Betrachtungstext: 10. Woche im Jahreskreis – Samstag

Der Name Gottes ist heilig – Die Wahrheit zeigt sich in unseren Beziehungen – Aufrichtigkeit im Leben

IN DER BERGPREDIGT, die wir in diesen Tagen hören, legt Jesus das Gesetz, das Israel von Gott erhalten hatte, neu aus. Er betont seinen bleibenden Wert, fordert aber auch, es mit einem neuen Geist zu leben – einem Geist der Liebe. Papst Johannes Paul II. sprach von „Kontinuität und Überwindung“: „Das Gesetz wird verwandelt und vertieft als Gesetz der Liebe, das einzige, das dem väterlichen Angesicht Gottes entspricht.“1. Es wird von einem äußeren zu einem „inneren Gesetz des Menschen, in dem der Heilige Geist wirkt (...) und zum Meister und Führer des Menschen wird“2.

Anhand des zweiten Gebots, das vorschreibt, „den Namen des Herrn zu achten“3, zeigt Jesus den neuen Stil auf: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören(...). Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs! Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen (Mt 5,33-36). In der jüdischen Gesellschaft wurde oft geschworen, manchmal auch falsch (vgl. Mt 23,16-22); der göttliche Name wurde allerdings vermieden, da er heilig und unaussprechlich war. So wurde auf andere Gegenstände geschworen.

Jesus lehrt, dass jeder Schwur den heiligen Namen des Herrn gefährdet. Deshalb sollen wir nicht beliebig darauf zurückgreifen. Der Katechismus der Katholischen Kirche betont, dass „Gottes Gegenwart und seine Wahrheit in jedem Wort in Ehren zu halten sind. Sich beim Sprechen nur mit Bedacht des Wortes ,Gott‘ zu bedienen, entspricht der ehrfürchtigen Achtung vor seiner Gegenwart.“4 Der Herr hat uns als seinen Jüngern seinen Namen anvertraut und somit sein persönliches Geheimnis offenbart. „Diese Preisgabe des Namens ist ein Zeichen des Vertrauens und der Freundschaft. (…) Darum darf der Mensch (…) ihn nur gebrauchen, um Gott zu preisen, zu loben und zu verherrlichen.“5 Gottes Name ist immer groß, er wird aber nicht überall gleich verehrt. Der heilige Augustinus sagte daher, dass der Name Gottes groß ist, „wo er so genannt wird, wie es der Herrlichkeit seiner Majestät entspricht. Und gleichermaßen ist sein Name heilig, wo er mit Verehrung und Furcht, ihn zu beleidigen, ausgesprochen wird.“6


SCHWÖREN bedeutet, Gott als Zeugen für etwas heranzuziehen und seine Wahrhaftigkeit als Garantie für die Wahrheit der eigenen Aussage zu nutzen. Jesus lehnt die Notwendigkeit eines Schwurs als Wahrheitsgarantie jedoch entschieden ab. Wahrheit muss aus sich selbst heraus leuchten. Zwar ist das menschliche Wort brüchig, echte, vertrauensvolle Beziehungen können aber nur entstehen, wenn unsere Worte die Wahrheit widerspiegeln. Der heilige Thomas von Aquin sagte: „Das menschliche Zusammenleben wäre nicht möglich, wenn die einen nicht auf die anderen vertrauen könnten als Personen, die im Umgang miteinander die Wahrheit sagen.“7. Dieses Vertrauen basiert auf Liebe. Papst Franziskus hält es daher für sehr wichtig, „in unseren Familien und in unseren Gemeinschaften eine Atmosphäre der Klarheit und des gegenseitigen Vertrauens“ aufzubauen. Und er betont: „Dies ist durch die Gnade des Heiligen Geistes möglich, die uns befähigt, alles mit Liebe zu tun und so Gottes Willen zu erfüllen.“8

