Gottes Werk und C.S.I.

Vom Schweizergardisten zum Kriminaltechniker

hot. Wenn irgendwo im Kanton Zürich ein Verbrechen entdeckt wird, ist Daniel Müller schnell zur Stelle. Als Kriminaltechniker sichert er am Tatort Spuren, die der Klärung von Verbrechen und der Identifizierung von Straftätern dienen. Ganz im Stile der TV-Serie C.S.I. – nur professioneller. Der Exgardist (GSP 1978 - 1980) und fünffache Familienvater ist seit 18 Jahren Mitglied des Opus Dei (dt. Werk Gottes) und als solches bestrebt, den christlichen Glauben in seinem vielfach belastenden – Berufsalltag umzusetzen.

Die Fahrt im zivilen Dienstwagen der Kantonspolizei endet im noblen Zürcher Stadtkreis 7. Es ist kurz vor 18 Uhr an einem warmen Sommerabend. Daniel Müller checkt nochmals den Pager: Es ist keine Meldung der Einsatzzentrale eingegangen. Dann begeben wir uns zu einer unscheinbaren Villa, wie es sie viele am Zürichberg gibt, am Ende einer ruhigen und menschenleeren Quartierstrasse. Ein älterer, schweigsamer Herr, öffnet uns die Türe. Einzelne weitere Männer treffen nach uns ein. Man begrüsst sich mit verhaltener Stimme. Dann steigen wir ins Untergeschoss hinab und treten in die Kapelle des Bildungshauses des Opus Dei ein.

Ein langer Entwicklungsprozess

Daniel Müller ist verheiratet und hat fünf Kinder im Teenageralter. Auf das Opus Dei aufmerksam wurde er durch seinen Bruder Beat, der seit vielen Jahren als Priester im Werk tätig ist. Er sei anfangs eher zurückhaltend gewesen, erklärt Daniel Müller, auf seine Beweggründe angesprochen. "Es war ein längerer Entwicklungsprozess, welcher erst einsetzte, als ich von der Garde wieder in die Schweiz zurückgekehrt war. Zuerst fühlte meine Frau die Berufung, und trat der Personalprälatur bei. Ein Jahr später spürte ich, dass dies auch mein Weg sein soll." Diesen Weg geht er mittlerweile seit 18 Jahren.

Auf der Suche nach Heiligkeit

Die Mitglieder des Opus Dei sind davon überzeugt, dass jede redliche Arbeit geheiligt werden und jede Person Heiligkeit erlangen kann. Darauf richten sie ihr Leben aus. Sie sind bestrebt, ihren christlichen Glauben im ganzen Alltag umzusetzen, insbesondere auch im Arbeitsleben. Das Opus Dei bietet zu diesem Zweck Glaubensbildung und seelsorgliche Betreuung an; nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den diözesanen Einrichtungen. Wird man dabei nicht in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt? Daniel Müller verneint entschieden: Es sei sein eigener Entscheid gewesen, der Personalprälatur beizutreten, und: "Es gibt keine direkte Einflussnahme der Institution Opus Dei auf mein Leben". Natürlich sei es nicht jedermanns Sache, täglich die heilige Messe zu besuchen, den Rosenkranz zu beten – auch zuhause – oder regelmässig zur Beichte zu gehen. Wer dem Opus Dei angehört, verlangt von sich selber Treue zur Lehre der Kirche und zum Papst.

Offen auch für Aussenstehende

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder, Männer und Frauen getrennt, in Zürich zu einem Einkehrabend, der auch Aussen- stehenden offen steht. Heute haben sich zwei Dutzend Männer unterschiedlichen Alters im Bildungshaus in Zürich-Fluntern eingefunden. Unter ihnen, neben Daniel Müller, noch zwei weitere Exgardisten. Als verheirateter Mann gehört Daniel Müller den "Supernumerariern" an. Daneben gibt es die unverheirateten Männer, "Numerarier" genannt, sowie die für die Seelsorge zuständigen Geistlichen. Manche Mitglieder des Werkes in Zürich sind Akademiker: Ärzte, Physiker, Juristen... Unter den Teilnehmern am Einkehrabend finden sich aber auch mehrere Nicht-Akademiker, darunter ein Profi-Fussballtrainer, ein Kaufmann, ein Student und mit Daniel Müller ein Polizist.

