Neue Horizonte im inneren Leben (II): «Jesus ist mein bester Freund»

Der hl. Josefmaria wusste sich immer von Jesus begleitet, dem «Großen Freund», der unsere Sorgen und unser Versagen kennt, weil er„Mensch ist wie wir“.

Die Evangelien zeigen uns Jesus in ständigem Kontakt mit sehr unterschiedlichen Menschen: mit Kranken, die Heilung suchen, mit Sündern, die auf Vergebung hoffen, mit Neugierigen, sogar mit Spionen… Aber um den Meister herum finden sich vor allem seine Freunde. So bezeichnet Jesus seine Jünger: «Meine Freunde» (Lk12,4). Es ist bewegend, ihn am Grab des Lazarus zu sehen. Seine Tränen veranlassten die Juden zu dem Ausruf: «Seht, wie lieb er ihn hatte» (Joh 11,36). Später, während des Letzten Abendmahls, erklärt er den Aposteln den Sinn seines Todes am Kreuz:«Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt» (Joh 15,13). Und er wird, vielleicht angesichts ihrer Überraschung, noch deutlicher: «Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe» (Joh15,15).

Wegen seiner Liebe zu uns macht Jesus uns zu seinen Freunden. Die Gabe des Heiligen Geistes bringt uns in eine neue Beziehung zu Gott. Wir haben den Geist Christi selbst empfangen, der uns zu Kindern des Vaters macht und uns auch in eine ganz persönliche Beziehung zu Christus einführt: Er macht uns ihm gleichförmig. Dadurch hebt er aber weder unsere Individualität noch unsere Persönlichkeit auf. Deshalb verwirklicht sich die Gleichförmigkeit mit Christus über die Freundschaft mit ihm. Mit dem Gnadenleben beginnt eine Beziehung zu Gott von Du zu Du: Wir lernen ihn in seinem Geheimnis kennen und vermögen zu handeln wie er. Diese tiefe Einheit von Erkennen und Wollen ermöglicht, dass wir arme Geschöpfe im Innersten unserer Seele Gott erfahren– wie Augustinus sagte –, und so dasselbe lieben und tun können wie er. Darin – idem velle, idem nolle, dasselbe lieben, dasselbe ablehnen –besteht gerade die Freundschaft.

Ein weiterer Horizont eröffnete sich

Schon in ganz jungen Jahren erfuhr der hl. Josefmaria, dass Jesus ein Freund ist, ein ganz besonderer Freund. Seiner frühen Erfahrung gab er in einem Punkt des Weges Ausdruck: «Du suchst die Gesellschaft von Freunden, deren Unterhaltung, Zuneigung und Umgang dir die Verbannung in dieser Welt erträglicher machen – obgleich Freunde manchmal Verrat üben. – Das scheint mir nicht schlecht. Aber – warum suchst du nicht jeden Tag umso nachhaltiger die Gesellschaft und Unterhaltung d e s Freundes, der nie Verrat übt?»[1]

Er hatte diese Erfahrungbereits vor langer Zeit gemacht. Seine Biografen sehen sie im Zusammenhang mit einem Rat, den er während seiner Zeit im Priesterseminar erhalten hatte[2]. Mit den Jahren vertiefte sich diese Entdeckung der Freundschaft mit Christus. Möglicherweise war es ein wichtiger Moment in dieser Entwicklung, als sich ihm das immense Panorama der Gotteskindschaft eröffnete. Während seiner Besinnungstage in Segovia schrieb er: «Erster Tag. Gott ist mein Vater. Ich lasse nicht ab von dieser Überzeugung. – Jesus ist mein Freund (ein neues Mittelmeer), der mich mit dem ganzen göttlichen Wahnsinn seines Herzens liebt. Jesus…, mein Gott,… der auch Mensch ist»[3].

