Das Mysterium des dreifaltigen Gottes

Predigt von Prof. Dr.theol. Johannes Stöhr, gehalten am Dreifaltigkeitsfest 2018 in Sankt Pantaleon, Köln

Hl. Dreifaltigkeit - Hendrik van Balen

Der Dreifaltigkeitssonntag lenkt uns hin auf das Geheimnis Gottes. Wir freuen uns, dass wir durch Gottes Liebe das natürliche Leben empfangen haben und dass wir darüber hinaus in der heiligmachenden Gnade Anteil an seinem göttlichen Leben haben dürfen: „Gepriesen sei die heilige Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit. Lasst uns ihr danken, weil sie Barmherzigkeit an uns getan hat.“

Die drei göttlichen Personen haben das Erlösungswerk gewirkt. Der Vater hat die Welt geliebt, und aus Liebe zur Welt hat er seinen Sohn in die Welt gesandt und ihn für das Leben der Welt dahingegeben. Dem Willen des Vaters gehorsam ist der Sohn Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt; „er ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze“. Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohne gesandt, um das Erlösungswerk, um das Heiligungswerk in den Seelen der Gläubigen zu vollenden. So ist das Dreifaltigkeitsfest gleichsam das große Te Deum für die Heilsgeheimnisse des gesamten Kirchenjahres.

DER VATER UND DER SOHN UND DER HEILIGE GEIST

Wir Christen bekennen den einen Gott in drei Personen. Dies ist das Grund-Dogma unseres katholischen Glaubens. In diesem Bekenntnis sind Überlieferung und Schrift eindeutig ins Wort gebracht. Sehen wir uns die Vorgänge bei der Taufe Jesu und seinen späteren Taufbefehl etwas näher an. Beim Taufakt sind sie alle drei beisammen: Der Täufling Jesus, die Stimme des Vaters, der Heilige Geist, der in Gestalt einer Taube herab kommt. Und beim Taufbefehl stehen sie dann nebeneinander: „Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Hier sind die Drei durch das unscheinbare Wörtchen „und“ verbunden, das hier wichtig ist, weil es ihre Gleichwesentlichkeit andeutet. Auch an vielen anderen Stellen der Heiligen Schrift wird die Dreieinigkeit ausgesprochen, vor allem in den trinitarischen Segensformeln. So schreibt Paulus nach Korinth: „Die Gnade des Herrn Jesus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Geistes sei mit euch allen." Wieder an anderer Stelle: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist. Es gibt verschiedene Dienstleistungen, aber es ist derselbe Herr. Es gibt verschiedene Wirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allem wirkt.“

Getreu dem Auftrag des Herrn predigten die Apostel und lehrte die Kirche in allen Jahrhunderten den dreipersönlichen Gott als die Grundwahrheit des Christentums. Die Martyrer bekennen diesen Glauben und besiegeln ihn mit ihrem Blute. Die Kirchenväter – vor allem Athanasios (er wurde fünfmal verbannt) – verteidigen den Glauben auf das Entschiedenste gegen die heftigsten Angriffe. Die kirchlichen Glaubensbekenntnisse fordern den Glauben an die Dreieinigkeit als Grundlage der christlichen Religion. Schon die älteste Form des apostolischen Glaubensbekenntnisses bekennt den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Und das Glaubensbekenntnis von Nicäa, das wir in jeder heiligen Messe beten, drückt es so aus: Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, und an den Heiligen Geist. Das Athanasianische Glaubensbekenntnis – das umfangreichste von allen, das die Priester am heutigen Tage beten – formuliert die beiden entscheidenden Aussagen: Einheit der Natur, Dreiheit der Personen: „Dies ist der katholische Glaube. Wir verehren den einen Gott in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit, ohne Vermengung der Personen und ohne Trennung der Wesenheit.“

Die ausführlichste Lehrverkündigung über die Dreieinigkeit stammt von der 11. Synode von Toledo aus dem Jahre 675. Es war eine kleine Synode, bei der nur 19 Bischöfe anwesend waren. Aber sie hat ein Glaubensbekenntnis formuliert, das noch heute gültig ist und wie kein anderes die Dreieinigkeit uns nahezubringen versucht: „Die Dreifaltigkeit erkennen wir in dem Unterschied der Personen. Wir bekennen wegen der Natur oder Wesenheit die Einheit. Diese drei sind eins, nämlich in der Natur, nicht in der Person.“

