Zwei unterschiedliche Zugänge zum Heiligen Geist präsentiert dieser Betrachtungstext: Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann bestritt den dreifaltigen Gott und neigte sich dem Unitarismus zu, während die aus einfachen Verhältnissen stammende spanische Mystikerin Francisca Javiera del Valle zu tiefen Erkenntnissen über die Trinität gelangt.
Wir machen das Kreuzzeichen und sagen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Mit diesen Worten begann unsere christliche Existenz, als wir getauft wurden. Wahrscheinlich haben die meisten von uns diese Worte nicht bewusst wahrgenommen und haben keine Erinnerung daran, weil wir noch Babys waren. Ein Gebet aus dem 8. Jahrhundert für den Augenblick des Sterbens lautet: Brich auf, christliche Seele, von dieser Welt, im Namen Gottes, des allmächtigen Vaters, der dich erschaffen hat, im Namen Jesu Christi, des Sohnes des lebendigen Gottes, der für dich gelitten hat, im Namen des Heiligen Geistes, der über dich ausgegossen worden ist.
Alles hat in dem Einen und Dreifaltigen Gott seinen Ursprung, nicht nur der Christ. Wir Christen jedoch beginnen unser übernatürliches Leben im Namen des dreifaltigen Gottes und verlassen das irdische Leben in Seinem Namen. Das letzte Ziel des göttlichen Heilsplans ist die Aufnahme der Geschöpfe in die vollständige Vereinigung mit der glückseligen Trinität [Vgl. Joh 17, 21-23]. Aber schon jetzt sind wir dazu berufen, eine Wohnstätte der heiligsten Dreifaltigkeit zu sein. Der Herr sagt: "Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen" (Joh 14,23), lesen wir im Katechismus der Katholischen Kirche.[1]
Wenn der Christ betet, geschieht das in der lebendigen Beziehung des Kindes Gottes zu seinem unendlich guten Vater, zu seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herr und Erlöser und zum Heiligen Geist, dem Band der Liebe, der ungeschaffenen Gabe. Die Gnade des Gottesreiches ist die Vereinigung der ganzen heiligsten Dreifaltigkeit mit dem ganzen Geist des Menschen (Gregor v. Nazianz, or. 16,9). Das Leben des Gebetes besteht somit darin, dass wir immer in Gegenwart des dreimal heiligen Gottes und in Gemeinschaft mit ihm sind. Diese Lebensgemeinschaft ist stets möglich, da wir durch die Taufe mit Christus eins geworden sind. Das Gebet ist christlich, insofern es Gemeinschaft mit Christus ist und sich in der Kirche, dem Leib Christi, ausweitet. Es ist umfassend wie die Liebe Christi.[2] Am pfingstlichen Hochfest wollen wir besonders die betende Verehrung Gottes meditieren.
Wenden wir uns mit einem Gebet der hl. Elisabeth von der Dreifaltigkeit – Papst Franziskus hat sie am 16. Oktober 2016 heiliggesprochen – an den Einen und Dreifaltigen Gott: O mein Gott, Dreifaltiger, den ich anbete, hilf mir, mich ganz zu vergessen, um in dir begründet zu sein, unbewegt und friedvoll, als weilte meine Seele schon in der Ewigkeit. Nichts vermöge meinen Frieden zu stören, mich herauszulocken aus dir, o mein Wandelloser; jeder Augenblick trage mich tiefer hinein in deines Geheimnisses Grund! Stille meine Seele, bilde deinen Himmel aus ihr, deine geliebte Bleibe und den Ort deiner Ruhe. Nie will ich dort dich alleinlassen, sondern als ganze anwesend sein, ganz wach im Glauben, ganz Anbetung, ganz Hingabe an dein erschaffendes Wirken…
Ein weltberühmter Unitarier: Thomas Mann
Wenn sich der eine Gott als Vater und Sohn und Heiliger Geist geoffenbart hat – davon spricht das gesamte Neue Testament fast von der ersten bis zur letzten Seite – dann ist es nicht „egal“, was und wie man glaubt. Jeder Vergleich hinkt und ganz besonders der jetzt folgende, aber wenn es schon zur Freundschaft und Liebe unter Menschen gehört, dass man die geliebte Person immer besser kennenlernt, um wieviel mehr gilt das für die Beziehung des Christen im Glauben an Gott! Versuchen wir das im Rahmen dieses betrachtenden Gebetes zumindest ein bisschen zu vertiefen. Dabei mag uns eine kleine, bescheidene Beobachtung ein wenig weiterhelfen.