Er bezeichnet diese Entdeckung als «neuen Horizont». Der erste war die Vaterschaft Gottes gewesen die er ebenfalls schon kannte und dennoch auf neue Weise entdeckte. Das war für den hl. Josefmaria vor allem eine Quelle des Trostes. In jenen dreißiger Jahren hatte er die riesige Aufgabe vor sich, den Willen Gottes zu erfüllen, den Gott ihm am 2. Oktober 1928 gezeigt hatte. Er sollte allen Menschen eine Botschaft bringen und sie zugleich in der Kirche verwirklichen. Aber er musste es tun «bei absolutem Mangel an materiellen Mitteln: 26 Jahre alt, die Gnade Gottes und Humor. Und sonst nichts »[4]: Das Panorama, das sich nun vor ihm ausbreitete, vergewisserte ihn, dass er bei dieser Sendung nicht allein war. Jesus, sein Freund, war an seiner Seite und verstand voll und ganz alle seine Sorgen und Misserfolge, denn er «ist Mensch wie wir».

Das Herz Jesu war für den hl. Josefmaria im doppelten Sinn eine Offenbarung: Einerseits «der unendlichen Liebe Christi», da «das Herz Jesu das Herz des menschgewordenen Gottes ist»[5], und andererseits des Verständnisses und der Zärtlichkeit Jesu angesichts seiner persönlichen Begrenzungen, Schwierigkeiten und Stürze. Sicher erfuhr er in seinem Gebet, was er in einem Punkt des Weges schreibt: «Jesus ist dein Freund. Der Freund. Er hat ein Herz aus Fleisch wie du. Er hat Augen voller Liebe, die um Lazarus weinten. Und so wie den Lazarus liebt er dich »[6]. Diese Liebe, göttlich und menschlich zugleich, unendlich und doch nahe, war ein fester Stützpunkt, der ihn in jeder Situation vorangehen ließ. Und er machte sein inneres Leben realistisch und lebendig[7].

Ein Weg, der allen offensteht

Der hl. Josefmaria ermunterte die Menschen, die zu ihm kamen, den Weg der Freundschaft mit Christus zu gehen. Er erklärte ihnen, dass im Umgang mit ihm weder übertriebene Formalitäten noch komplizierte Methoden nötig sind, denn wir können uns ihm in aller Einfachheit nähern wie jedem anderen Freund. Schließlich gingen so diejenigen mit ihm um, die ihn am meisten liebten, während er unter ihnen weilte.

«Hast du bemerkt, mit welcher Herzlichkeit und mit wieviel Vertrauen seine Freunde mit dem Herrn verkehrten? Ganz unbefangen werfen Lazarus‘ Schwestern ihm seine Abwesenheit vor: Wir haben dir doch Bescheid gegeben. Wenn du hier gewesen wärest… - Sage ihm eindringlich: Lehre mich, dich mit derselben Liebe zu behandeln wie Martha, Maria und Lazarus, und auch wie die Zwölf, obwohl ja im Anfang die Gründe für ihre Nachfolge nicht sehr <übernatürlich> waren»…[8].

Die jungen Leute, die mit dem hl. Josefmaria Umgang hatten, wunderten sich über die Natürlichkeit, mit der er sich an den Herrn wandte und sie aufforderte, es ebenso zu tun. Sein ganzes Leben lang empfahl er, diesem Weg zu folgen. Einer der Ersten, der die Lehren des hl. Josefmaria kommentierte, drückte es so aus: «Um zu dieser Freundschaft zu kommen, müssen wir uns Ihm nähern, ihn kennenlernen, ihn lieben»[9]. Freundschaft will die Nähe des anderen und das Gespräch mit ihm. Und das ist das Erste, wozu uns die Entdeckung führt, dass Jesus unser Freund ist. «Du hast mir geschrieben: „Beten ist Sprechen mit Gott. Aber wovon?“ – Wovon? Von Ihm und von dir, von Freude und Kummer, von Erfolgen und Misserfolgen, von hohen Zielen und alltäglichen Sorgen. Von deinen Schwächen! Danken und Bitten, Lieben und Sühnen. Kurz, Ihn erkennen und dich erkennen: Beisammen sein.»[10].

