Papst Benedikt an die Jugend

Wie können wir eine Freundschaft mit Christus aufbauen? Was erfüllt unser Alltagsleben mit Freude? Was brauchen wir, um mutige Entscheidungen zu treffen? – Der Papst antwortet.

'Die Apostel lernten den Glauben an Jesus Christus nicht ohne Schwierigkeiten, denn sie waren Menschen wie wir'.

Nur endgültige Entscheidungen bringen Wachstum

 

Heiliger Vater, vor einem Jahr genau waren Sie in Köln bei der Jugend; und da haben Sie, glaube ich, auch mitbekommen, dass die Jugend wahnsinnig aufnahmebereit ist, dass Sie persönlich sehr gut angekommen sind. Haben Sie bei dieser Reise vielleicht auch eine spezielle Botschaft an die jungen Leute? 

Ich würde zunächst einmal sagen: Die Botschaft ist: Ich freu’ mich, dass es junge Menschen gibt, die beieinander sein wollen, die im Glauben beieinander sein wollen, und die eben etwas Gutes tun wollen. Denn die Bereitschaft zum Guten ist in der Jugend sehr stark. Die vielen Volontariate…!

Die Suche, in den Nöten dieser Welt selbst auch etwas auszurichten, ist etwas Großes. Darin zu ermutigen, wäre ein erster Impuls: Macht weiter! Sucht nach Gelegenheiten, Gutes zu tun! Die Welt braucht solchen Willen, braucht solchen Einsatz. 

Und dann würde ich sagen, ein spezielles Wort wäre vielleicht: Der Mut zu endgültigen Entscheidungen! Es ist viel Großmut in der Jugend da, aber das Risiko, sich ein Leben lang zu binden, sei’s in der Ehe, sei’s im Priestertum, das wird gescheut.

Die Welt ist in dramatischer Bewegung. Ständig. Kann ich jetzt schon über das ganze Leben mit seinen unabsehbaren künftigen Ereignissen verfügen? Binde ich da nicht meine Freiheit selber und nehme etwas von meiner Beweglichkeit weg?

Den Mut zu wecken, endgültige Entscheidungen zu wagen, die in Wirklichkeit erst Wachstum und Vorwärtsbewegung, das Große im Leben ermöglichen, die nicht die Freiheit zerstören, sondern ihr erst die richtige Richtung im Raum geben: das zu riskieren – diesen Sprung sozusagen ins Endgültige – und damit das Leben erst richtig ganz anzunehmen, das würde ich schon gern weitergeben. (Frage von P. Eberhard von Gemmingen S.J. bei einem Interview mit deutschen Journalisten von ARD, ZDF, DW und Radio Vatikan  am 5. August 2006)

Hätte er ja gesagt, wäre er ein Jünger Christi geworden

[Das Wichtige ist] 'ihn persönlich, also sein Menschsein und seine Göttlichkeit, sein Geheimnis und seine Schönheit kennenzulernen'. (foto: carf)

Vier neue Heilige werden heute der Gesamtkirche zur Verehrung vorgestellt: Rafael Guízar y Valencia, Filippo Smaldone, Rosa Venerini und Théodore Guérin. Ihrer Namen wird für immer gedacht werden. (Aus der Predigt bei ihrer Heiligsprechung am 15. Oktober 2006)

Im Gegensatz dazu muß man sofort an den »reichen Jüngling« denken, von dem das eben verkündete Evangelium spricht. Dieser junge Mann ist namenlos geblieben. Hätte er die Aufforderung Jesu positiv beantwortet, wäre er sein Jünger geworden, und die Evangelisten hätten seinen Namen wahrscheinlich aufgezeichnet.

Aus dieser Tatsache läßt sich sofort das Thema des Wortgottesdienstes dieses Sonntags erahnen: Wenn der Mensch seine Sicherheit auf die Reichtümer dieser Welt setzt, gelangt er nicht zum vollen Sinn des Lebens und zur wahren Freude; wenn er hingegen im Vertrauen auf das Wort Gottes um des Himmelreiches willen auf sich selbst und auf seine Güter verzichtet, verliert er anscheinend viel, gewinnt aber in Wirklichkeit alles.

Die Heiligen sind eben jene Männer und Frauen, die voll Freude und großzügig auf den Ruf Christi antworten und alles verlassen, um ihm nachzufolgen. Wie Petrus und die anderen Apostel, wie die hl. Teresa von Jesus, derer wir heute gedenken, und zahllose andere Freunde Gottes, so sind auch die neuen Heiligen diesen anspruchsvollen, aber Erfüllung schenkenden Weg des Evangeliums gegangen und haben schon im irdischen Leben »das Hundertfache« empfangen, wenn auch unter Prüfungen und Verfolgungen, und dann das ewige Leben.

Aber wie können wir Freunde Gottes, ja Heilige werden?