Am 6. Juni 2025 wurde der 150. Geburtstag des Literatur-Nobelpreisträgers Thomas Mann gefeiert. Er wird als einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts gehandelt. Eine Hommage jagt die nächste. Lassen wir ihn – im vollen Bewusstsein, dass wir betrachtendes Gebet halten – in einen Wettstreit mit der im Vergleich zu ihm unbekannten spanischen Mystikerin Francisca Javiera del Valle treten. Zwischen beiden Personen liegen Welten: ein weltweit bekannter Literat und eine unbekannte Schneiderin. Die mittellose Analphabetin Francisca Javiera del Valle (1856-1930) verfasste auf geheimnisvolle Weise ein Buch mit dem Titel Decenario al Espíritu Santo (Dezenarium zum Heiligen Geist), das heute als einer der Klassiker der geistlichen Literatur gilt. Thomas Mann bekam den Nobelpreis für die Buddenbrooks.
Beginnen wir mit dem Nobelpreisträger. Theologische Spitzfindigkeiten waren Thomas Manns Sache nicht. Hingegen schätzte er es, wenn sich christliche Gesinnung in soziales Verhalten, in aktive Hilfe für Mitmenschen umsetzte. Seine Abneigung gegenüber allem Dogmatismus war deutlich. 1940 war Thomas Mann nach Kalifornien umgezogen, wo er bis 1952 wohnte. Er nahm Kontakt auf zur First Unitarian Church of Los Angeles und machte die Bekanntschaft mit dem dort amtierenden Pfarrer Caldecott, der ein Vertreter dieser neuen Glaubensrichtung war. Diesem Pfarrer ging es um einen Humanismus, der die Zusammenarbeit von Christen mit Andersgläubigen, vor allem mit Juden, förderte. Thomas Mann erkannte in der Unitarian Church eine religiöse Gemeinschaft, die sich nicht mehr auf dogmatische Fundamente stützte.[3] Davon war er begeistert. Der Name „Unitarier“ leitet sich von Auseinandersetzungen ab, die bereits im sechzehnten Jahrhundert um das Dogma von der Trinität geführt worden waren. „Unitarier“ vertreten einen „Ein-Gott“-Glauben, der die Dreifaltigkeit leugnet. Die Unitarier praktizieren ein angewandtes Christentum – oder man kann auch sagen: einen neuen, religiös imprägnierten Humanismus, der darauf ausgerichtet ist, des Menschen Stand und Zustände auf der Erde zu verbessern.
Was sagen wir dazu? Austausch mit Vertretern anderer Religionen: ein Anliegen auch der katholischen Kirche. Sich um die Verbesserung der Lebensumstände sozial Benachteiligter kümmern: christliche Caritas – vielleicht müssten wir Katholiken uns darum noch mehr bemühen. So weit, so gut. Thomas Mann als aktives Mitglied einer Gemeinde von Unitariern in Los Angeles – das war stimmig. Als aktives Mitglied einer katholischen oder protestantischen Gemeinde in Europa? Undenkbar![4] Thomas Mann veranlasste, dass seine Enkel in dieser religiösen Gruppierung getauft wurden. Die Taufformel der Unitarier: lautet: „Im Namen des einen, wahren Gottes, zur Nachfolge Jesu“ – der Glaube an den Einen und Dreifaltigen Gott, wie Er sich geoffenbart hat, wird geleugnet.
Ein Urteil steht uns nicht zu, denn qui iudicat Dominus est (vgl. 1 Kor 4,4), aber eins steht fest: das Christentum ist keine „Patchwork-Religion“, in der man sich wie in einem Supermarkt aussucht, was einem gefällt, was man für angebracht hält. Das Christentum hat seinen Ursprung in der Selbstoffenbarung des Einen und Dreifaltigen Gottes.
Halten wir ein zweites Mal inne und wenden wir uns an den Einen und Dreifaltigen Gott mit den Worten des Tagesgebets an Pfingstsonntag: Herr, himmlischer Vater, du hast dein Wort und deinen Geist in die Welt gesandt, um das Geheimnis des göttlichen Lebens zu offenbaren. Gib, dass wir im wahren Glauben die Größe der göttlichen Dreifaltigkeit bekennen und die Einheit der drei Personen in ihrem machtvollen Wirken verehren.