In diesen Worten schwingt auch jenes noverim Te, noverim me mit, von dem der hl. Augustinus sprach: Herr, mach, dass ich dich erkenne und dass ich mich erkenne!, und [11] auch jener «freundschaftliche Umgang, der uns oftmals allein mit dem zusammen sein lässt, der uns liebt»[12], wie die hl. Theresia sagt. Der persönliche Umgang mit Jesus Christus ist der Lebensnerv der Beschaulichkeit. Und die Menschen, die sich mitten in der Welt heiligen wollen, müssen es erlernen, ihn in den alltäglichen Gegebenheiten zu finden, um ununterbrochen im Gespräch mit ihm zu sein.

Das ist keine Utopie, sondern etwas, das viele Menschen in ihrem Leben verwirklicht haben, ob bei der täglichen Arbeit, im Familienleben, auf den Straßen der Stadt oder auf dem Land, auf Bergpfaden oder auf dem Meer…, denn überall können wir Christus entdecken, der auf uns wartet und uns als Freund begleitet. Unzählige Male wiederholte der hl. Josefmaria: «Ein Kind Gottes muss kontemplativ sein, das heißt, ein Mensch, der mitten im Lärm der Umwelt im ständigen Gespräch mit dem Herrn die Stille der Seele zu finden weiß und der auf Ihn schaut wie auf einen Vater oder einen Freund, den man grenzenlos liebt»[13].

Unser ganzes Leben hat Platz im Gebet, wie es im Zusammensein mit unseren Freunden der Fall ist, wo wir über alles sprechen. «Die Apostelgeschichte berichtet, dass der Herr seine Jünger nach der Auferstehung versammelte und sie sich unterhielten in multis argumentis. Sie sprachen über viele Dinge, stellten Ihm ihre Fragen, verbrachten gemeinsam Zeit mit Ihm»[14].

Bei diesem ständigen Umgang, der aus dem eigenen Leben das Gesprächsthema mit Gott macht, können wir auch versuchen, ihn immer besser kennenzulernen und ihn an Orten aufzusuchen, an denen er auf intensive Weise hat bleiben wollen. Über drei von ihnen wollen wir hier sprechen.

Die Berichte der Freunde Jesu

Inspiriert von Heiligen Geist geben die Evangelisten die wichtigsten Erinnerungen an den Meister wieder. Da der hl. Josefmaria in Christus verliebt war, war «die Heilige Schrift, insbesondere die Evangelien, in seinen Händen nicht bloß ein gutes Buch, in dem er reichhaltige Lektüre fand, sondern ein Ort der Begegnung mit Christus»[15].

Von Anfang an verstanden die Leute, die mit der Arbeit des Werkes in Kontakt kamen, sehr schnell, dass jener junge Priester eine intensive Verbindung zu Gott hatte. Diese sehr persönliche Beziehung wurde bei seinen Predigten deutlich: «Er wandte sich zum Tabernakel, um mit Gott auf dieselbe realistische Weise zu sprechen, wie er mit uns sprach“, „und fühlte sich wie einer mehr unter den Aposteln und Jüngern des Herrn»[16]. Diese Art, die Heilige Schrift zu lesen, empfahl er später auch anderen Menschen:«Ich rate dir für dein Gebet, dass du dich in die Berichte des Evangeliums so hineinversetzt, als ob du ein weiterer Teilnehmer wärest. Zuerst stellst du dir das Geschehen vor, das du in Sammlung betrachten möchtest. Dann wird dein Geist tätig, und du bedenkst einen bestimmten Zug im Leben des Meisters: sein liebendes Herz, seine Demut, seine Reinheit, die Art, wie er den Willen des Vaters erfüllt. Erzähle ihm, wie es bei dir in solchen Fällen ist, was dich im Augenblick bewegt, was in dir vorgeht. Bleib aufmerksam, denn vielleicht will er dich auf etwas hinweisen, und so regen sich Eingebungen, zeigen sich Entdeckungen, hörst du einen Tadel»[17].

Mit diesem Rat öffnete er uns einen Zugang zu seiner Seele. Der selige Alvaro del Portillo kommentierte diese Art der Schriftlektüre folgendermaßen: «Ganz lebendig ist der vertraute Umgang mit Christus, mit seiner Mutter Maria, mit dem hl. Josef, mit den ersten Zwölf, mit Martha, Maria und Lazarus, mit Josef von Arimathäa und Nikodemus, mit den Jüngern von Emmaus, mit den heiligen Frauen. Er ist das Ergebnis eines ständigen Gesprächs, eines Sichhineinversetzens in das Evangelium, um daran wie eine weitere Person des Geschehens teilzunehmen»[18].

