Betrachtungstext: 12. Woche im Jahreskreis – Freitag

Die Bitte des Aussätzigen – Jesus berührt unsere Wunde – Die Einsamkeit des Aussätzigen

EINE große Menschenmenge folgte Jesus. Als sie den Berg hinunterstiegen, trat ein Aussätziger an Jesus heran, warf sich vor ihm nieder und sagte zu ihm: Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen (Mt 8,2). Wir können uns die Lage dieses Mannes vorstellen. Seine Krankheit hatte nicht nur seinen Leib verunstaltet, sondern ihn auch von seinem sozialen Umfeld getrennt: Er musste den Kontakt zu anderen Menschen meiden. Er war sich dessen bewusst, was er riskierte, wenn er sich nun Jesus und der Menschenmenge um ihn herum näherte: Er konnte jederzeit gesteinigt werden. Doch er setzte seine Hoffnung auf den Meister, von dem er gehört hatte, dass er alle möglichen Heilungen vollbringt.

Der Aussätzige hätte sich einfach verzweifelt an Jesus wenden und ein Wunder erflehen können, wodurch sein riskanter Schritt, sich ihm in den Weg zu stellen, gerechtfertigt gewesen wäre. Umso überraschender ist die Haltung, mit der er sich tatsächlich an den Herrn wendet: Wenn du willst, kannst du mich rein machen. Was uns diese seine Bitte lehrt, erklärt Papst Franziskus: „Wenn wir zu Jesus gehen, ist es nicht notwendig, lange Reden zu halten. Es genügen wenige Worte, wenn sie nur vom vollen Vertrauen auf seine Allmacht und seine Güte begleitet sind.“1 Der Aussätzige trägt dem Herrn seine Bitte nicht fordernd vor, sondern überlässt sich zugleich den Händen Gottes: Was immer sein Wille ist, er wird ihn annehmen. Bitten wir den Herrn, uns zu helfen, unsere Anliegen mit der gleichen Bereitschaft vorzubringen wie dieser Mann, im Wissen, dass Gott besser als jeder andere weiß, was wir brauchen.


JESUS scheut den Kontakt mit dem ansteckenden Kranken nicht. Er kümmert sich nicht nur aus der Ferne um ihn, sondern geht auf ihn zu, berührt ihn und sagt zu ihm: Ich will – werde rein! (Mt 8,3). „In jener Geste und in jenen Worten Christi ist die ganze Heilsgeschichte gegenwärtig“, sagte Papst Benedikt, „es ist darin der Wille Gottes verkörpert, uns zu heilen und uns vom Bösen zu reinigen, das uns entstellt und unsere Beziehungen zugrunde richtet.“2 Als die Hand Jesu mit dem Aussätzigen in Berührung kommt, verschwindet jede Schranke zwischen Gott und den Menschen. Papst Franziskus merkt an: „Jesus setzt sich selbst direkt der Ansteckung durch unsere Krankheit aus. Und so wird gerade unsere Krankheit zum Ort der Begegnung.“3 Durch unsere Wunde tritt der Herr in uns ein und heilt uns.

Oft kann es uns wie dem Aussätzigen gehen: Wir fühlen uns wegen unserer Fehler wie befleckt, unfähig, aus eigener Kraft weiterzumachen. Dann ist der Moment gekommen, uns mit dem Glauben und der Aufrichtigkeit dieses Mannes dem Herrn zu nähern. Im Sakrament der Versöhnung berührt Jesus unsere Wunden und erneuert so die Gemeinschaft, die uns mit ihm verbindet. Und die Sünden, die wir begangen haben, werden gereinigt, wenn wir sie in Demut bekennen. Der heilige Josefmaria riet: „Bist du, mein Kind, zu Fall gekommen, dann geh schnell zur Beichte und zur geistlichen Aussprache: Zeige deine Wunde! Vielleicht ist ein chirurgischer Eingriff nötig, der weh tut – aber nur so kann man sie heilen und die Gefahr einer Infektion abwenden.“4


DER AUSSÄTZIGE wurde von seiner Krankheit geheilt, als Jesus seine Hand nach ihm ausstreckte. Dann bat der Herr ihn, noch etwas zu tun: Zeig dich dem Priester und bring das Opfer dar, das Mose angeordnet hat – ihnen zum Zeugnis! (Mt 8,4). Die Heilung musste von den jüdischen Behörden bestätigt werden, damit der Mann in sein soziales Umfeld zurückkehren konnte. Jesus stellte somit nicht nur seine körperliche Gesundheit wieder her, sondern kümmerte sich auch noch um etwas anderes von großer Bedeutung: um seine Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. In all den Jahren hatte der Aussätzige nicht nur unter den Schmerzen und Beschwerden seiner Krankheit gelitten, sondern wahrscheinlich sogar noch mehr unter der Einsamkeit und Absonderung von seinen Angehörigen und Freunden. Doch nun bereitet der Herr seiner seelischen Entwurzelung ein Ende.

In unserem Alltag begegnen wir gelegentlich Menschen, die wie der Aussätzige ausgegrenzt sind oder sich ausgegrenzt fühlen, aus manchmal subtilen Motiven, die die Person treffen und ihren Lebensraum begrenzen. Manchmal ist diese Ausgrenzung durch Armut, Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit bedingt. Oft zeigt sich, dass diese Menschen vor allem einen mitfühlenden Blick brauchen; jemanden, der ihnen nicht nur materielle Hilfe anbietet, sondern ihnen Zuneigung, Interesse und Zeit schenkt. Sie brauchen jemanden, der wie Christus die Hand nach ihnen ausstreckt, um sie zu berühren und sie daran zu erinnern, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind, mit der sie ihr Leben teilen können, wo sie Menschen finden, die sich darum kümmern, dass es ihnen gut geht und sie sich geliebt fühlen. „Wäre ich aussätzig“, sagte der heilige Josefmaria, „würde mich meine Mutter dennoch umarmen und küssen, ohne Angst, ohne Sorge ...“5 Bitten wir Maria, uns dieses Mitgefühl zu schenken, das uns die „Aussätzigen", die sich in unserem Leben zeigen, mit offenem Herzen aufnehmen lässt.


1 Franziskus, Audienz, 22.6.2016.

2 Benedikt XVI., Angelusgebet, 12.2.2012.

3 Franziskus, Angelusgebet, 15.2.2015.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 192.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 190.