„Ich wünschte, das Werk wäre für viele Menschen eine große Katechese“

Berechtigte Kritik hilft uns, besser zu werden“, sagt der Leiter der Prälatur Opus Dei nach einer Kroatienreise der dortigen Zeitung 'Večernji“.

Prälat Fernando Ocáriz
Prälat Fernando Ocáriz

Sie haben vor kurzem ihr Goldenes Priesterjubiläum gefeiert. Können Sie sich an den Beginn Ihres Weges als Priester erinnern?

Ich erinnere mich daran, wie sehr ich davon beeindruckt war, täglich die heilige Messe feiern zu können. Seitdem bitte ich den Herrn immer darum, dass ich mich niemals daran gewöhne, auch wenn es für mich keine neue Erfahrung mehr ist wie damals. Es war der hl. Josefmaria, der meinen Ruf zum Priester bemerkte, deshalb bitte ich ihn häufig um Hilfe für meinen priesterlichen Dienst und um das Glück und die Fruchtbarkeit aller Priester auf der Welt.

Wie würden Sie kurz das Opus Dei erklären, das Sie heute leiten?

Das Opus Dei ist eine Institution der Kirche, die versucht, die Freude und den Frieden Christi mitten in der Welt zu verbreiten. Bei allen Erfolgen und auch Misserfolgen versuchen wir, Christus in die Familien, die berufliche Arbeit und die Gesellschaft zu bringen. Das Werk möchte für viele Menschen so etwas wie „eine große Katechese“ sein, zusammen mit den Pfarreien und vielen anderen Institutionen der Kirche.

Welche sind aktuell die größten Feinde des Opus Dei?

Der Hauptfeind ist kein äußerer, sondern ein innerer: Ich beziehe mich damit auf die Gefahr der Verweltlichung, denn die Gläubigen des Opus Dei leben mitten in der Realität der Welt, einer Welt, die zum großen Teil entchristlicht ist, und wir sind auch nicht imun gegen einen möglichen Verlust der geistlichen Kraft. Diejenigen, die sich auf die eine oder andere Weise von außen gegen das Werk stellen, betrachte ich nicht als Feinde. Sicherlich sind es häufig Leute, die wenig informiert sind und den Geist, der das Opus Dei inspiriert, nicht verstehen oder Leute, die uns mit ihrer - berechtigten - Kritik helfen, uns zu bessern.

Und trotzdem hat das Opus Dei weiterhin eine starke Anziehungskraft für viele Männer und Frauen.

Ja, aber natürlich wäre ich froh, wenn infolgedessen viel mehr Menschen bereit wären, die Kirche Jesu Christi in alle Kreise Kroatiens und der Welt zu bringen, nicht nur durch das Opus Dei, sondern auch durch viele andere evangelisierende Wirklichkeiten, die in der Kirche blühen.

Wie reagiert das Opus Dei auf die aktuelle Krise von Desinteresse und Verlust des Glaubens?

Ein wichtiges Mittel ist die geistliche Begleitung und die Bildung der einzelnen Seelen, indem wir gute Freundinnen und Freunde sind, die die Freiheit aller voll respektieren. Wenn man hinter diesen verbreiteten Phänomenen nur eine undifferenzierte Masse sieht, dann hätte man keinen christlichen Blick auf die Wirklichkeit: Jeder Mensch wird von Gott geliebt und verdient den ganzen Respekt und die Aufmerksamkeit der Kirche, denn Christus ist für jeden Einzelnen gestorben. Ein wesentlicher Aspekt besteht darin, den Menschen zu helfen, den Schatz der Sakramente wertzuschätzen, besonders die Eucharistie und das Bußsakrament.

Wie sehen Sie die Krise, die der Coronavirus verursacht hat?

Ich sehe sie als einen Ruf, für die anderen zu leben, im Geist menschlicher Solidarität und christlicher Nächstenliebe. Wie der Papst sofort sagte, erinnert uns die Pandemie daran, dass keiner sich allein rettet, dass wir voneinander abhängig sind und alle etwas beitragen müssen zur allgemeinen Aufgabe, uns um die Welt zu kümmern.

Die Prälatur, die Sie leiten, ist unmittelbar dem Heiligen Vater unterstellt. Wie sehen Sie die Rolle des Papstes in der heutigen Welt?

In Wirklichkeit hängen ja nicht nur die Gläubigen des Opus Dei vom Papst ab, sondern jeder Katholik, selbst wenn er noch anders in der Kirche eingebunden ist. Unsere Abhängigkeit vom Papst – wie die vieler anderer Zirkumskriptionen der Kirche – wird bestimmt von der Kongregation für die Bischöfe und von anderen Organismen des Heiligen Stuhles.

Was die Rolle des Papstes betrifft, so denke ich, um noch einmal auf das vorhin Gesagte zurückzukommen, dass seine väterliche Gegenwart in dieser Welt, in der die Pandemie uns zwingt, vieles zu diskutieren, notwendiger ist denn je. Zum Beispiel haben mir viele Menschen gesagt, wie sehr sie das Bild des leeren Petersplatzes beeindruckt hat, als der Papst als Stellvertreter Christi die ganze Welt von dort aus dort gesegnet und gestärkt hat.

Der Papst hat Kritiker in der eigenen Kirche. Dürfen die Gläubigen den Papst kritisieren?

Die Geschichte zeigt uns, dass es in allen Pontifikaten aus diesen oder jenen Gründen Momente starker Kritik gegeben hat. Was ihre Frage nach der Legitimität dieser Kritiken angeht, so antworte ich Ihnen mit unserem Gründer, dem hl. Josefmaria, dass ich denke, den Papst – wer immer es ist – sollten wir als den Stellvertreter Christi immer lieben, anstatt ihn zu kritisieren.

Im August haben Sie unter anderem Kroatien besucht. Was war der Grund für Ihren Besuch und was ihre Botschaft an die Leute, die Sie in Zagreb getroffen haben?

Es war eine meiner ersten pastoralen Reisen seit Beginn der Pandemie. Mein Hauptziel war, mit den Leuten der Prälatur zusammen zu sein. Ich bin nicht nach Kroation gefahren, um eine spezielle Botschaft zu verbreiten, sondern, um sie zu begleiten, obgleich ich natürlich einige Anliegen geteilt habe, die ich im Herzen trage. Ich habe mit ihnen über die Liebe zur Kirche und zum Papst gesprochen, über die Einheit mit den Bischöfen, über Beharrlickeit im Glaubensleben, über die apostolische Sendung aller Christen und in diesem Zusammenhang über den Wert der Freundschaft und vieles andere, was in Gesprächen der Familie aufkommt. Ich habe alle ermuntert, Gott sehr dankbar zu sein für das Geschenk des Glaubens und bei der Arbeit und im täglichen Leben Zeugnis zu geben von der Freude, Christus gefunden zu haben.

Das vollständige Interview für die Abonnenten der Zeitung in kroatischer Sprache