Opus Dei: Eine einzige Katechese

Anlässlich der päpstlichen Errichtung der Personalprälatur vor gut 25 Jahren hat der Prälat des Opus Dei einer spanischen Zeitschrift kürzlich ein Interview gegeben. Darin erklärte Bischof Javier Echevarría, die Arbeit, die das Opus Dei im Moment leisten könne, stehe „nach ihrem Umfang noch in keinem Verhältnis zu den Erwartungen vieler Menschen in der Kirche“. In der Kirche gebe es einen großen, vom Heiligen Geist inspirierten Reichtum. „Für diese ungebrochene Vitalität der Kirche ist das Opus Dei zwar ...

...ein Beleg mehr, aber wir wollen nicht die ‚Klassenbesten’ abgeben.“

In welchem Geist feiern Sie im Opus Dei die 25 Jahre Ihrer Personalprälatur? 

Jeder versucht innerhalb seines normalen Arbeitsablaufes, Gott für die erhaltenen Gaben zu danken. In diesem Sinne habe ich verfügt, dass dieses Jahr bis zum 28. November in der Prälatur Opus Dei als ein marianisches Jahr der Danksagung begangen wird. Natürlich ist dieser Jahrestag auch eine Gelegenheit, sich erneut darum zu bemühen, in der Gemeinschaft mit dem Papst und allen Diözesanbischöfen Christus noch näher zu folgen. 

Mit einem Bild könnte man dann sagen, dass Sie volljährig geworden sind? 

Im Blick auf den Dienst, den die Prälatur der Kirche und den Menschen im Laufe der Jahrhunderte leisten soll, können wir wohl davon sprechen, dass sie noch in den Anfängen steckt. Zwar nicht in Bezug auf ihre Aufgabe, an die Berufung aller Christen zur Heiligkeit im gewöhnlichen Alltag zu erinnern, wohl aber hinsichtlich der Weite und Tiefe des Evangelisierungsauftrages, der ihr anvertraut wurde. Die Arbeit, die wir im Moment leisten können, steht nach ihrem Umfang noch in keinem Verhältnis zu den Erwartungen vieler Menschen in der Kirche – z.B. einer großen Zahl von Bischöfen, die wünschen, dass wir unsere apostolische Arbeit in ihren Bistümern beginnen. 

Andererseits stehen alle Gläubigen der Prälatur jeden Tag vor der Herausforderung, diese Botschaft mit Hilfe der Gnade in ihrem Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Unter dieser Perspektive, die meiner Ansicht nach die wichtigste ist, wird sich das Opus Dei niemals als volljährig betrachten können, denn es bedarf immer der Hilfe Gottes, so wie ein kleines Kind seine Eltern braucht. 

Was bedeutete vor 25 Jahren die juristische Anerkennung als Personalprälatur für das Opus Dei? Warum entschied man sich für diese Rechtsform, obwohl es viele andere im Umfeld der Laienbewegungen gibt? 

Die Errichtung des Opus Dei als Personalprälatur durch Papst Johannes Paul II. erfolgte, nachdem die Meinung von mehreren Tausend Bischöfen eingeholt worden war und eine gründliche Prüfung stattgefunden hatte. Die Errichtung stellte dann die volle kirchliche Anerkennung des Gründungscharismas dar. Wie viele wissen, sah der heilige Josefmaria am 2. Oktober, dass Gott ihn bat, in der ganzen Welt den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit zu verbreiten. Zugleich sollte er allen Laien wirksam und umfassend bewusst machen, welches ihre Sendung in Kirche und Welt ist, der sie vor allem durch die Heiligung der Arbeit und ihrer normalen Lebensumstände nachkommen. Die Arbeit des Opus Dei, die jener von Gott inspirierten Saat entsprang und sich in vielen Teilen der Welt ausbreitete, hatte im Kirchenrecht noch nicht den ihr entsprechenden Platz gefunden, bis das Zweite Vatikanische Konzil Personalprälaturen für bestimmte apostolische Zwecke vorsah. Diese Rechtsform entspricht vollkommen der Aufgabe des Opus Dei, die ganz säkular ist und einen universalen Wirkungsbereicht hat. In dieser Sendung wirken gläubige Laien, die weiterhin zu ihrer Diözese gehören, organisch mit Weltpriestern zusammen, die in die Prälatur inkardiniert sind. Die Rechtsform gewährleistet zugleich deren volle Einheit mit den Diözesanbischöfen und lässt keine Zweifel an ihrer Einfügung in die jeweilige Diözese. Dieser Tag war daher vom Gründer lange Zeit herbeigesehnt worden. Er hatte dafür gebetet und viele Opfer gebracht – darunter, dass er selbst die volle kirchliche Anerkennung seitens der höchsten Autorität der Kirche zu seinen Lebzeiten nicht mehr verwirklicht sehen würde. 

Im Übrigen sind die Gläubigen des Opus Dei – während sie wie andere in Treue ihre Verpflichtungen als Christen erfüllen – eng mit allen anderen Charismen der Kirche verbunden, die immer ein Reichtum des Gottesvolkes sind, seien sie nun alt oder neu wie die innerkirchlichen Bewegungen. Diese Verbindung besteht in einer besonderen Gemeinschaft des Gebetes, der Anliegen und Bestrebungen. 

