Betrachtungstext: Osteroktav – Freitag

Jesus überrascht seine Jünger vom Ufer her – Johannes und Petrus erkennen den auferstandenen Herrn – Wir alle sind aufgerufen, unsere Netze auszuwerfen

NACH DEN ersten Erscheinungen des Herrn in Jerusalem machten sich die Apostel auf den Weg in ihre Heimat. Denn die Frauen hatten ihnen die Botschaft des auferstandenen Christus überbracht: Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen und dort werden sie mich sehen (Mt 28,10). In Kafarnaum, wo das Abenteuer ihrer Berufung begonnen hatte, wollte der Herr sie nun erneut um sich versammeln.

An einem dieser Tage fuhren mehrere Jünger zusammen mit Petrus und Johannes zum Fischfang hinaus auf den See von Tiberias. Wie so oft beschlossen sie bei Morgengrauen, trotz leerer Netze an Land zurückzukehren – nach einer Nacht vergeblicher Mühe. Als sie sich anschickten, anzulegen, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war (Joh 21,4). Papst Benedikt kommentierte dazu: Während alles zu Ende zu sein schien, ist es erneut, wie auf der Straße nach Emmaus, Jesus, der seinen Freunden entgegengeht. Diesmal begegnet er ihnen am See, an dem Ort, der an die Schwierigkeiten und Sorgen des Lebens erinnert.“1

Die Jünger, die den Herrn nicht erkannten, hörten nur einen Fremden vom Ufer aus eine Bitte an sie richten: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? (Joh 21,5). „Was für eine zutiefst menschliche Szene!“, kommentierte der heilige Josefmaria die Begebenheit. „Gott, der seine Geschöpfe bittet, ihm etwas zu essen zu geben. Gott, der uns braucht. Wie schön, wie wunderbar ist diese Größe Gottes! Keiner von uns wird benötigt (...) und doch sage ich euch zugleich, dass Gott uns braucht, dich und mich.“2 

Die Fischer, erschöpft von der durchwachten Nacht und frustriert von der erfolglosen Plackerei, antworten dem Unbekannten abschlägig, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Da rief er ihnen zu, um ihre ermüdeten Augen zu öffnen und ihre verschlafenen Herzen zu
tieferem Nachdenken zu bewegen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden (Joh 21,6). In ihrer Einfachheit und Demut öffneten sie sich diesen Worten – und ließen so die Macht des Herrn in ihr Leben eintreten. Eine Macht, die ihre Erwartungen weit übertraf.


SIE HÖRTEN also auf den Fremden und warfen ihre Netze auf der rechten Seite des Bootes aus. Sofort spürten sie das Gewicht des Fangs, konnten das Netz aber nicht wieder einholen, so voller Fische war es (Joh 21,6). Im Herzen des Johannes – des Jüngers, den Jesus liebte – erwachte eine große Hoffnung. Vielleicht erinnerte er sich an den Tag, an dem Jesus ihn erwählt hatte, in genau dieser Umgebung und nach einer Nacht wie der heutigen. Als er begriff, wer das Wunder gewirkt hatte, sagte er zu Petrus: Es ist der Herr! (Joh 21,7)

„Die Reinheit und Hingabe dieses Mannes, der nie wankte und sich von Jugend an Gott ganz hingegeben hat, ermöglichen es ihm, den Herrn zu erkennen“, kommentierte der heilige Josefmaria die Szene. Um die Zeichen Gottes zu erkennen, braucht es ein offenes Herz. „Gewiss hat Gott sich auch bei Sündern wie Saul oder Bileam Gehör verschafft. Doch im Normalfall möchte Gott, dass wir diese Fähigkeit durch Liebe und Hingabe entwickeln.3

Auf den Hinweis des Johannes hin sprang Simon Petrus sofort in den See, um Jesus so schnell wie möglich zu erreichen. „Petrus ist der Glaube. Mit bewundernswertem Wagemut stürzt er sich ins Wasser. Mit der Liebe des Johannes und mit dem Glauben des Petrus – wie weit werden wir kommen?“4 Der Herr freut sich über die feinfühlige Liebe des Johannes, der das Wunder erkennt, ebenso wie über den ungestümen Glauben des Petrus, der so schnell wie möglich ans Ufer gelangen will. Wie diese beiden Apostel braucht der Herr auch uns, um die Herzen der Menschen zu erreichen, jeden mit seinem Charakter, ohne unsere Fehler zu verurteilen. Diese lasten oft schwer auf uns, und wir ertragen sie in der Meinung, dass sie den Wünschen des Herrn im Weg stehen. Doch gerade sie bieten Gott die Gelegenheit, seine Wunder frei und bedingungslos zu wirken. Er tadelt uns nicht dafür; in seiner Liebe nimmt er uns so an, wie wir sind, erneuert uns und macht uns fähig zu unserer Sendung.


DER FISCHFANG an diesem Morgen war überreich und von bester Qualität. Der Herr bat die Apostel, ihm einige Fische zu bringen. Petrus, ganz der erfahrene Fischer, zog das Netz an Land – ganz in der Nähe des Herrn. So groß war ihre Begeisterung, dass sie nach dem Frühstück jeden einzelnen Fisch zählten: Es waren hundertdreiundfünfzig große Fische (Joh 21,11). Die Großzügigkeit des Herrn kennt kein Maß. Sie hatten es bereits in Kana oder bei der Vermehrung der Brote und Fische erfahren, und nun erlebten sie es erneut: Der Herr setzt keine Grenzen. Daran erinnert Paulus die Christen in Rom, wenn er schreibt: Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Röm 8,32).

Werft das Netz (...) aus und ihr werdet etwas finden (Joh 21,6). Der Fischfang Christi braucht „Menschenfischer“, die bereit sind, auch nachts hinauszufahren; die mehr auf Jesus vertrauen als auf ihren Einsatz und ihre Erfahrung; die im Dienst des Evangeliums arbeiten in der Gewissheit, dass sie von ihm gesandt sind. Doch der Ertrag kommt, wann und wie Gott will. „Gott weiß in den geheimnisvollen Plänen seiner Weisheit, wann es Zeit ist einzugreifen“, sagte Papst Benedikt in einer Homilie. „Wie die fügsame Zustimmung zum Wort des Herrn bewirkt hat, dass sich das Netz der Jünger füllte, so vermag der Geist des Herrn zu allen Zeiten – auch in der unsrigen – die Sendung der Kirche in der Welt wirksam zu machen.“5

Während sie die Brote und Fische aßen, die Jesus zubereitet hatte, wagten die Jünger nicht zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war (Joh 21,12). Auch viele Menschen um uns herum fragen, erfüllt von einem tiefen Durst nach Gott in ihrem Herzen: „Wer bist du, Jesus? Ein guter Mensch, ein Lehrer, der der Menschheit wertvolle Lektionen in Menschlichkeit erteilte? Bist du nur das, oder bist du in Wirklichkeit der Sohn des lebendigen Gottes?“6 Wir sind seine Jünger, bereit, alle Meere zu durchqueren. Mit der Hilfe Mariens, der Königin der Apostel, werden wir die Fische fangen, die Gott will – im Dienst an der Kirche und für das Heil vieler Seelen.


1 Benedikt XVI., Predigt, 21.4.2007.

2 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 25.6.1958.

3 Ebd.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 266.

5 Benedikt XVI., Predigt, 21.4.2007.

6 Franziskus, Predigt, 14.4.2013.