Betrachtungstext: 27. Woche im Jahreskreis – Sonntag (B)

Die Erwachsenenlogik hinter uns lassen – Das Eheleben lässt sich nicht improvisieren – Christus trägt die Eheleute

AM ENDE des heutigen Evangeliums erleben wir Jesus ungewöhnlich verärgert (vgl. Mk 10,14). Doch dieses Mal sind es nicht die argwöhnischen Pharisäer, die ihm zusetzen, auch nicht die abweisenden Bewohner einer Stadt, sondern seine eigenen Jünger. In ihrer Absicht, Jesus zu schützen, wiesen sie diejenigen zurecht, die Kinder zu ihm brachten, damit er sie segne. Sie hielten es vermutlich für unangemessen, den Meister mit etwas so „Unbedeutendem“ zu belästigen. Wären es Kranke oder wichtige Persönlichkeiten gewesen, hätten sie wahrscheinlich kein Problem damit gehabt. Aber wozu Jesus mit Kindern stören? Markus berichtet, dass Christus über diese Haltung der Jünger unwillig wurde (Mk 10,14) und erklärte: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Mk 10,14-15).

Jesus nutzt den Moment, um eine wichtige und wohl auch überraschende Botschaft zu vermitteln: Wir sollten nicht nur zulassen, dass die Kinder sich ihm näherten, sondern auch noch verstehen, dass es notwendig ist, von ihnen zu lernen, um das Reich Gottes zu empfangen – eine Aussage, die unserer üblichen Logik widerspricht. Denn der Mensch strebt normalerweise danach, die Weisheit und Unabhängigkeit von Erwachsenen zu erlangen und sich von der Unbildung und Abhängigkeit der Kindheit verabschieden. Jesus aber sagt, wir müssten wieder wie Kinder werden, um gerettet zu werden.

Ein herausragendes Merkmal vor allem kleiner Kinder ist ihre Fähigkeit, Schwäche einzugestehen. Wenn sie Angst haben oder in Not sind, wenden sie sich ohne Zögern an ihre Eltern. In ihrer Nähe finden sie Trost und Freude. Papst Franziskus erklärt: „Wir wachsen innerlich nicht so sehr dank der Erfolge und Dinge, die wir besitzen, sondern vor allem in Momenten des Kampfes und der Schwäche. Wir reifen in der Not. In solchen Zeiten öffnen wir unser Herz für Gott, für die anderen, für den tieferen Sinn des Lebens. Wenn wir uns klein fühlen angesichts eines Problems, eines Kreuzes oder einer Krankheit, wenn wir Erschöpfung und Einsamkeit empfinden, verlieren wir also nicht den Mut. Wenn die Masken des oberflächlichen Glücks fallen und unsere profunde Schwäche zum Vorschein tritt, ist das unser Schatz, denn bei Gott sind die Schwächen keine Hindernisse, sondern Chancen.“1 Der Papst empfiehlt in solchen Momenten ein Gebet, das etwa so lauten könnte: „Herr, schau auf meine Schwächen...“, um sie ihm dann vertrauensvoll aufzuzählen.


IN DER ERSTEN Lesung sehen wir Gott, der sich aufmacht, die tiefen Sehnsüchte des Menschen zu stillen. Er hat erkannt, dass dem Menschen die Gemeinschaft mit den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels nicht ausreicht, um seine Einsamkeit zu überwinden. Nur mit einem anderen Menschen, der Fleisch von seinem Fleisch ist, kann er eine Beziehung eingehen, die der Tiefe und Weite seines Herzens entspricht. Deshalb erschafft Gott die Frau, damit der Mann mit ihr ein Fleisch (Gen 2,24) werde.