Wie hat sich die Prälatur in diesen 25 Jahren entwickelt? Welche Ereignisse waren von besonderer Bedeutung? 

Die endgültige Rechtsform hat viel dazu beigetragen, dass die Sendung des Opus Dei im Dienst an der Weltkirche und seine volle Eingliederung in die Ortskirchen besser verstanden wurde. Außerdem hat es während dieser 25 Jahre viele Gründe zur Freude gegeben – wie etwa die Heiligsprechung des Gründers. Eigens erwähnen möchte ich den Tod meines Vorgängers, Bischof Alvaro del Portillo, dessen Heiligsprechungsprozess bereits begonnen hat. Zudem hat die Prälatur ihr Apostolat in diesen Jahren auf etliche neue Länder in aller Welt ausgedehnt. 

«Gott ruft uns nicht nur, wenn wir beten, sondern den ganzen Tag über.»

Ich möchte aber betonen, dass Ereignisse dieser Art nicht die wichtigsten für die Angehörigen der Prälatur sind. Bedeutsamer ist, was sich im normalen Alltag eines jeden abspielt. Auch wenn diese Ereignisse unbemerkt bleiben und scheinbar keine tiefere Bedeutung haben, sind sie doch der eigentliche Ort, an dem Gott jeden Menschen erwartet, der Ort, an dem wir ihm begegnen können. 

Hat der Tod des Gründers die Prälatur hart getroffen? 

Gott hatte unserem Gründer ein väterliches Herz geschenkt, das sehr menschlich war. Sein Tod verursachte im ersten Augenblick einen tiefen Schmerz. Jedoch verstanden wir bald, dass die Familie des Opus Dei nun ihr Haupt und ihr Herz im Himmel hatte. Dies verdanken wir vor allem der Hilfe von Bischof Alvaro del Portillo. Er forderte uns alle auf, diese schmerzliche Wunde in der Seele nicht vernarben zu lassen und so den empfangenen Schatz treu zu bewahren. 

Der heilige Josefmaria war während seines ganzen Lebens bestrebt, nicht unersetzlich zu sein. Er hat uns, wie er sich ausdrückte, den Geist des Opus Dei „in Stein gehauen“ hinterlassen. Uns, die wir diesen Geist empfangen haben, kommt es jetzt zu, diese Botschaft mit Treue in die Tat umzusetzen und Tag für Tag fruchtbar zu machen. Ich bin Gott sehr dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, viele Jahre an der Seite eines Heiligen wie Josemaría Escrivá zu leben. Ich vertraue fest auf die Kraft seiner Fürsprache. Und ich bin sicher, dass er uns weiterhin mit seiner väterlichen und mütterlichen Liebe anschaut, hilft und – wie früher so oft – anspornt: „Mehr, mehr, mehr!“ Wir können stets mehr lieben und mehr für Gott und die Nächsten tun. Wir sollen trotz unserer Irrtümer versuchen, am Ende jeden Tages Gott näher zu sein als am Beginn. 

Was ist das Geheimnis des Opus Dei, dass es vor allem in Europa weiterhin junge Menschen auf den Weg der radikalen Nachfolge Christi zieht, sei es in der Ehe, im apostolischen Zölibat oder als Priester? 

Wie es nicht anders sein kann, ist es das Geheimnis der Kirche, nämlich die bleibende Attraktivität unseres Herrn Jesus Christus. Alle Christen haben die Pflicht, das Antlitz und die Botschaft Christi mit Wort und Beispiel unverfälscht bekannt zu machen, auch wenn sie dabei anscheinend gegen den Strom schwimmen müssen. Die Erfahrung zeigt ja, dass Christus die Menschen immer mitzieht. 

Auf der anderen Seite ist das Opus Dei eine einzige große Katechese, um einen Vergleich zu benutzen, den der heilige Josefmaria oft zog. Es bietet seinen Gläubigen und allen, die an seinen apostolischen Aktivitäten teilnehmen, christliche Bildungsmittel und persönliche geistliche Begleitung an. Diese Menschen wiederum geben dann durch ihre Freundschaft und in persönlichen Gesprächen die Lehre des Evangeliums ganz natürlich an ihre Verwandten, Freunde, Kollegen und Nachbarn weiter. 

Welchen besonderen Herausforderungen sieht sich die Prälatur nach 25 Jahren gegenüber? 

Die grundlegende Herausforderung ist das Streben eines jeden Mitgliedes nach seiner persönliche Heiligkeit. Als Folge des Einsatzes der Mitglieder für die Evangelisierung kommt hinzu die Ausbreitung dieses Strebens unter vielen Menschen. Diese Aufgabe bleibt stets aktuell und ist heute besonders dringlich, wie auch der Heilige Vater Benedikt XVI. allen Gläubigen immer wieder in Erinnerung ruft. 

