Papst Benedikt: „Was ich euch unbedingt sagen möchte“

„Werdet heilig“ - Ansprache von Papst Benedikt XVI. am Freitag Morgen im St. Mary’s University College, Twickenham bei London, an katholische Schüler, die aus allen Teilen Großbritanniens per Internet zugeschaltet waren.

Liebe junge Freunde!

Es ist nicht oft der Fall, daß ein Papst oder auch sonst jemand die Gelegenheit hat, zu den Studenten aller katholischen Schulen Englands, Wales’ und Schottlands gleichzeitig zu sprechen.

Und da ich nun die Möglichkeit habe, gibt es etwas, was ich euch unbedingt sagen möchte. Ich hoffe, daß einige von euch, die mir heute zuhören, die künftigen Heiligen des 21. Jahrhunderts sind. Was Gott am meisten von einem jeden von euch wünscht, ist, daß ihr heilig werden sollt. Er liebt euch viel mehr, als ihr euch je vorstellen könnt, und er will das allerbeste für euch. Und das bei weitem Beste für euch ist es, an Heiligkeit zuzunehmen.

Vielleicht haben einige von euch zuvor noch nie darüber nachgedacht. Vielleicht denken einige von euch, ein Heiliger zu sein, das sei nichts für sie. Laßt mich erklären, was ich meine. Wenn wir jung sind, dann gibt es gewöhnlich Menschen, zu denen wir aufschauen, die wir bewundern, wo wir wünschen, wie sie zu sein. Es könnte jemand aus unserem Alltag sein, den wir zutiefst schätzen. Oder es könnte jemand Berühmter sein. Wir leben in einer Prominentenkultur, und junge Menschen werden oft dazu ermuntert, Gestalten aus der Welt des Sports oder der Unterhaltung zum Vorbild zu nehmen. Meine Frage an euch ist nun diese: Was sind die Qualitäten, die ihr in anderen seht und die ihr am liebsten selbst haben möchtet? Welcher Typ von Person möchtet ihr wirklich am liebsten sein?

Gebt euch nicht mit dem Zweitbesten zufrieden

Wenn ich euch einlade, Heilige zu werden, bitte ich euch, euch nicht mit dem Zweitbesten zufrieden zu geben. Ich bitte euch nicht, ein begrenztes Ziel zu verfolgen und alle anderen zu ignorieren. Geld zu haben, bietet die Möglichkeit, großzügig zu sein und Gutes in der Welt zu tun, aber Geld allein kann uns noch nicht glücklich machen. In irgendeiner Tätigkeit oder irgendeinem Beruf sehr geschickt zu sein, ist gut, aber es wird uns nicht wirklich zufriedenstellen, wenn wir nicht nach etwas noch Größerem streben. Das alles mag uns berühmt machen, aber es wird uns nicht glücklich machen. Glück ist etwas, das wir uns alle wünschen. Es ist aber eine der großen Tragödien in dieser Welt, daß viele Menschen dieses Glück nie finden, weil sie an den falschen Orten danach suchen. Der Schlüssel dazu ist hingegen sehr einfach – wahres Glück ist in Gott zu finden. Wir müssen den Mut haben, unsere tiefste Hoffnung allein auf Gott zu setzen, nicht auf Geld, Karriere, weltlichen Erfolg oder auf unsere Beziehungen zu anderen, sondern auf Gott. Er allein kann die tiefsten Bedürfnisse unseres Herzens stillen.

Gott liebt uns mit einer Tiefe und Intensität

Gott liebt uns nicht nur mit einer Tiefe und Intensität, die wir selbst ansatzweise kaum begreifen können, sondern lädt uns auch ein, auf diese Liebe zu antworten. Ihr wißt alle, was es heißt, jemanden zu treffen, der interessant oder attraktiv ist, und ihr wollt mit dieser Person befreundet sein. Ihr hofft immer, daß sie euch interessant und attraktiv findet und euer Freund sein will. Gott will euer Freund sein.