Der Wert dieser Gebetsweise wird von vielen Heiligen theoretisch und praktisch bestätigt. Auch die letzten Päpste haben sie empfohlen, als sie die Bedeutung einer inneren Haltung des Gebetes beim Lesen der Heiligen Schrift hervorhoben und so die Praxis der lectio divina anregten. Wir sollten das Evangelium in Ruhe und ohne Eile lesen. So beginnen wir etwa mit einem Abschnitt, halten inne und fragen uns: „Wie wird das damals gewesen sein?“Wir treten gewissermaßen «wie einer mehr» in die Szene ein und stellen uns die Gesichter der Leute und das Antlitz Jesu vor. Wenn wir versuchen, den Sinn seiner Worte zu verstehen, ist uns klar ist, dass sie oft der Erklärung bedürfen, da es sich um einen alten Text handelt, der zu einer Kultur gehört, die zum Teil anders war als unsere. Daher ist es wichtig, eine Textausgabe mit genügend Anmerkungen zu haben, und auch auf gute Bücher über das Evangelium und die Heilige Schrift zurückzugreifen.

Dann lesen wir den Text noch einmal und fragen uns: «Herr, was sagt mir dieser Text? Was möchtest du mit dieser Botschaft an meinem Leben ändern? Was stört mich in diesem Text? Warum interessiert mich das nicht? – oder: Was gefällt mir, was spornt mich an in diesem Wort? Was zieht mich an? Warum zieht es mich an?»[19]. Vielleicht kommt uns eine bedürftige Person aus unserer Umgebung in den Sinn. Oder wir erinnern uns an jemanden, den wir um Verzeihung bitten müssten… Schließlich überlegen wir: Wie kann ich mit meinem Leben dem entsprechen, wozu Jesus mich in diesem Text anregt? «Bleib aufmerksam, denn vielleicht will Er dich auf etwas hinweisen; und so regen sich Eingebungen, zeigen sich Entdeckungen, hörst du einen Tadel»[20]. Manches Mal weckt er in uns ein wenig Liebe, einen Wunsch nach Hingabe, immer aber gibt er uns die Gewissheit seiner Nähe. Diese Betrachtung des Lebens des Herrn ist grundlegend für einen Christen, «Die Kontemplation ist nämlich darauf ausgerichtet, in uns eine weisheitliche Sicht der Wirklichkeit zu erzeugen, die Gott entspricht, und in uns den „Geist Christi“ (1 Kor2,16) heranzubilden»[21].

Es gibt zweifellos viele Wege, durch die Heilige Schrift mit Jesus zu verkehren. Deshalb wollte der hl. Josefmaria keine bestimmte Methode angeben, sondern nur ein paar praktische Tipps, die für ruhige Betrachtung dienlich sein können, bis schließlich«Gedanken von Liebe und Schmerz aufbrechen, Dank und Bitte, Vorsätze…, die Frucht echten Gebetes sind»[22].

Der Herr wartet im Tabernakel auf uns

«Wenn du dich dem Tabernakel näherst, denke daran, dass Er dich dort seit zweitausend Jahren erwartet»[23]. Die Eucharistie ist sicher ein bevorzugterOrt, an dem wir Jesus Christus finden und freundschaftlich mit ihm verkehren können. Das ist auch der Weg, dem der hl. Josefmaria folgte. Sein Glaube an die lebendige Gegenwart Christi zeigte sich in all seinen Gesten vor dem Allerheiligsten. Encarnita Ortega, die ihn in den 40er Jahren kennenlernte, behielt die erste Betrachtung, die sie von ihm hörte und zu der sie mit einer gewissen Neugier gekommen war, so in Erinnerung: «Seine natürliche Sammlung, seine Kniebeuge vor dem Tabernakel, die Art, wie er uns mit einem Vorbereitungsgebet in die Betrachtung einführte und uns bewusst machte, dass der Herr da war, der uns zuhörte, ließ mich gleich den Wunsch vergessen, einen guten Redner zu hören». Vielmehr öffnete sich ihr Herz «der dringenden Notwendigkeit, auf Gott zu hören und Ihm gegenüber großzügig zu sein»[24].

