Von der Würde des Leibes

Zum Paulusjahr, 8. Monat, ein Kommentar zu 1 Kor 1,22–24

In seinem ersten Brief an die Korinther schreibt Paulus:"Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit" (1,22–24).

Der Apostel Paulus kam um das Jahr 50 auf seiner zweiten Missionsreise nach Korinth. Er blieb anderthalb Jahre dort. Die Apostelgeschichte berichtet recht ausführlich über diesen Aufenthalt (18,1-18).

Korinth zählte damals – so sagen uns die Historiker – etwa 300.000 Einwohner. Zwei Handelshäfen auf jeder Seite des Isthmus begründeten den Reichtum der Stadt und bildeten zugleich den Nährboden für Korruption und grobe Sexualisierung. Die Unsittlichkeit galt als selbstverständlich. Der Tempel der Aphrodite hatte mehr als tausend Tempelprostituierte, und entsprechend war die Bedeutung des Ausdrucks "korinthisches Mädchen" eindeutig

Solchem Materialismus des Besitzes und des Fleisches stellt Paulus herausfordernd "Christus als den Gekreuzigten" entgegen. Der Brief an die junge korinthische Gemeinde ist geprägt von besorgter und fürsorgender Anteilnahme: "Ich gab euch zu trinken statt fester Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen. Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht; denn ihr seid immer noch irdisch eingestellt." (3,2-3) Erst seit fünf Jahren sind sie Christen – eifrig zwar, aber wenig gebildet in der Glaubenslehre und unsicher in der Moral. Doch hatten sie dieses Defizit zu spüren vermocht und hatten deswegen an Paulus geschrieben. Dieser antwortet "nicht um euch bloßzustellen, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen" (4,14). Da er sich als "Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes" (4,1) versteht, kreisen alle seine Ermahnungen um eine Mitte: Einswerden mit Christus – vom Verstand und vom Gefühl her – und Zugehörigkeit zu ihm in Leib und Seele. Kurz: Einheit untereinander und Gespür für die Würde des Leibes.

Paulus tadelt "Eifersucht und Streit" und Parteiungen unter den Korinthern: "Einer sagt: Ich halte zu Paulus!, ein anderer: Ich zu Apollos!" Die Antwort des Apostels: "Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen. So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt. ... Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau." (3,5-9)

Paulus warnt die junge Gemeinde vor den Verwüstungen der Unzucht: "Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Dirne machen? ... Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!" (6,15-20)

Wer Christus als Mitte und Grund des eigenen Lebens erkennt, glaubt an ihn und hofft auf ihn und, vor allem: liebt ihn. Von Christus her weißt er, was Liebe ist. – Hier, in den Versen 1 bis 13 des 13. Kapitels, erstrahlt das leuchtendste Kleinod des ganzen Briefes, das "Hohelied der Liebe": "Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke …" Ein guter Text, um betend und betrachtend einiges von der gewinnenden Wärme des Apostels in das eigene Herz überströmen zu lassen.

von Josef Arquer