Der Gegenentwurf der spanischen Mystikerin aus einfachen Verhältnissen
Nun lassen wir etwas ausführlicher die fast unbekannte spanische Mystikerin zu Wort kommen, indem wir uns ihre Ausführungen in Gebetsform zu eigen machen: Mein Herr, einziger wahrer Gott, dem aller Lobpreis gilt, alle Ehre und Herrlichkeit, die Dir als Gott gebühren in Deinen Drei Göttlichen Personen. Keine von ihnen hatte einen Anfang noch war sie früher als die andere, denn die Drei sind die eine Göttliche Wesenheit. Zuinnerst gehören sie Deiner Natur, und sie sind es, die Deiner Größe und Hoheit Ehre, Ruhm und Lobpreis erweisen, wie sie Dir als Gott gebühren, denn außer Dir gibt es weder Ehre noch Ruhm, die Deiner würdig wären. Unermessliche Größe, sag mir, warum hast Du gestattet, dass die drei Personen in Dir Deinen Gläubigen nicht in gleicher Weise bekannt sind? Die Person des Vaters ist bekannt; die Person des Sohnes ist bekannt; unbekannt ist nur die dritte Person: der Heilige Geist.
0 Göttliche Wesenheit! Du gabst uns einen Schöpfer und einen Erlöser, und zwar ohne Grenze und Maß. Gib uns auch im selben Überfluss den, der uns heiligen und zu Dir führen soll. Gib uns Deinen Göttlichen Geist, damit er das Werk vollende, das der Vater begonnen und der Sohn weitergeführt hat. Denn wer dazu bestimmt ist, das Werk abzuschließen und zu vollenden, ist Dein Heiliger und Göttlicher Geist. Sende ihn von Neuem in die Welt, denn die Welt kennt ihn nicht. Denn Du, mein Gott und mein Alles, weißt, dass wir Dich ohne ihn niemals besitzen können. Mit ihm aber, davon bin ich überzeugt, werden wir Dich durch die Liebe besitzen in diesem Leben und Dich wahrhaft zu Besitz haben in alle Ewigkeit.[5]
Ein beeindruckendes Gebetszeugnis des christlichen Glaubens, dass es nur einen wahren Gott gibt und dass dieser Gott weder Anfang noch Ende hat. Obwohl er ein einziger Gott ist, sind es drei verschiedene Personen, die wir Vater, Sohn und Heiliger Geist nennen, und die Drei sind ein einziger Gott, denn die Drei sind das Göttliche Wesen selbst. Diese Göttliche Wesenheit hat verschiedene Attribute, die wir in aller Kürze erwähnen wollen. Weil die göttliche Wesenheit ein einziger Gott ist, auch wenn es in ihr drei Personen gibt, genießen und haben die Drei dieselbe Weisheit, dieselbe Güte, dieselbe Liebe, dieselbe Barmherzigkeit, dieselbe Macht und dieselbe Gerechtigkeit.
Die drei Personen haben diese göttlichen Attribute jedoch so, als hätten sie diese unter sich aufgeteilt. Der Vater hat, gleichsam als ihm eigen und ihm gehörig, die Macht und die Gerechtigkeit, der Sohn die Weisheit und die Barmherzigkeit, und der Heilige Geist, der aus den beiden hervorgeht, die Liebe und die Güte. Dieser dreimal heilige Gott ist seiner Natur nach die Quelle allen Glücks und allen Vermögens, allen Segens und aller Größe, aller Macht und Herrlichkeit, denn er ist einzig und ohne Anfang.
Wenden wir uns in einem letzten Moment des Gebetes an den dreifaltigen Gott: Alles, was es im Himmel und auf Erden gibt, alles..., alles... hängt von Deinem Willen ab. Und wenn Du wolltest, würde der Himmel und alles, was in ihm ist, die Erde und alle ihre Bewohner in einem Nu ins Nichts zurücksinken, aus dem Du sie hervorgeholt hast; und dabei würdest Du in derselben Größe und Macht, in demselben Glück und derselben Schönheit verbleiben. Denn außerhalb von Dir kann nichts..., nichts..., das existiert, auch nur im Geringsten Deine Größe vermehren.[6]
Manns Buddenbrooks und Franciscas Dezenarium – zwei im wahrsten Sinne des Wortes unvergleichliche Werke. Es ist gut, kulturell gebildet zu sein, doch alle Literatur vergeht. Halten wir uns an den, der gesagt hat: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.(Mt 24,35) Beten wir, dass alle, alle zum Glauben an Allerheiligste Dreifaltigkeit kommen.
[1] Vgl. KKK 260
[2] Vgl. KKK 2565
[3] Vgl. Paul Michael Lützeler, Unitarismus - die geheime Religion des Thomas Mann
[4] Karl-Josef Kuschel, Ein religiös imprägnierter Humanismus Thomas Manns amerikanische Religion
[5] Vgl. Francisca Javiera del Valle, Dezenarium zum Heiligen Geist
[6] Vgl. ebd.