Betrachtungstext: 29. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Ein wachsames Herz – Das Zentrum unserer Hoffnungen – Liebe in die Routine legen

JESUS gab seinen Jüngern einmal den Rat: Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! (Lk 12,35) – und griff damit zwei Gepflogenheiten aus dem Leben seiner Zeit auf: Die Juden gürteten ihre weiten Gewänder um die Taille, wenn sie reisten oder bestimmte Arbeiten verrichteten. Jesu Worte sind also eine Aufforderung an die Jünger, stets bereit zu sein – für eine Aufgabe oder einen Ortswechsel. Und die Lampen wurden am Brennen gehalten, wenn ein Besuch erwartet wurde oder erhöhte Aufmerksamkeit nötig war.

Mit diesen einfachen Bildern ruft der Herr seine Jünger zu einer Haltung der Wachsamkeit auf – zu jener ständigen Bereitschaft, die nötig ist, um ihm treu zu bleiben bis zu seinem endgültigen Kommen. Doch, so erklärt Papst Franziskus, kann diese Wachsamkeit auch als „die normale Haltung verstanden werden, die wir im Leben einnehmen sollen, damit wir unsere guten Beschlüsse, die wir manchmal nach einem schwierigen Unterscheidungsprozess gefasst haben, beharrlich und konsequent umsetzen und Frucht tragen lassen“1. Wachsamkeit ist demnach jene Tugend, die uns befähigt, das Geschenk unserer Berufung zu bewahren und unser tägliches Handeln im Einklang mit ihr zu gestalten.

Dem gegenüber steht die Schläfrigkeit der Seele – eine innere Trägheit, die sich vom Ruf Gottes nicht mehr aufrütteln lässt. Papst Benedikt XVI. weist darauf hin, dass uns eine solche Schläfrigkeit „in die Selbstgefälligkeit eines gesättigten Daseins“ führen kann und dass „diese Stumpfheit der Seele, dieser Mangel an Wachsamkeit, ... dem Bösen Macht gibt in der Welt.“2 Jesus fordert seine Jünger also nicht zu einem sorglosen Verhalten oder einem zufriedenen Rückzug auf, sondern zu einer aufmerksamen, wachen Liebe – zu einer Haltung, die uns in Demut erkennen lässt, dass unsere wahre Sicherheit nicht in uns selbst liegt, sondern in Gott, der über uns wacht.


JESUS vergleicht diese Wachsamkeit mit der Haltung von Knechten, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten. Sie wissen, dass er kommen wird – vielleicht früher, vielleicht später … und dass er sie nicht wie Diener behandeln wird, sondern wie seine Brüder: Er wird sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen (Lk 12,37). Christus versteht, wie Papst Benedikt schrieb, dass wir „die kleineren oder größeren Hoffnungen brauchen, die uns Tag um Tag auf dem Weg halten. Sie reichen aber nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überragen muss. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfasst und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen.“3 Jesus ist der Herr, auf den wir Christen warten. und der uns bei seinem Kommen ein Leben bieten wird, das unsere kühnsten Vorstellungen übertrifft.

Im Alltag setzen wir unsere Hoffnungen oft auf Dinge, die uns Freude bereiten, sei es ein Familienprojekt, eine sportliche Aktivität mit Freunden oder die Feier eines Festes. Darüber hinaus betont der Prälat des Opus Dei: „Die tägliche Begegnung mit Jesus im Tabernakel zu erwarten, wird ein Zeichen wahrer Liebe sein.“ Er fügt hinzu, dass wir unsere alltäglichen Erwartungen mit der Eucharistie verbinden können: „Den Tabernakel zum Zentrum und Höhepunkt unserer Erwartungen zu machen, ist ein sicherer Weg, um in der Liebe zu Christus zu wachsen.“4 Nur Jesus kann unsere tiefsten Sehnsüchte nach Glück erfüllen. Während wir seine Ankunft erwarten, können wir dennoch bereits in den Realitäten des täglichen Lebens Freude finden, wenn wir sie in Verbindung mit ihm erleben.


„ICH SPRECHE gern von einem ,Weg‘“, sagte der heilige Josefmaria, „denn wir sind Wanderer, die unterwegs sind in die himmlischen Wohnungen, in unsere Heimat. Doch bedenkt, dass dieser Weg im Großen und Ganzen recht alltäglich ist und oft keine besonderen Überraschungen bietet, auch wenn er gelegentlich herausfordernde Passagen bereithält – sodass wir auch einmal einen Fluss durchwaten oder einen dichten Wald durchqueren müssen. Die Gefahr besteht darin, dass wir uns an die Routine gewöhnen und glauben, dass Gott in diesen alltäglichen, scheinbar gewöhnlichen Augenblicken nicht gegenwärtig ist. Denn es ist ja so einfach, so gewöhnlich!“5 Tatsächlich kann uns die Monotonie manchmal blind machen für das, was uns geschenkt wird. Wenn wir Tag für Tag dieselben Dinge tun, neigen wir manchmal dazu, die tiefe Bedeutung von Arbeit, familiärem Alltag und Freundschaften zu übersehen. Doch gerade in diesen Momenten wartet Gott auf uns.

Der Apostel Paulus schließt seinen Brief an die Korinther mit den Worten: Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe (1 Kor 16,13-14). Diese Wachsamkeit hilft uns, Liebe in alles hineinzulegen, was wir tun. So wird jeder Tag neu und besonders, weil er Ausdruck einer stets erneuerten Liebe ist, die sich in den kleinen Handlungen des Alltags auf einzigartige Weise entfaltet und einen ewigen Wert erhält. „Aus Liebe eine Stecknadel aufheben, kann eine Seele bekehren. Welches Geheimnis! Ah! Jesus allein kann unserem Tun einen solchen Wert verleihen, lieben wir ihn also mit allen unseren Kräften“6, schrieb die heilige Thérèse von Lisieux. Der heilige Josefmaria ermutigt uns: „Erfülle deine beruflichen Pflichten aus Liebe. Noch einmal: Tu alles aus Liebe. Und du wirst sehen, dass deine Arbeit gerade durch diese Liebe – selbst wenn du Unverständnis, Ungerechtigkeit, Undank oder sogar Misserfolg erfahren magst – ein Wunderwerk hervorbringt: reife Früchte, eine Saat der Ewigkeit.“7 Wir bitten Maria, unsere Mutter, dass sie uns hilft, die Routine zu überwinden, indem wir jede Handlung in einen Liebesakt für ihren Sohn verwandeln.


1 Franziskus, Audienz, 14.12.2022.

2 Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Teil II, S. 174.

3 Benedikt XVI., Spe Salvi, Nr. 31.

4 Msgr. Fernando Ocáriz, Im Licht des Evangeliums, Das Zentrum der Hoffnungen.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 313.

6 Hl. Therese de Lisieux, Brief 164 (Theresienwerk, Paulinus-Verlag).

7 Hl. Josefmaria. Freunde Gottes, Nr. 68.