Betrachtungstext: 10. Woche im Jahreskreis – Montag

Dasein für jene, die uns brauchen – Wunsch nach Glück und ewigem Leben – Zur Überraschung der Zuhörer

JESUS zieht sich mit den Aposteln zurück auf eine Anhöhe, die eine Aussicht auf den See Gennesaret und die umliegende Berg- und Hügellandschaft bietet. Nach anstrengenden Tagen, an denen sie in Dörfern und Städten das Reich Gottes verkündet und Kranke geheilt haben, sind sie erschöpft und sehnen sich nach einer Pause. Da merken sie, dass die Menschen ihnen gefolgt sind. Scharen von Männern und Frauen aus ganz Israel wollen Jesus hören. Als er die Menge sieht, erfüllt ihn Mitleid. Er beginnt zu predigen, was später als Bergpredigt bekannt wird (vgl. Mt 5,1ff; Lk 6,20ff), und hinterlässt einen tiefen Eindruck bei den Zuhörern.

Wir kennen das Gefühl: Nach einem langen Arbeitstag wollen wir ausspannen und uns erholen. Doch kaum sind wir zu Hause, fordert uns das Leben erneut: Der Ehemann oder die Ehefrau braucht Unterstützung, die Kinder verlangen Aufmerksamkeit, die Eltern benötigen Hilfe.

Christus entschied, die nötige Erholung auf später zu verschieben. Angesichts all dieser Menschen, die sich danach sehnten, ein Wort von ihm zu hören, das ihre Herzen entflammen würde, konnte er sich nicht einfach zurückziehen. Schließlich war er in die Welt gekommen, um diese Menschen zu erlösen und ihnen die gute Nachricht zu bringen. Papst Franziskus lehrte: „Wie oft lesen wir im Evangelium: ,Er hatte Mitleid.‘ Jesus widmete sich dem Volk und begann erneut, sie zu lehren. (…) Nur ein Herz, das sich nicht von der Hektik mitreißen lässt, kann Mitgefühl empfinden und sich der anderen, ihrer Wunden, ihrer Bedürfnisse bewusst werden. Das Mitleid entsteht aus der Kontemplation.“1 Unser Ehepartner, unser Kind oder Vater oder Mutter können unsere erhoffte Ruhe verzögern, aber wenn wir uns ihnen zuwenden, erinnern sie uns daran, wer wir sind. Sie helfen uns, ein Herz wie Jesus zu haben, das mit den Nöten der anderen mitfühlt.


DIE SELIGPREISUNGEN sind ein Teil dieser Rede Jesu. Sie beantworten die zentrale Frage, die jeden Menschen beschäftigt: Was ist der Weg zum Glück? Der heilige Augustinus betont: „Wir alle wollen glücklich leben – es gibt keinen Menschen, der diesem Satz nicht zustimmen würde.“2 Die Seligpreisungen verweisen aber auch auf ein Leben nach dem Tod. Denn Jesus gibt nicht nur ein paar Tipps für ein mehr oder weniger glückliches Leben, sondern stellt dieses in den Horizont der Ewigkeit. Die Seligpreisungen erweisen sich somit als der Weg, um sich jene zwei Sehnsüchte zu erfüllen, die Gott in unser Herz gelegt hat: das wahre Glück auf Erden zu finden und die ewige Glückseligkeit zu erlangen.

Die beiden Sehnsüchte widersprechen sich nicht. „Jedesmal bin ich tiefer davon überzeugt“, kommentiert der heilige Josefmaria: „Die Glückseligkeit des Himmels ist für diejenigen bestimmt, die bereits hier auf Erden wahrhaft glücklich sind.“3 Jesus empfahl nicht, hier auf Erden Schmerz und Leid zu sammeln, um später das Paradies zu genießen. Er empfahl, schon hier auf Erden ein Leben in Fülle zu führen. Was das bedeutet, zeigen die Heiligen. Sie waren Menschen, die es verstanden, schon in diesem Leben glücklich zu sein. Natürlich haben viele von ihnen Schmerz und Widrigkeiten erlebt, wie alle anderen Menschen auch, doch dies konnte ihnen die Freude nicht nehmen. Denn sie gründeten ihr Glück nicht auf Dingen, die man kaufen oder erwerben kann, sondern auf ein kostenloses Geschenk, das sie mit offenen Armen angenommen hatten. Papst Franziskus betont: „Seligkeit, Heiligkeit: Das ist nicht vor allem ein anstrengendes und verzichtreiches Lebensprogramm, sondern die freudige Entdeckung, geliebte Kinder Gottes zu sein. Und das erfüllt uns mit Freude. Es ist keine menschliche Leistung, sondern ein Geschenk, das wir empfangen: Wir sind heilig, weil Gott, der Heilige, in unserem Leben Wohnung nimmt.“4


SICHERLICH vernahmen die Apostel und die Menschenmenge die Rede Jesu mit wachsendem Staunen. Bis dahin hatten sie gedacht, dass Wohlstand ein Zeichen von Gottes Zustimmung sei. Wenn ein Mann reich und angesehen war, glaubten sie, dass Gott ihn für seine treue Befolgung des Gesetzes belohnte. Wenn jemand hingegen arm war oder eine schwere Krankheit hatte, argwöhnten sie, dass er oder seine Eltern gesündigt hatten. Deshalb überraschte es sie, nun von Christus zu hören, dass die Armen im Geiste, die Trauernden oder jene, die Unrecht oder Schaden erlitten hatten, selig sein sollten ...

Man kann sich die unterschiedlichen Reaktionen vorstellen. Manche lehnten Jesu Botschaft sofort ab, da sie es für unmöglich hielten, auf diese Weise glücklich zu werden. Andere fanden seine Worte zwar schön, aber angesichts der menschlichen Schwäche unrealistisch. Doch viele nahmen Jesu Botschaft begeistert auf. Sie spürten, dass Jesus ihre Leiden und Probleme – Armut, Ungerechtigkeit, fehlender Trost – verstand. Für sie war es eine Offenbarung zu hören, dass diese Umstände keine Strafe Gottes sind, sondern Teil des Weges zum Himmelreich sein können.

Gott ist kein fernes Wesen, sondern ein Gott, der uns entgegenkommt. Papst Benedikt schreibt: „Gott kümmert sich um uns, er liebt uns, er ist persönlich in die Wirklichkeit unserer Geschichte eingetreten, er hat sich selbst mitgeteilt und ist sogar Mensch geworden. (...) Er ist vom Himmel herabgekommen, um sich in die Welt der Menschen, in unsere Welt hineinzubegeben und die ,Kunst des Lebens‘, den Weg zum Glück zu lehren.“5 Wir bitten Maria, die Pforte des Himmels, dass wir es verstehen, durch erhöhte Aufmerksamkeit in unserem Alltag die Schätze zu heben, die die Seligpreisungen bergen.


1 Franziskus, Angelusgebet, 18.7.2021.

2 Hl. Augustinus, De moribus ecclesiae 1,3,4.

3 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 1005.

4 Franziskus, Angelusgebet, 1.11.2021.

5 Benedikt XVI., Audienz, 28.11.2012.