Bei der Auseinandersetzung mit dem Judentum, mit der Gnosis und mit irrigen hellenistischen Vorstellungen vom Göttlichen gewann die Lehre vom dreieinigen Gott an Tiefe und Deutlichkeit. Augustinus bildete in dreizehn Büchern die heute noch gültige „psychologische“ Trinitätslehre aus. Er stellte das innergöttliche Leben nämlich in der Form der Geistigkeit dar, als Erkennen und als Lieben. Die Dreiheit ist nicht eine zufällige, eine zweitrangige, zur Einheit hinzukommende Wirklichkeit. Vielmehr ist Gott, indem er in ewiger Unwandelbarkeit existiert, zugleich in drei Personen derselbe Gott.

Gott können wir nicht sehen oder sinnenhaft erfahren, da er ein geistiges Wesen ist. Er „wohnt in unzugänglichem Lichte”. Alle Gottesnamen bedeuten nur eine entfernte Ähnlichkeit, keiner erreicht die Fülle Gottes; er ist der „namenlose“ und zugleich der vielnamige Gott. Aber wir können dennoch von ihm sprechen, denn er hat sich uns mitgeteilt: Er hat sich offenbart und in menschlicher Weise kundgemacht. Der Höhepunkt, die Vollendung der Offenbarung Gottes geschieht in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Jesus Christus hat uns gezeigt, wer der himmlische Vater ist; vom Vater her hat er uns den Heiligen Geist gesandt, der uns in alle Wahrheit einführt.

STETS MEHR UNÄHNLICH ALS ÄHNLICH

Gottes Offenbarung hebt das Geheimnis nicht auf, doch stellt es ans Licht. Die göttliche Dreipersonalität ist ein Geheimnis im strengen Sinne, das heißt eine verborgene Wirklichkeit, die ohne Offenbarung nicht erkannt werden kann und die auch nach der Offenbarung nicht aufhört, ein Geheimnis zu sein. Unsere Erkenntnis Gottes ist analog. Das heißt, dass alle unsere Begriffe und Aussagen von Gott nur in einem ähnlich-unähnlichen Sinne gelten, wobei die Unähnlichkeit größer ist als die Ähnlichkeit. So gibt es Worte wie Zeugung und Hauchung, die dem Missverständnis wehren wollen, so als ob die göttlichen Personen erschaffen würden, als ob der Vater den Sohn erschaffen würde und sie beide den Heiligen Geist erschaffen würden. Wir gebrauchen die Ausdrücke Zeugung und Hauchung, um die Unerschaffenheit der göttlichen Personen zu dokumentieren, weil wir keine anderen Begriffe für die innergöttlichen Hervorgänge haben. Wenn wir diese Worte der Offenbarung aufgeben würden, müssten wir schweigen von Gott, von seinem innergöttlichen Leben.

Auch in der natürlichen Welt konnten die Christen Spuren des Geheimnisses entdecken, nämlich in den sogenannten Ternaren oder Dreiergruppen, die aber keinerlei Beweise bedeuten. Zum Beispiel drei Kerzen, die zusammen in einer Flamme leuchten, oder das gleichseitige Dreieck – drei gleiche Winkel, die dieselbe Fläche begrenzen. Dieses Dreieck findet sich innen oft mit dem Auge Gottes. Weitere Dreiergruppen sind die drei Dimensionen des Raumes oder der Zeit – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – oder der Baum mit Wurzel, Stamm und Frucht oder die sogenannten Seinskonstitutiven des Einen, Wahren und Guten. Noch die größte Ähnlichkeit findet sich im Seelenleben des Menschen: Verstand, Wille und Gemütskräfte.