Im Evangelium verteidigt Jesus gegenüber den Pharisäern die Ehe und den göttlichen Plan für sie. Er betont: Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen (Mk 10,9). Da die Ehe eine lebenslange Verpflichtung darstellt, ist es wichtig, sich gut und schon früh darauf vorzubereiten. Der heilige Josefmaria sagte etwa: „Die Brautzeit soll eine Gelegenheit sein, die Zuneigung und gegenseitige Kenntnis zu vertiefen. Und wie jede Schule der Liebe sollte sie nicht von Besitzgier, sondern von einem Geist der Hingabe, des Verständnisses, der gegenseitigen Achtung und des Feingefühls durchdrungen sein.“2

Das Eheleben lässt sich nicht improvisieren. In gewisser Weise spiegelt die Art und Weise, wie wir andere lieben – sei es in der Familie, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz – auch unsere zukünftige Beziehung zum Ehepartner wider. Daher ist das Bemühen, schon jetzt in unseren Beziehungen Liebe, Verständnis und Respekt zu leben, eine wertvolle Vorbereitung auf die Ehe. Der Prälat des Opus Dei betont: „Damit sich die anderen angenommen und glücklich fühlen können, ist es wichtig, an Liebenswürdigkeit, Freude, Geduld, Optimismus, Feingefühl und all jenen Tugenden zuzulegen, die das Zusammenleben liebenswert machen.“3


„IM URSPRÜNGLICHEN Plan des Schöpfers“, so sagte Papst Franziskus, „ist es nicht vorgesehen, dass ein Mann eine Frau heiratet und sie abweist, wenn es Schwierigkeiten gibt. Nein. Vielmehr sind Mann und Frau dazu berufen, einander anzuerkennen, zu ergänzen und in der Ehe zu unterstützen.“ Diese Lehre Jesu ist klar und schützt die Würde der Ehe als eine Verbindung der Liebe, die Treue verlangt. Was verheiratete Paare befähigt, in der Ehe vereint zu bleiben, ist die gegenseitige Hingabe, die von der Gnade getragen wird.4

Die Ehe ist nicht bloß ein menschliches Projekt, sondern eine von Gott gegebene Berufung. Deshalb verlassen sich Ehepaare nicht nur auf ihre eigene Kraft, sondern auch auf die Gnade, die ihnen im Sakrament der Ehe geschenkt wird. Diese Gnade vervollkommnet ihre Liebe und stärkt ihre unauflösliche Einheit. Jesus selbst, die Quelle dieser Gnade, kommt ihnen entgegen und begleitet sie. Der Katechismus der Katholischen Kirche betont: „Jesus bleibt bei ihnen und gibt ihnen die Kraft, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm so nachzufolgen, aufzustehen, nachdem sie gefallen sind, einander zu vergeben, die Last des andern zu tragen, sich einander unterzuordnen in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus (Eph 5,21) und in zarter, fruchtbarer übernatürlicher Liebe einander zu lieben. In den Freuden ihrer Liebe und ihres Familienlebens gibt er ihnen schon hier einen Vorgeschmack des Hochzeitsmahles des Lammes.“5

In schwierigen Zeiten ist daher „die Begegnung mit dem lebendigen Christus, dem Herrn des Bundes, eine unverzichtbare Quelle der Kraft und der Erneuerung“6, wie Papst Johannes Paul II. betonte. Die Teilnahme an der Eucharistie, das Beten des Rosenkranzes und das gemeinsame Gebet sind Mittel, die helfen können, Spannungen zu überwinden. Derselbe Papst versprach: „Die Familie, die gemeinsam betet, bleibt vereint.“7 Wie der heilige Josefmaria sagte, können Schwierigkeiten, die gemeinsam und im Licht des Glaubens bewältigt werden, die wahre Liebe nicht ersticken, sondern sogar noch vertiefen: „Das großzügige gemeinsam getragene Opfer verbindet noch mehr.“8 Zum Abschluss dieser Gebetszeit können wir uns an die Jungfrau Maria wenden und sie bitten, dass die christlichen Familien zu „Säulen des Friedens und der Freude“ werden, „die Jesus in die Welt gebracht hat“9.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 3.10.2021.

2 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 105.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 1.11.2019, Nr. 9.

4 Vgl. Franziskus, Angelus-Gebet, 7.10.2018.

5 Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1642.

6 Hl. Johannes Paul II., Ansprache, 18.10.2022.

7 Hl. Johannes Paul II., Rosarium Virginis Mariae, Nr. 41.

8 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 91.

9 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 30.