Dasselbe sagen diejenigen, die erlebten, wie er die Messe feierte: «Ich war von seiner Art, die hl. Messe zu feiern, tief beeindruckt, von der natürlichen Art und der Andacht, mit der er die verschiedenen Gebete sprach, wie auch von seinen Kniebeugen und sonstigen liturgischen Handlungen: Man spürte förmlich die reale Gegenwart Gottes»[25]. Es waren keine besonderen Dinge, sondern die Art, da zu sein und sich zu bewegen, die Intensität der Gebete, die Sammlung. Auch wir können so mit Gott umgehen, wenn wir in der Gewissheit leben, dass Christus, der «geliebte Freund», in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist. Als es im ersten Studentenheim des Werkes endlich möglich war, das Allerheiligste im Tabernakel aufzubewahren, sagte der Vater den Studenten, dass «der Herr ein weiterer Bewohner des Hauses sei, der wichtigste. Deshalb solle jeder Ihm eine Weile Gesellschaft leisten, Ihn mit einer Kniebeuge begrüßen, wenn er nach Hause komme oder fortgehe oder von seinem Zimmer aus mit den Gedanken beim Tabernakel sein»[26].

Diese kleinen Gesten sind Ausdruck unseres Glaubens und zugleich stärken sie ihn, wenn wirunser Herz in sie hineinlegen. So können wir etwaunser Denken auf Gott ausrichten, wenn wir an einer Kirche vorbeikommen, dem Herrn während des Tages einen kurzen Besuch abstatten, die heilige Messe gesammelt und konzentriert mitfeiern, an den Herrn im Tabernakel denken, ihm unsere Arbeit aufopfern… Kleine Zeichen wie unseren Freunden gegenüber, wenn wir zu ihnen gehen oder ihnen während des Tages eine Botschaft senden.

Christus in den Menschen finden, die um uns sind

Das Gebot der Liebe kennzeichnet diejenigen, die Christus folgen. Es handelt sich dabei nicht nur um einen Lebensstil, sondern um etwas, das aus dem Glauben kommt, dass Christus selbst ist in den Menschen unserer Umgebunggegenwärtig. Dieses Bewusstsein ist zutiefst in der Lehre des Herrnverankert, denn bei verschiedenen Gelegenheiten erinnert er uns daran, dass er selbst es ist, um den wir uns kümmern, wenn wir Bedürftigen beistehen – und allebrauchen uns in irgendeiner Weise[27]. Darum ist es so wichtig, dass wir «in unseren Brüdern, den Menschen, Christus sehen, der uns in ihnen begegnet»[28].

Der hl. Josefmaria versuchte, Christus in erster Linie unter den Bedürftigsten zu begegnen. Zu Beginn der dreißiger Jahre verbrachte er viele Stunden damit, arme Familien in den Außenbezirken von Madrid zu besuchen, sich um Kranke in den Krankenhäusern der Hauptstadt zu kümmern und armen Kinder den Katechismus beibringen. Später vermittelte er diese Sorge den jungen Leuten, die sich dem Werk näherten. Dieselben jungen Leute spürten übrigens die zugleich menschliche und göttliche Liebe des Vaters zu ihnen. Zum Beispiel erinnerte sich Francisco Botella, dass er ihn, als er ihn kennenlernte, so aufnahm, «als ob er mich schon immer kannte. Sein tiefer Blick blieb mir im Gedächtnis wie auch seine Freude, die mich bewegte und mich mit innerem Frieden erfüllte. Es war mir, als kenne er mein Inneres – und das mit einer solchen Natürlichkeit und Einfachheit, dass ich mich wie zu Hause fühlte»[29]. Ein anderer, der eigentlich nicht gerade gefühlsbetont war, sagte: «Er sorgt sich um uns fast mehr als unsere Mütter»[30].