Ja man hat sogar Beweise versucht: Die vollkommene Liebe erfordere geradezu mehrere Personen. Gewiss: Wo die Liebe ist, da ist Gott. Aber die Liebe von menschlichen Personen ist als Vergleich sehr unzulänglich. Denn in Gott gibt es unter den drei Personen keine Abhängigkeit. Sie sind nicht aufeinander angewiesen und nicht ergänzungsbedürftig wie wir Menschen. Es gibt nicht etwas, das der Vater hat und der Sohn nicht hätte. Alle drei Personen sind unendlich vollkommen und gleich im Wesen.

Eine bildliche Darstellung der Dreifaltigkeit ist an sich eigentlich unmöglich, aber die christlichen Künstler haben es immer wieder versucht. Ein Beispiel ist der Gnadenstuhl: Die Darstellung Gott Vaters, der auf einem Thronsessel sitzt und vor sich in seinem Schoß das Kreuz mit dem Heiland hält; darüber schwebt der Heilige Geist.

Die Teilnahme am Lebensaustausch der drei göttlichen Personen ist das innerste Wesen des Christentums, unserer ganzen christlichen Existenz. Das ganze kirchliche Leben und Handeln vollzieht sich im Namen des dreieinigen Gottes und richtet sich durch Christus im Heiligen Geist an den Vater im Himmel: Der Taufritus – das eucharistische Geschehen, bei dem wir dem Vater im Himmel seinen Sohn im Heiligen Geist aufopfern, wie auch die Schlussformeln der Gebete in der Heiligen Messe – die Lossprechung im Bußsakrament – die heiligen Weihen. Alles Beten und Opfern in der Kirche beginnt mit dem Kreuzzeichen „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ und endet mit dem Lobpreis „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“. Viele Heilige und Mystiker haben das Mysterium der Dreifaltigkeit in die Mitte ihres Lebens gestellt, so etwa der heilige Patrick, die selige Elisabeth von der Heiligsten Dreifaltigkeit, der heilige Nikolaus von der Flüe. Religiöse Genossenschaften und Bruderschaften stellten sich unter den Schutz des dreifaltigen Gottes.

EIN EINZIGER UND DREIEINIGER GOTT

Es gibt keinen anderen Gott als den Dreifaltigen. Es ist bezeichnend, dass sich gerade der Orden, der den meisten Kontakt mit Muslimen hatte, nämlich der Orden vom Loskauf der Gefangenen, Trinitatisorden genannt hat, also Orden vom dreifaltigen Gott oder Trinitarier-Orden. Denn der Islam bekämpft die Lehre vom dreifaltigen Gott unerbittlich bis heute . An der Stirnseite der Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem steht geschrieben: Gott hat keinen Sohn. Die Muslime unterstellen uns Christen eine Dreigötterlehre. Die Dreigötterlehre, der Tritheismus, verdreifacht mit der Person auch die Natur in Gott. Er leugnet also die Gleichwesentlichkeit und stellt die Einheit Gottes in Abrede. In Wirklichkeit hat die Kirche die Dreigötterlehre ebenso wie den auf Deutsch auch „Vielgötterei“ genannten Polytheismus immer energisch verworfen. Im Mittelalter haben der heilige Franziskus oder Raimund Lull oder Thomas von Aquin gegenüber den Anhängern des Islam das Bekenntnis des Glaubens an den dreieinigen Gott stets deutlich herausgestellt. Auch wir sollten es beim Dialog mit Muslimen so halten.

Kinder haben einen Sinn für das Geheimnisvolle. Wir Erwachsenen wollen alles möglichst ganz begreifen und durchschauen und direkt erfahren. So tun wir uns auch mit dem Glauben schwerer. Wenn wir einen Zugang zum Geheimnis Gottes, zum Geheimnis des einzigen Gottes in drei göttlichen Personen finden wollen, dann ist es wichtig, so zu glauben und zu vertrauen, wie es Kinder tun – mit offenem und glaubensbereitem Herzen.