Durch Zufall zum Kriminaltechniker

An diesem Abend ist er auf Pikett. Darum wählt Daniel Müller zur geistlichen Betrachtung, welche den Einkehrabend einleitet, einen Fensterplatz und legt diskret den Pager in Sichtweite auf den Sims. Es ist der einzige Ort in der Kapelle, wo er einen allfälligen Notruf empfangen kann. Daniel Müller diente von 1978 bis 1980 in der Päpstlichen Schweizergarde. Der gelernte Maschinenoperateur verrichtete nach der Garde verschiedene Temporär-Jobs und arbeitete während drei Jahren als VBZ-Buschauffeur. 1984 trat er in die Stadtpolizei Zürich ein, wo er nach der Polizeischule zuerst bei der Sicherheits- und später bei der Seepolizei tätig war. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung wechselte er vor zehn Jahren eher zufällig in den Erkennungsdienst, welcher heute Kriminaltechnische Abteilung heisst und ganz der Kantonspolizei Zürich zugeteilt ist. Die Kriminaltechniker sind zuständig für die Suche, Sicherung und Untersuchung von Spuren, welche der Klärung eines Verbrechens oder der Täteridentifizierung dienen.

Arbeitsplatz Tatort

Als Gruppenchef des Kriminaltechnischen Einsatzdienstes rückt Daniel Müller im Kanton Zürich an alle möglichen Tatorte aus, sei es zu Einbrüchen, Brandstiftungen oder gar Sexual- oder Tötungsdelikten. Dort sucht und sichert er Spuren, insbesondere daktyloskopische Spuren (Fingerabdrücke), DNA-Spuren aus Körperflüssigkeiten, Haar oder Hautpartikeln sowie Sachbeweise, bzw. koordiniert die Spurensicherungsarbeiten bei schweren Delikten. Er erstellt Tatortfotos und dokumentiert die Lage der gesicherten Beweismittel. Anschliessend werden diese im Labor untersucht und ausgewertet. In dieser Funktion musste er schon mehrmals im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen vor dem Geschworenengericht im In- und Ausland als Zeuge aussagen. Das klingt alles sehr stark nach C.S.I. (Crime Scene Investigation), wie wir sie aus den amerikanischen Fernsehserien kennen. Daniel Müller schmunzelt: "Die Tatortarbeit und die eingesetzten Mittel werden in diesen TV-Serien zwar erstaunlich realitätsnah gezeigt. An der Klärung eines Kapitalverbrechens ist aber bei uns nicht nur eine Handvoll Polizisten beteiligt. Und in der Realität dauert es wesentlich länger als eine Stunde, bis der Täter ermittelt worden ist – wenigstens in den meisten Fällen." Trotz aller Routine: Die Arbeit an Orten des Verbrechens lässt Daniel Müller auch heute nicht kalt, namentlich wenn Kinder Opfer von Gewalttaten sind, bei besonders grausamen Tötungen oder bei Suiziden. Sein Glaube und seine Familie sind Daniel Müller deshalb eine wichtige Stütze in seinem Beruf und wirken als "geistige Hygiene".

Was wird die Nacht bringen?

Der Einkehrabend endet, nach einem halbstündigen Vortrag eines "Numerariers" über eine der christlichen Tugenden, mit einer schlichten Messefeier. Man verabschiedet sich. Die Jüngeren treffen sich zu einem Umtrunk in der nahen Quartierbeiz. Die lockere Diskussion dreht sich um alle möglichen Themen. Insbesondere scheint der Polizeialltag, den die meisten Leute nur aus den Medien und nur ansatzweise kennen, zu interessieren. Daniel Müller erzählt einige lustige Reminiszenzen. Dann verlässt er bald die Runde und fährt mit seinem Dienstwagen heimwärts. Auf seinem Pager ist es an diesem Abend bislang ruhig geblieben. Doch sein Pikett dauert bis sechs Uhr morgens und der Alltag anderer Leute könnte noch allerlei "Unchristliches" auf Lager haben... 

Bilder: © Kapo Zürich

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„Der Schweizergardist“, Nr. 3/2008