In diesen jungen Leuten – wie auch in den Armen und Kranken –begegnete der hl. Josefmaria seinem Freund. Jahre später, «fragte er seine Kinder, die er um sich hatte, nachdenklich: „Wisst ihr, warum ich euch so sehr liebe?“ Es wurde still und der Vater antwortete selbst: „Weil ich in euch das Blut Christi fließen sehe“[31]. Jesus, sein Freund, hatte ihn dahin geführt, ihm selbst in den Menschen zu begegnen, die um ihn herum waren, und besonders in den Bedürftigsten. Auch wir «sind aufgefordert, dem gekreuzigten Jesus in jedem ausgegrenzten Menschen zu dienen, seinen heiligen Leib zu berühren im Ausgeschlossenen, im Hungrigen, im Durstigen, im Nackten, im Gefangenen, im Kranken, im Arbeitslosen, im Verfolgten, im Heimatvertriebenen und im Migranten. Dort finden wir unseren Gott, dort berühren wir den Herrn»[32].

Lucas Buch


[1] Hl. Josefmaria, DerWeg, Nr. 88.

[2] Der Weg, kritisch-historische Ausgabe von P. Rodríguez, 3ª ed., Rialp, Madrid 2004, comentario al n. 88. Cfr. R. Herrando, Los años de seminario de Josemaría Escrivá en Zaragoza (1920-1925), Rialp, Madrid 2002, 197-201.

[3] Hl. Josefmaria, Apuntes íntimos, n. 1637 (citado en Camino, edición crítico-histórica, comentario al n. 422). El día primero del retiro fue el 4 de octubre del 32. El texto sirvió de base para Forja, n. 2.

[4] Carta 29-XII-1947/14-II-1966, n. 11, citado en A. Vázquez de Prada, El Fundador del Opus Dei, vol. 1, Rialp, Madrid 1997, 308.

[5] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 169.

[6] Der Weg, Nr. 422.

[7] s. ebd., Nr. 244, 436.

[8] Hl. Josefmaria, Feuer der Schmiede, Nr. 495.

[9] S. Canals, Ascética meditada, Rialp, Madrid 2011, cap. ­“Jesús, como amigo”.

[10] Der Weg, Nr. 91.

[11] Hl. Augustinus, Soliloquios II, 1.1.

[12] Hl. Theresia von Avila, Buch des Lebens, Kap. 8, Nr. 5.

[13] Feuer der Schmiede, Nr. 738.

[14] Hl. Josefmaria, zitiert in: Dos meses de catequesis, vol. II, 651 (AGP, Biblioteca P04).

[15] S. Hahn, “San Josemaría Escrivá, lector de la Sagrada Escritura”, en Romana, 40 (2005), verfügbar hier.

[16] Erinnerung von F. Botella, in J.L. González Gullón, DYA. La Academia y Residencia en la historia del Opus Dei (1933-1939), Madrid, Rialp 2016, 3ª ed., 429.

[17] Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 253.

[18] Sel. Álvaro del Portillo, “Einführung” in Christus begegnen.

[19] Franziskus, Apostol. Schreiben Evangelii gaudium (24-XI-2013), Nr. 153.

[20] Freunde Gottes, Nr. 253.

[21] Benedikt XVI. ,Apostol. SchreibenVerbum Domini, (30-X-2010), Nr. 87.

[22] Javier Echevarría, “San Josemaría Escrivá, maestro de oración en la vida ordinaria”, Magnificat 2006, verfügbar hier.

[23] Der Weg, Nr. 537.

[24] Erinnerung zitiert in: A. Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. II, Adamas, Köln 2004, 555.

[25] Erinnerung von Francisco Ponz, in A. Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. II, 399.

[26] DYA. La Academia y Residencia..., 342.

[27] s. Mt 10,40; 25,40; Lk 10,16.

[28] Christus begegnen, Nr. 111.

[29] Erinnerung von F. Botella, in: DYA. La Academia y Residencia..., 433.

[30] Erinnerung von J. Jiménez Vargas, in: DYA. La Academia y Residencia..., 443.

[31] Zitiert in: A. Vázquez de Prada, El Fundador del Opus Dei, vol. III, Rialp, Madrid 2003, 405.

[32] Franziskus, Kreuzweg mit den Jugendlichen während des Weltjugendtages, 29-VII-2016.