Im Alten Bund hatten viele Generationen kaum eine entfernte Ahnung von der Dreifaltigkeit. Erst viel später hat Gott sie offenbart. Seine Vollkommenheit ist nicht abhängig von unserem Wissen und unserer Anerkennung. In freier Liebe hat er sich uns zugewandt. Versunken in das Geheimnis Gottes ging der große Trinitätstheologe Augustinus einmal am Meeresstrand, so wird erzählt. Da sah er ein Kind mit einer Muschel Wasser in eine Sandgrube füllen: Was tust du da? – Ich schöpfe das Meer aus. – Das ist unmöglich! – Da hörte der Heilige die Worte: Aber viel weniger möglich ist, dass du das Mysterium der Dreifaltigkeit verstehst. Wir verstehen das Mysterium nicht, haben nur eine entfernte Ahnung davon – und doch leben wir darin: Das Kreuzzeichen, alle Sakramente von der Taufe an, alle Segnungen bis zum Sterbesegen, der Schluss der Orationen, Kyrie, Gloria und Sanctus erinnern uns daran.

Auch ohne sich darüber klar zu sein, kreisen manche Christen in ihrem Denken letztlich doch um die Wirklichkeit Gottes; auch ohne es zu erleben und zu erfahren, bewegen sie sich doch in ihm und im Umkreis seines Geheimnisses. Die Theologie sieht ihre Aufgabe darin, das oft verschüttete Glaubensbewusstsein zu stärken. Dabei meinen wir zwar manchmal, Gott zu suchen, aber in Wirklichkeit ist es doch stets Gott, der uns sucht – und sich manchmal auch durch jemanden finden lässt, der ihn auf ungeschickte Weise gesucht hat oder gar nicht suchte. Gott offenbart sich, und zugleich verbirgt er sich im Mysterium. Er offenbart sich in seiner Menschwerdung – und verbirgt sich in der menschlichen Natur des Kindes. Er offenbart sich in den öffentlichen Taten und Worten Christi – und erweist sich bleibend anwesend in der Heiligen Eucharistie. Auch in ihr verbirgt er sich wieder, aber eigentlich nur, um die unermessliche Tiefe seiner Liebe deutlicher zu machen.

OFFENBART UND DOCH VERBORGEN

Warum hat er sich damals bei der Menschwerdung verborgen, so dass die Juden ihn nicht gleich erkannt haben, warum in der Heiligen Eucharistie, warum im Geheimnis der Trinität? Die Antwort der Theologie lautet: Damit wir ihn mit noch größerer Liebe suchen. Er spielt, wie es der heilige Johannes vom Kreuz ausdrückt, gleichsam eine Art göttliches Versteckspiel mit uns. Er zeigt sich und verbirgt sich. Und wenn man ihn zu finden meint, verbirgt er sich wieder, um unsere Seele ganz an sich zu ziehen, um uns sozusagen wegzulocken von allem, wohin wir uns verlieren könnten. Und er lädt uns ein, immer wieder ihm zu folgen. Entsprechend der ungebrochenen Tradition ist der Glaube an den dreieinen Gott Ziel und Frucht unseres ganzen christlichen Lebens, wie Thomas von Aquin schreibt. Er bedeutet die Mitte unserer christlichen Existenz. So formuliert Rupert von Deutz: „In tantum vivimus, in quantum beatam Trinitatem agnoscimus“ – Insoweit leben wir, als wir die Dreifaltigkeit bejahen. Sie ist eine Tatsache, die uns Gott geoffenbart hat – auch wenn wir kaum darüber nachdenken.

Wir sind Kinder Gottes, dürfen Gott im Heiligen Geist Vater nennen. Wir sind Miterben Christi. Das ist das Geheimnis der Einwohnung der Trinität in unserer Seele. So ist das Dreifaltigkeitsfest ein Freudentag über die Nähe Gottes zu uns Menschen. Gott hat sich uns als Ursprung und Ziel unseres Lebens gezeigt. Der ewige Gott holt uns hinein in eine Gemeinschaft der Liebe, durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist.

Wir bitten die heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria um ihre Fürbitte: Sie war und ist in einer einzigartigen Beziehung zum dreifaltigen Gott. Vom ewigen Vater hat sie den Sohn Gottes im Heiligen Geist empfangen und durfte ihm eine menschliche Mutter sein. Maria weist uns den Weg ins Geheimnis der göttlichen Liebe!


Einen fachtheologischen Beitrag „Trinitarische Spiritualität im christlichen Leben“ vom selben Autor finden Sie hier.