Ein Leben im Einklang mit der Wahrheit ist der Weg zu innerer Harmonie und innerem Frieden. Benedikt XVI. erklärt die Zusammenhänge: „Nur die Demut kann die Wahrheit finden, und die Wahrheit wiederum ist die Grundlage der Liebe.“9 Papst Franziskus warnte davor, „in unwahrer Kommunikation zu leben, weil es ein Hindernis für die Beziehungen und damit ein Hindernis für die Liebe ist. Wo Lüge ist, da ist keine Liebe, da kann keine Liebe sein. Und wenn wir von zwischenmenschlicher Kommunikation sprechen, dann meinen wir damit nicht nur die Worte, sondern auch die Gesten, die Haltungen, ja sogar das Schweigen und die Abwesenheit. Ein Mensch spricht mit allem, was er ist und tut. Wir alle kommunizieren miteinander, immer. Wir alle leben in der Kommunikation und stehen ständig auf der Kippe zwischen Wahrheit und Lüge.“10

Die christliche Berufung ist ein Weg der Identifikation mit Christus. Er ist die Wahrheit (Joh 14,6), der in die Welt gekommen ist, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen (Joh 18,37). Liebe zur Wahrheit ist daher das Grundgesetz für die Art und Weise, wie seine Jünger sprechen und handeln: Eure Rede sei: Ja Ja, Nein Nein​​ (Mt 5,37). Alles, was wahr ist, kommt von Gott, was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen (Mt 5,37). Die Liebe zur Wahrheit ist auf dem Weg zu Gott notwendig. Dies führt uns dazu, die Wahrheit zu suchen und sie in unseren Absichten, Worten und Taten weiterzugeben. Der Wahrheit dienen, bedeutet Aufrichtigkeit, der Wahrheit folgen heißt, in Gemeinschaft mit dem Herrn zu sein.


ALS DER heilige Josefmaria nach seiner Lieblingstugend gefragt wurde, antwortete er sofort: die Aufrichtigkeit. „Sei unser Ja Ja; sei unser Nein Nein“ ist das Motto der ersten Schule, die auf seine Anregung hin entstanden ist. „Der Christ muss in allen seinen Werken authentisch, wahrhaftig und aufrichtig sein“, predigte er oft. „Sein Verhalten muss den Geist Christi widerspiegeln. Wenn jemand in dieser Welt konsequent sein muss, dann ist es der Christ, denn ihm wurde die Wahrheit anvertraut, die befreit und rettet, damit er sie Frucht bringen lässt. Ihr fragt, wie ihr diese Aufrichtigkeit im Leben erreichen könnt? Jesus Christus hat seiner Kirche alle notwendigen Mittel gegeben: Er hat uns gelehrt zu beten und mit seinem himmlischen Vater zu kommunizieren; er hat uns seinen Geist gesandt und die Sakramente hinterlassen. Nutzt sie. Vertieft euer geistliches Leben. Betet täglich.“11

Manchmal haben wir vielleicht Angst vor der Wahrheit und den Verpflichtungen, die sie mit sich bringt. Wir bitten den Herrn um die Gnade, immer transparent und einfach zu handeln, ohne uns zu verstellen oder zu verkomplizieren. Wir wissen, dass eine halbe Wahrheit nicht die Wahrheit ist. Unsere Glaubwürdigkeit erlangen wir durch ehrliches Verhalten und Reden, ohne Übertreibungen.

Maria hörte in der Stille auf die Worte des Engels, fragte nach, was sie nicht verstand, und antwortete großzügig, ohne Ausreden. Mit ihrem „Fiat“ nahm die rettende Wahrheit in ihrem Schoß Fleisch an. In ihr wurde der endgültige Bund zwischen Wahrheit und Liebe geschlossen. Wir wenden uns an unsere Mutter, um zu lernen, die Wahrheit in Liebe zu leben, und so den Weg für die größere Wahrheit zu öffnen.


1 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 7.4.1999.

2 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 9.8.1989.

3 Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2142.

4 Ebd., Nr. 2153.

5 Ebd., Nr. 2143.

6 Hl. Augustinus, Über die Bergpredigt, 2, 5, 19.

7 Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae II-II, q.109, a.3, ad.1.

8 Franziskus, Angelus-Gebet, 12.2.2017.

9 Benedikt XVI., Ansprache, 29.11.2019.

10 Franziskus, Audienz, 14.11.2018.

11 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 141.