterliche Seele“[6].

Wohl am deutlichsten tritt die priesterliche Seele eines Priesters in Erscheinung, wenn er die heilige Messe feiert. Bereits 1945 sprach er in einem Brief an die (damals noch wenigen) Mitglieder des Opus Dei vom „heilige(n) Messopfer (als) Wurzel und Mitte (des) geistlichen Lebens“[7]. Für ihn traf dies ab dem Tag seiner Priesterweihe zu, bis zu seiner letzten heiligen Messe an seinem Sterbetag am 26. Juni 1975. Die klassische Frömmigkeitsmaxime des Priesters lebte er für alle Teilnehmer wahrnehmbar, nämlich die heilige Messe so zu feiern, als sei sie die erste, die letzte und die einzige.

Ein besonders eindrückliches Zeugnis über seine ars celebrandi überliefert ein junger Student, der sich in der etwa 20-köpfigen Gruppe befand, die während des Spanischen Bürgerkriegs im November 1937 unter widrigen Umständen über Bergpfade aus der kommunistisch beherrschten Zone Spaniens nach Andorra flüchtete. Die Szene handelt an einem Sonntag in einer Schlucht über einem Felsvorsprung. Der Student vermerkte dazu in seinem Tagebuch: „Hier findet nun das ergreifendste Ereignis der ganzen Reise statt: die heilige Messe. Ein Priester, der bei uns ist, feiert kniend – fast auf dem Boden liegend – die heilige Messe auf einem Felsen. Er betet nicht wie die anderen Priester in den Kirchen. … Seine Worte, deutlich und tief empfunden, dringen in die Seele. Ich habe noch nie so einer Messfeier beigewohnt. Es mag an den Umständen liegen oder auch daran, dass der Priester ein Heiliger ist.“[8]

Die erwähnte Einswerdung mit Jesus Christus manifestierte sich für ihn am deutlichsten in der heiligen Messe: „Ich trete an den Altar und denke zunächst: Josefmaria, du bist nicht Josefmaria Escrivá de Balaguer. … Du bist Christus. … Er ist es, der sagt: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut. Er ist es, der die Gaben verwandelt. Ich selbst wäre dazu nicht fähig.“[9] Er war sich zutiefst bewusst, dem Herrn die Stimme und die Hände zu leihen. Die Liturgie war für ihn, in Übereinstimmung mit der Tradition der Kirche, wahrhaft Gottes-Dienst, opus Dei. Eben darum pflegte er sie getreu und gewissenhaft zu feiern, so wie sie die liturgischen Bücher vorgaben, ohne Auslassungen und eigenmächtige Ergänzungen. Die Hände des Priesters sollten, so seine tiefe Überzeugung, Hände eines Verliebten sein, der alles, was sich auf den Herrn und den Kult bezieht, liebevoll behandelt. Dies erklärt den Nachdruck, den er auf gepflegte Kapellen, Altäre, Sakristeien, Paramente und liturgische Geräte legte: Alles zur Ehre Gottes!

Link zum Interview auf Radio Gloria (Spotify)

Hier geht es zu Teil 1: „Damit die Laien Christus in allen Bereichen der Gesellschaft gegenwärtig machen“

[1] Joh 3,30.

[2] Hl. Josefmaria, Brief anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums, 28. Januar 1975.

[3] Sel. Álvaro del Portillo, Über den Gründer des Opus Dei, Köln 1994, S. 145.

[4] Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 965.

[5] Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, Nr. 117.

[6] Näher dazu Kurt Koch, Kontemplativ mitten in der Welt. Die Entdeckung des Taufpriestertums beim Seligen Josemaría Escrivá, in: César Ortíz (Hrsg.), Josemaría Escrivá. Profile einer Gründergestalt, Köln 2002, S. 311-327.

[7] Hl. Josefmaria, Brief vom 2. Februar 1945, Nr. 11.

[8] Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei Josemaría Escrivá, Band 2: Die mittleren Jahre, Köln 2004, S. 206-207.

[9] Hl. Josefmaria, Aufzeichnung aus einem Familientreffen, 10. Mai 1974, zitiert nach Javier Echevarría, Por Cristo, con Él y en Él, Madrid 2007, S. 167.