Und sobald ihr mit Gott Freundschaft schließt, beginnt sich alles in eurem Leben zu ändern. Wenn ihr ihn besser kennenlernt, wollt ihr etwas von seiner unendlichen Güte in eurem Leben widerspiegeln. Ihr seid begeistert, die Tugenden zu leben. Ihr beginnt, Habgier und Selbstsucht sowie alle anderen Sünden als das zu sehen, was sie wirklich sind, nämlich zerstörerische und gefährliche Neigungen, die tiefes Leid und großen Schaden verursachen, und ihr wollt vermeiden, selbst in diese Falle zu tappen. Ihr beginnt, Mitleid für Menschen in Schwierigkeiten zu empfinden, und ihr wollt ihnen unbedingt irgendwie helfen. Ihr wollt die Armen und Hungrigen unterstützen, ihr wollt die Traurigen trösten, ihr wollt gut und großzügig sein. Und wenn euch das alles einmal berührt, dann seid ihr wirklich auf dem Weg, Heilige zu werden.

Freundschaft mit Gott

In euren katholischen Schulen gibt es zusätzlich zu den einzelnen Fächern, die ihr studiert, oder den verschiedenen Fähigkeiten, die ihr euch aneignet, immer ein größeres Bild. Alles, was ihr tut, ist in den Kontext gestellt, in der Freundschaft mit Gott zu wachsen und in allem, was sich daraus ergibt. So lernt ihr nicht nur, gute Studenten zu sein, sondern auch gute Bürger, gute Menschen. Wenn ihr in höhere Jahrgangsstufen kommt, müßt ihr die Fächer wählen, die ihr studieren wollt, ihr beginnt, euch zu spezialisieren im Blick auf das, was ihr später im Leben tun wollt. Das ist gut und richtig. Aber erinnert euch immer daran, daß jedes Fach, das ihr studiert, Teil eines größeren Bildes ist.

Laßt nie zu, daß ihr eng werdet. Die Welt braucht gute Wissenschaftler, aber die wissenschaftliche Auffassung wird gefährlich eng, wenn sie die religiösen oder ethischen Dimensionen des Lebens außer Acht läßt, genauso wie Religion eng wird, wenn sie den berechtigten Beitrag der Wissenschaft zu unserem Verständnis der Welt zurückweist. Wir brauchen gute Historiker, Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler, aber wenn die von ihnen in ihrem Fachbereich gegebene Darstellung des menschlichen Lebens zu eng fokussiert wird, können sie uns ernsthaft auf Irrwege führen.

Fühlt euch ermutigt!

Eine gute Schule sieht eine ganzheitliche Erziehung für die Person vor. Und eine gute katholische Schule sollte darüber hinaus allen ihren Schülern helfen, Heilige zu werden. Ich weiß, daß viele Nicht-Katholiken an den katholischen Schulen Großbritanniens lernen, und ich möchte euch alle in meine Worte heute einschließen. Ich bete darum, daß auch ihr euch ermutigt fühlt, die Tugenden zu leben, und an der Seite eurer katholischen Klassenkameraden im Wissen und in der Freundschaft mit Gott wachst. Ihr seid für sie eine Erinnerung an das größere Bild, das außerhalb der Schule existiert, und es ist in der Tat nur recht, daß Achtung und Freundschaft für Mitglieder anderer religiöser Traditionen zu den Tugenden gehören sollen, die an einer katholischen Schule gelernt werden. Ich hoffe auch, daß ihr die Werte und Einsichten, die ihr in eurer christlichen Erziehung erhalten habt, mit jedem, dem ihr begegnet, teilt.

Liebe Freunde! Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Ich verspreche, für euch zu beten, und bitte euch, auch für mich zu beten. Ich hoffe, viele von euch im kommenden August beim Weltjugendtag in Madrid zu sehen. Bis dahin segne Gott euch alle!

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