Die eigene Not an das Kreuz Christi heften

Zum Paulusjahr, 3. Monat, ein Kommentar zu Kol 1,24

Paulus schreibt an die Kolosser: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (1,24). 

Ein rätselhaftes Wort, dieses „Ergänzen“. Hat Jesus den Kelch denn nicht bis zur Neige getrunken? Was fehlt also „noch“ an Jesu Leiden, das nun Sache des Paulus sein soll? – Das zweimalige „Für“ erhellt den Zusammenhang ein wenig, denn darin klingt das „Für euch“ des Herrn im Abendmahlssaal nach. Jesus hat für uns alles durchlitten, dennoch konnte er Eines nicht: Er musste es der Freiheit jedes einzelnen überlassen, das eigene Ja zum eigenen Kreuz zu sagen, die eigene Not an das Kreuz Christi zu heften, das für alle Zeiten aufgerichtet ist. 

Natürlich freut sich der Apostel nicht über das Leiden schlechthin. Aber darüber darf er sich freuen, dass sein Leid wirklich für andere fruchtbar sein kann. Da spürt er, wie wichtig ihm jene sind, die er für den Glauben gewonnen hat. Auch dies ist seine Freude in den Leiden. 

Vielleicht haben wir mitten in großem Leid einmal ähnlich empfunden – etwa beim Tod eines geliebten Menschen – und haben die freudige Entdeckung gemacht, dass wir viel gelitten und geweint haben, weil unsere Liebe groß war. Es wäre uns dann als Verrat an dieser Liebe vorgekommen, hätten wir gesagt: Herr, erspare mir dieses Leid. In solcher Lage können wir vielmehr dankbar sein für unser Leid, für unsere Erschütterung, für die vielen Tränen. Wir staunen dann vielleicht, dass wir doch stark sind, und ahnen: Dies hat mit der Nähe zum erlösenden Kreuz zu tun.

von Josef Arquer