ES WAR vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung (Joh 13,1). Die Worte des Evangelisten deuten an: Heute wird Großes geschehen. Und der heilige Josefmaria empfiehlt: „Bitten wir schon jetzt den Heiligen Geist, dass er uns kein Wort und keine Geste Jesu Christi übersehen lasse.“1 Eine dieser Gesten, die uns die aufmerksamen Berichterstatter überliefert haben, ist die Fußwaschung der Jünger.
Beim letzten Abendmahl, am Vorabend des Leidens des Herrn, herrschte eine besondere Atmosphäre. Der Herr war gesammelt, erschüttert, voller Liebe, die Apostel besorgt, verunsichert, ratlos. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war (Joh 12,3-5). Auf die Apostel muss es einen immensen Eindruck gemacht haben, zu sehen, wie Jesus die Arbeit tat, die dem Hausdiener vorbehalten war. Vielleicht haben sie die symbolträchtige Geste und den Auftrag, es genauso zu tun, auch erst mit der Zeit verstanden.
Uns von Christus die Füße waschen zu lassen, heißt auch, anzuerkennen, dass wir uns nicht selbst reinigen oder heiligen können. Daher müssen wir zulassen, dass der Herr unser Diener ist, der uns wäscht, wachsen lässt und uns vergibt, um in das Himmelreich gelangen.2 Papst Franziskus erläutert: „Wir denken im Allgemeinen, dass wir es sind, die Gott dienen. Aber nein, er ist es, der uns unentgeltlich gedient hat, weil er uns zuerst geliebt hat.“ Und es kann nicht anders sein, denn: „Es ist schwierig zu lieben, wenn man selbst keine Liebe erfährt. Und noch schwieriger ist es zu dienen, wenn wir uns nicht von Gott bedienen lassen.“3 Gott ist es, der uns zuvorkommt, der uns zuvorkommen muss – sonst fehlt uns die Kraft; er ist es, der die Initiative ergreift, ergreifen muss – sonst sind wir zu schwach. Daher ist es so wichtig, dass wir vor Beginn jeder apostolischen Aufgabe lernen zu empfangen, was Gott uns geben will, einmal und immer wieder.
IMMER WERDEN wir die Geste Jesu bewundern, mit der er seinen Aposteln die Füße wäscht. Doch wahrhaft unendliche Höhen erreichen seine Liebe und seine Demut beim Abendmahl, als er Brot nahm, das Dankgebet sprach, das Brot brach und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! (1 Kor 11,23-25)
Der Herr, so schrieb der heilige Thomas von Aquin, „hat dieses Sakrament eingesetzt als immer währendes Gedächtnis an sein Leiden, als Erfüllung der Bilder im Alten Testament, als größtes Wunder, das er vollbracht hat, und als einzigartigen Trost für diejenigen, die er nach seinem Scheiden betrübt zurücklassen würde“4. Der Herr schenkt sich uns selbst. Mit der Verwandlung von Brot und Wein in sein Fleisch und Blut ermöglicht er uns, mit ihm eins zu werden, mit ihm zu verschmelzen, in Gott aufzugehen. „Als ob all die vielen Erweise seines Erbarmens nicht genügten“, schrieb der heilige Josefmaria, „setzt unser Herr Jesus Christus die Eucharistie ein, damit wir ihn immer in unserer Nähe haben können und (...) weil er, dem es an nichts mangelt, aus reiner Liebe sich nicht von uns trennen möchte. Die Dreifaltigkeit ist dem Menschen innig zugetan.“5
Die Eucharistie – so schreibt ein Kirchenvater – „ist das Mittel der Unsterblichkeit, das Gegenmittel gegen den Tod, das Mittel, um für immer in Jesus Christus zu leben“6. So viel Fürsorge, Zuneigung und Aufmerksamkeit haben wir nicht verdient. Tatsächlich. Papst Benedikt betont: „Christentum ist zuallererst Geschenk: Gott gibt sich uns – nicht etwas gibt er uns, sondern sich selbst. (...) Gott bleibt immerfort der Schenkende. Er beschenkt uns immer wieder. Er ist uns immer voraus. Deshalb ist der zentrale Akt des Christseins Eucharistie: Dankbarkeit für das Beschenktsein und Freude über das neue Leben, das er uns gibt.“7
IN DEN WORTEN des Priesters vor der Wandlung – er nahm das Brot, (...) sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach ... – erkennen wir die Herzenshaltung Jesu gegenüber seinem Vater: seine Dankbarkeit. Die Dankbarkeit – Eucharistie heißt Danksagung – macht es auch uns möglich, großzügig zu sein, um das neue Leben, das wir empfangen haben, wirksam werden zu lassen – indem wir die lieben, die er liebt, auf die Weise, wie er liebt: Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben (Joh 13,34). Durch Christus, mit ihm und in ihm wird der Christ fähig, bis zum Äußersten zu lieben – sich wie Jesus vor den Menschen niederzuknien, um ihnen die Füße zu waschen, ihre Armseligkeiten zu verstehen und auf seine Schultern zu nehmen.
Das II. Vatikanische Konzil bezeugt: „Die Heiligste Eucharistie enthält das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben.“8 Die Eucharistie kann uns verwandeln. Urteil, Neid und Vergleich weichen der Fürbitte, der Freude und der Dankbarkeit für das Wunderbare, das Gott in den anderen wirkt.
Am heutigen Hohen Donnerstag betet die Kirche auch für die Heiligkeit der Priester, damit sie ihr Tag für Tag mit der gleichen Liebe dienen wie der Herr. Mit unserem Gebet können wir ihnen helfen, ihren priesterlichen Wunsch zu verwirklichen, den Benedikt XVI. stellvertretend in Worte fasst: „Dass nicht wir entscheiden, was wir tun sollen, sondern Diener Christi in der Kirche sind und so arbeiten, wie es uns die Kirche sagt, wohin uns die Kirche ruft, und eben versuchen, genauso zu sein: Diener, die nicht ihren eigenen Willen tun, sondern den Willen des Herrn. In der Kirche sind wir wirklich Gesandte des Herrn und Diener des Evangeliums.“9 Zu Maria, der Hauptzeugin des Opfers Christi, gehen wir, um mit ihrer Hilfe ein Leben in demütiger Dankbarkeit zu führen – für all die Gaben, die wir empfangen haben.
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 83.
2 Vgl. Franziskus, Predigt zum Gründonnerstag, 9.4.2020.
3 Franziskus, Predigt, 5.4.2020.
4 Hl. Thomas von Aquin, Opuscula 57, Zum Fest des Leibes Christi, lect. 1-4: „hoc sacramentum instituit tamquam passionis suae memoriale perenne, figurarum veterum impletivum, miraculorum ab ipso factorum maximum et de sua contristatis absentia solatium singulare reliquit.“
5 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 84.
6 Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Epheser, 90.
7 Benedikt XVI., Predigt, 20.3.2008.
8 Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 5.
9 Benedikt XVI., Lectio Divina, 10.3.2011.