Auf diese Frage kann man zunächst in negativer Form antworten: Um heilig zu sein, muß man weder außerordentliche Taten und Werke vollbringen noch außergewöhnliche Charismen besitzen. Dann folgt die Antwort in positiver Form: Man muß vor allem auf Jesus hören und ihm dann nachfolgen, ohne angesichts der Schwierigkeiten den Mut zu verlieren. »Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren« (Joh 12,26).

'...endgültige Entscheidungen zu wagen, die in Wirklichkeit erst Wachstum und Vorwärtsbewegung, das Große im Leben ermöglichen'.

Wer Jesus vertraut und ihn aufrichtig liebt, ist bereit, sich selbst zu entsagen wie das Weizenkorn, das in der Erde begraben liegt. Denn er weiß, daß derjenige, der sein Leben für sich selbst zu behalten sucht, es verliert, und daß derjenige, der sich hingibt – der sich verliert – gerade so das Leben findet (vgl. Joh 12,24–25).

Die Erfahrung der Kirche zeigt, daß jede Form der Heiligkeit, auch wenn sie unterschiedliche Wege geht, immer über das Kreuz, über die Selbstentsagung führt.

Die Biographien der Heiligen beschreiben Männer und Frauen, die fügsam waren gegenüber den Plänen Gottes und die manchmal unbeschreibliche Prüfungen und Leiden, Verfolgungen und das Martyrium auf sich genommen haben. Sie harrten aus in ihrem Bemühen; es waren diejenigen – so ist in der Offenbarung zu lesen–, »die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht« (Offb 7,14). Ihre Namen sind eingeschrieben in das Buch des Lebens (vgl. Offb 20,12); ihre ewige Wohnstatt ist das Paradies.

Das Vorbild der Heiligen ist für uns eine Ermutigung, denselben Weg einzuschlagen, die Freude desjenigen zu erfahren, der Gott vertraut, denn die einzige wahre Ursache der Traurigkeit, des Unglücklichseins liegt für den Menschen darin, fern von Gott zu leben.

Die Heiligkeit erfordert ständiges Bemühen, sie ist aber für alle möglich, denn die Heiligkeit ist nicht so sehr das Werk des Menschen als vielmehr Geschenk des dreimal heiligen Gottes (vgl. Jes 6,3). In der Zweiten Lesung sagt der Apostel Johannes: »Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es« (1 Joh 3,1).

Gott ist es also, der uns zuerst geliebt und uns in Jesus als seine Kinder angenommen hat. In unserem Leben ist alles eine Gabe seiner Liebe: Wie könnten wir einem so großen Geheimnis gegenüber gleichgültig bleiben? Wie sollten wir auf die Liebe des himmlischen Vaters nicht mit einem Leben als dankbare Kinder antworten? In Christus hat er sich uns ganz geschenkt und ruft uns zu einer tiefen persönlichen Beziehung zu ihm.

Je mehr wir also Jesus nachahmen und mit ihm verbunden bleiben, desto mehr treten wir ein in das Geheimnis der göttlichen Heiligkeit. Wir entdecken, daß wir von ihm unendlich geliebt sind, und das spornt uns an, unsererseits unsere Brüder zu lieben. Die Liebe bringt immer einen Akt der Selbstentsagung mit sich, das »Sich-selbst-Verlieren«, und macht uns gerade auf diese Weise glücklich.

(Aus derselben Predigt vom 15. Oktober 2006)

Sich nicht der Disko überlassen

'...die neuen Heiligen [sind] diesen anspruchsvollen, aber Erfüllung schenkenden Weg des Evangeliums gegangen' (foto: carf).

Die jungen Menschen wollen sehen, ob es Gott gibt und was Gott uns sagt. Es ist also trotz aller Schwierigkeiten der heutigen Zeit eine gewisse Bereitschaft vorhanden. Es ist auch Begeisterung vorhanden. Wir müssen daher alles nur Mögliche tun, um diese Flamme, die sich bei Anlässen wie den Weltjugendtagen zeigt, am Leben zu erhalten. 

Wie soll das geschehen? Das ist unsere gemeinsame Frage..... Mir scheint, daß man unter der Koordination des Bischofs einerseits einen Weg finden muß, um die Jugendlichen in die Pfarrei zu integrieren, damit sie zum Sauerteig des Gemeindelebens werden; und andererseits muß man für diese Jugendlichen auch Hilfe von Mitarbeitern von außerhalb der Pfarrgemeinde finden. Die beiden Dinge gehören zusammen.

Man sollte den Jugendlichen unbedingt nahelegen, daß sie sich nicht nur in der Pfarrei, sondern in verschiedenen Bereichen in das Leben der Diözese einbringen sollen, um dann auch in der Pfarrgemeinde ihren Platz zu finden. Alle Initiativen, die in diese Richtung gehen, gilt es daher zu fördern.