Wie erwähnt wenden sich auch viele Bischöfe mit der Bitte an die Prälatur, sie möge ihre apostolische Arbeit in ihren Diözesen beginnen. Vor einem Jahr wurde zum Beispiel das erste Zentrum des Opus Dei in Moskau eröffnet. Derzeit beten und arbeiten wir dafür, dass in Rumänien und Indonesien erste Zentren der Prälatur errichtet werden können.  

Eine weitere zeitlich unbegrenzte Herausforderung für die Gläubigen des Opus Dei und für alle Gläubigen ist ihr Beitrag zu einer Kultur, die mit der Würde der Person übereinstimmt. Das gilt vor allem für die Laien, die auf diesem Gebiet mit Frauen und Männern guten Willens zusammenarbeiten. 

Kann man von einem Charisma des Opus Dei sprechen? Ist die „Heiligung durch die Arbeit“ weiterhin die Säule seiner Spiritualität? 

«Alle Christen haben die Pflicht, das Antlitz und die Botschaft Christi mit Wort und Beispiel unverfälscht bekannt zu machen.»

Das ist sie in der Tat und wird es auch immer sein. Auf der einen Seite kann und muss jede ehrliche Arbeit, jede ehrenhafte Tätigkeit, wenn sie gut und aus Liebe getan wir, zu einem Ort der Begegnung mit Gott, des Dienstes an den anderen und der persönlichen Besserung werden. Gott ruft uns nicht nur, wenn wir beten, sondern den ganzen Tag über. Es geht also nicht an, von Berufen oder Tätigkeiten zweiter Klasse zu sprechen, denn jede berufliche Tätigkeit kann zu einer Begegnung mit Gott werden. Das gilt nicht nur für die Berufsarbeit. Für die Eheleute zum Beispiel ist die liebevolle Erfüllung ihrer ehelichen und familiären Pflichten ein ebensolcher Weg der Heiligkeit wie es für die Priester die Ausübung ihres Dienstes oder für die Bürger die loyale Erfüllung ihrer rechtmäßigen Bürgerpflichten ist. 

Auf der anderen Seite ruft Gott nicht nur einige wenige dazu auf, heilig zu sein, sondern wirklich alle. Wir alle können und sollen in enger Verbundenheit mit Gott leben, denn wir alle sind seine Kinder, und Gott erwartet von seinen Kindern Liebe. 

Mit dieser zentralen Botschaft eng verbunden ist das Leben aus einem Guss, die Liebe zur persönlichen Freiheit und das Bestreben, mitten in der Gesellschaft Säleute des Friedens und der Freude zu sein, ohne irgendjemanden auszuschließen. 

Wie schultern Sie als Prälat des Opus Dei die Verantwortung, an der Spitze eines der lebendigsten und am meisten begeisternden Charismen der heutigen Kirche zu stehen? 

Verzeihen Sie, aber ich bin mit den Begriffen Ihrer Frage nicht ganz einverstanden. In der Kirche gibt es heute wie zu allen Zeiten einen großen geistlichen Reichtum und zahlreiche Anzeichen dafür, dass der Heilige Geist sie begleitet und inspiriert. Für diese ungebrochene Vitalität der Kirche ist das Opus Dei zwar ein Beleg mehr, aber wir wollen nicht die „Klassenbesten“ abgeben. Über mich persönlich kann ich Ihnen sagen, dass ich sehr wohl weiß, wie unverhältnismäßig gering meine Kräfte angesichts der mir anvertrauten Aufgabe sind. Ich stütze mich auf das Gebet der Angehörigen der Prälatur, auf ihre Mitarbeiter und auf viele Menschen, die für unseren Einsatz beten. Aber davon abgesehen sucht die Prälatur Opus Dei keinerlei menschlichen Ruhm, im Gegenteil: Sie will wie der Sauerteig wirken – ohne Geheimnistuerei, aber auch ohne Aufhebens davon zu machen. 

Sicher hat die Fürsprache Mariens, der sie diesen Jahrestag anempfehlen wollten, während dieser 25 Jahre nie gefehlt ... 

So ist es in der Tat. Und nicht nur während dieser 25 Jahre, sondern während der gesamten Geschichte des Opus Dei. In jeder Lage haben wir unsere Zuflucht zu Maria genommen. Der heilige Josefmaria betete zu unserer Mutter, seit er die ersten Ahnungen von dem hatte, was Gott von ihm wollte, um nur einen Situation unter vielen zu erwähnen: Er ist zu Marienwallfahrtsorten in vielen Ländern gepilgert, auch nach Montserrat und besonders zu Unserer Lieben Frau vom Loskauf der Gefangenen in Barcelona. Seine Besuche in dieser Basilika stehen in enger Beziehung zum Rechtsweg des Opus Dei, der vor 25 Jahren seinen glücklichen Abschluss fand. Wir werden die Hilfe der Muttergottes jetzt und in Zukunft immer brauchen. In diesem marianischen Jahr, das wir im Werk begehen, habe ich alle Gläubigen der Prälatur aufgerufen, den Rosenkranz besser zu beten und dieses Gebet unter ihren Kollegen, Freunden und Verwandten zu verbreiten. Es ist ein zeitloses, stets aktuelles Gebet.

Samuel Gutiérrez // Catalunya Cristiana