Von großer Bedeutung, so meine ich, ist jetzt die Erfahrung des freiwilligen Dienstes. Es ist wichtig, daß man die Jugendlichen nicht den Diskotheken überläßt, sondern ihnen Aufgaben gibt, anhand derer sie sehen, daß sie gebraucht werden und merken, daß sie etwas Gutes tun können.

Die jungen Menschen spüren den Antrieb, etwas Gutes für die Menschheit, für einen Menschen oder für eine Gruppe von Menschen zu tun, haben den Drang, sich zu engagieren, und finden auch die positive »Bahn« des Einsatzes, der christlichen Ethik.

Sehr wichtig erscheint mir, daß die Jugendlichen wirklich Aufgaben haben, die ihnen zeigen, daß sie gebraucht werden, die sie auf den Weg eines positiven Dienstes der Hilfeleistung führen, die sich an der Liebe Christi zu den Menschen orientiert, so daß sie selbst nach den Quellen suchen, aus denen sie schöpfen können, um die Kraft zu finden, sich zu engagieren.

(Ansprache vom 31. August 2006)

Jesus wollte, daß seine Freunde ihr Leben mit ihm teilen

'Und wir könnten auch ein bisschen mehr fliegen, sozusagen, wenn wir uns nicht ganz so schwergewichtig nehmen würden. ' (foto: alexkon).

Auch zu uns sagt Jesus, was er zu Natanaël gesagt hat: »Komm und sieh«. Der Apostel verpflichtet uns, Jesus aus der Nähe kennenzulernen.

In der Tat braucht die Freundschaft, das wahre Kennenlernen des anderen, die Nähe, ja teilweise lebt sie sogar von ihr. Im übrigen darf man nicht vergessen, daß – nach den Worten von Markus – Jesus die Zwölf hauptsächlich mit der Absicht auswählte, sie »bei sich haben« zu wollen (Mk 3,14), daß sie also sein Leben mit ihm teilen und direkt von ihm nicht nur seine Verhaltensweise lernen sollten, sondern vor allem, wer er wirklich ist. Denn nur so, durch die Teilnahme an seinem Leben, konnten sie ihn kennenlernen und dann verkünden.

Später wird man im Brief des Paulus an die Epheser lesen, daß es darauf ankommt, »Christus zu lernen« (vgl. Eph 4,20), also nicht nur und nicht in erster Linie seine Lehre, seine Worte zu hören, sondern vielmehr ihn persönlich, also sein Menschsein und seine Göttlichkeit, sein Geheimnis und seine Schönheit kennenzulernen. Denn er ist nicht nur ein Lehrmeister, sondern ein Freund, ja ein Bruder.

Wie könnten wir ihn wirklich kennenlernen, wenn wir fern von ihm blieben? Die enge Beziehung, die Verbundenheit, die Vertrautheit lassen uns die wahre Identität Jesu Christi entdecken. Und eben daran erinnert uns der Apostel Philippus. So lädt er uns ein, zu »kommen« und zu »sehen«, das heißt, Tag für Tag mit Jesus in eine Verbindung des Zuhörens, des Antwortgebens und der Lebensgemeinschaft einzutreten.

(Generalaudienz 6. September 2006)

Der innere Weg

'In Christus hat er sich uns ganz geschenkt und ruft uns zu einer tiefen persönlichen Beziehung zu ihm'.

Die Apostel waren Weggefährten Jesu, Freunde Jesu, und ihr Weg zusammen mit Jesus war nicht nur ein äußerer Weg, von Galiläa nach Jerusalem, sondern ein innerer Weg, auf dem sie den Glauben an Jesus Christus lernten, nicht ohne Schwierigkeiten, denn sie waren Menschen wie wir.

Aber gerade weil sie Weggefährten Jesu waren, Freunde Jesu, die auf einem Weg, der nicht leicht war, gelernt haben zu glauben, führen sie auch uns und helfen uns, Jesus Christus kennenzulernen, ihn zu lieben und an ihn zu glauben.

(Generalaudienz 9. August 2006)

Welche Rolle spielen eigentlich Humor und die Leichtigkeit des Seins im Leben eines Papstes?

'Man muß vor allem auf Jesus hören und ihm dann nachfolgen, ohne angesichts der Schwierigkeiten den Mut zu verlieren'.

Ich bin nicht ein Mensch, dem dauernd viele Witze einfallen. Aber sozusagen das Lustige im Leben zu sehen, und die fröhliche Seite daran und alles nicht ganz so tragisch zu nehmen, das ist mir schon sehr wichtig, und ich würde sagen: für mein Amt auch notwendig. Irgendein Schriftsteller hatte gesagt, die Engel können fliegen, weil sie sich leicht nehmen. Und wir könnten auch ein bisschen mehr fliegen, sozusagen, wenn wir uns nicht ganz so schwergewichtig nehmen würden.

(Aus dem Interview mit deutschen Journalisten von ARD, ZDF, DW und Radio Vatikan  vom 5. August 2006)