Betrachtungstext: 5. Osterwoche – Sonntag (A)

Wir können Jesus glauben – Wir wurden für den Himmel geschaffen – Unser eigenes Leben betrachten

JESUS weiß, dass er in wenigen Stunden von den Soldaten festgenommen werden wird. Er bereitet sich daher darauf vor, den Leidensweg zu gehen. Er beschließt, seine letzten Momente mit jenen zu verbringen, mit denen er die meiste Zeit auf dieser Erde zugebracht, die er besonders geliebt hat: mit den Aposteln. Ihnen öffnet er nach dem Letzten Abendmahl sein Herz. Er weiß, dass Schmerz, Verlassenheit und Traurigkeit auf sie zukommen, doch will er nicht, dass sich Schwermut unter seinen Jüngern ausbreitet: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)

Dies ist der Schlüssel, den der Herr seinen Jüngern mit auf den Weg gibt, um das Kommende zu bewältigen: An ihn glauben, ihm vertrauen. Es scheint sich um einen allzu allgemeinen Hinweis zu handeln, tatsächlich entspricht er aber einem menschlichen Grundbedürfnis: der Suche nach Bezügen, dem Wunsch, sich auf jemanden zu stützen. Wenn sich zum Beispiel einer auf der Straße verirrt, versucht er zunächst, einen ihm vertrauten Anhaltspunkt zu finden, um von dort aus den Weg zum Ziel neu festzulegen. Das Gleiche empfiehlt Jesus den Aposteln, falls sie sich an den Tagen der Passion verlaufen: an ihn zu glauben. Das heißt, zu wissen, dass es kein vergebliches Leiden sein wird, sondern dass es wie von ihm angekündigt dazu dienen wird, uns das Leben zu schenken.

Auch wir können, wie die Apostel, Situationen erleben, in denen wir Jesu Abwesenheit fühlen. Müdigkeit, Unverständnis oder eine Krankheit können über unsere Kräfte gehen und uns glauben machen, allein zu sein. Und in diesen Momenten bittet uns Jesus, an ihn zu glauben, „das heißt“, wie Papst Franziskus erläutert, „uns nicht auf uns selbst zu stützen, sondern auf ihn. Denn die Befreiung aus dieser ängstlichen Unruhe geschieht durch das Sich-Anvertrauen. Uns Jesus anzuvertrauen, den ,Sprung‘ zu machen. Und das ist die Befreiung von Verwirrung. Jesus ist auferstanden und lebt, gerade um immer an unserer Seite zu sein. Dann können wir zu ihm sagen: ,Jesus, ich glaube, dass du auferstanden bist und dass du an meiner Seite bist. Ich glaube, dass du mich hörst. Ich bringe dir das, was mich beunruhigt, meine Sorgen: Ich habe Vertrauen in dich und ich vertraue mich dir an.‘“1


IN SEINER Abschiedsrede beim Letzten Abendmahl nennt Jesus noch einen weiteren tröstlichen Grund, um die Tage der Passion hinzunehmen: Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin (Joh 14,2-3). Der Herr macht sich bereit zu sterben, um für uns einen Platz im Himmel zu reservieren, einen Platz, der alle Erwartungen übertrifft, die wir uns mit unserer Phantasie ausmalen können. Wir wissen gerade noch, dass es für immer sein wird – obwohl auch die Zeit ein Geheimnis darstellen wird – und dass wir bei Gott sein werden.

Die Auferstehung Christi war kein beliebiges Wunder. Es bestand nicht darin, einem toten Leib wieder Leben einzuhauchen, wie es bei Lazarus (vgl. Joh 11,1-44) oder beim Jüngling von Naïn (vgl. Lk 7,11-17) der Fall war, denn sie würden nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder sterben. Jesus zerbrach die Ketten, um, wie Papst Benedikt in seinem Jesus-Buch darlegt, „in eine ganz neue Art des Lebens [auszubrechen], in ein Leben das nicht mehr dem Gesetz des Stirb oder Werde unterworfen ist, sondern jenseits davon steht – ein Leben, das eine neue Dimension des Menschseins eröffnet hat.“2

Da es diese neue Dimension eröffnet hat, entspricht das Leben, das Jesus uns erlangt hat, nicht der Logik, hier unten Leiden anzuhäufen, um später im Paradies zu genießen. Alle Heiligen waren, wie der heilige Josefmaria schrieb, in sehr unterschiedlichen Lagen und Zeiten schon hier auf Erden glückliche Menschen: „Die Glückseligkeit des Himmels ist für die, die es verstehen, bereits hier auf Erden wahrhaft glücklich zu leben.“3 Christus hat uns eine Zukunft bereitet, die die Gegenwart erhellt und uns schon auf unserem irdischen Weg mit Freude erfüllt. So können wir die Liebe Gottes in jeder Lage erkennen: in Armut und Reichtum, in Ehre und Verleumdung, in Gesundheit und Krankheit, in Frieden und Verfolgung; in jedem Augenblick unseres Lebens bereiten wir uns auf diese neue Wohnung vor, denn wir sind tatsächlich für den Himmel geschaffen (vgl. Phil 4,11-13).


THOMAS antwortet auf Jesu Rede mit einer Frage, die dem gesunden Menschenverstand entspringt: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? (Joh 14,5). In der Tat scheinen die beiden Angebote des Meisters – der Glaube an ihn und die Verheißung des Himmels – in der Praxis nicht so leicht umsetzbar zu sein. Thomas sucht daher, wie jeder andere auch, nach weiteren Anhaltspunkten. In gewisser Weise ist es, wie wenn er fragen würde: „Wie werde ich wissen, ob ich Gott nachfolge oder ob ich mir einrede, das Richtige zu tun, obwohl es das in Wirklichkeit nicht ist?“

Auch Philippus hätte gerne eine Garantie und fragt: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns (Joh 14,8). Jesus antwortet mit einer Frage: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt? (Joh 14,9). Vielleicht wäre es einfacher gewesen, direkt zu antworten, doch Christus möchte, dass der Apostel die Antwort durch den Blick auf sein eigenes Leben findet. Die Erfahrung seiner Beziehung zu Jesus ist viel stärker als jede Erklärung. Es ist die Erinnerung an die gemeinsamen Erlebnisse – die Freude, als er ihn in seine Nachfolge rief, die ersten Wunder, die er sah und wirkte, die Gespräche unter vier Augen –, die ihn dazu bringen wird, an Jesus zu glauben, wenn Situationen wie die der Passion eintreten.

In diesen Osterwochen können wir, so sagt Papst Franziskus, dahin zurückkehren, „wo unsere Liebesgeschichte mit Jesus begann, wo er uns zum ersten Mal gerufen hat … [und] erneut den Moment, die Situation und die Erfahrung erleben, in der wir dem Herrn begegnet sind, seine Liebe erfahren und eine strahlend neue Sichtweise auf uns selbst, auf die Wirklichkeit und auf das Geheimnis des Lebens gewonnen haben.“4 Dann wird es uns leichter fallen, Jesus und seinen Verheißungen zu glauben. Die Gottesmutter wird sich häufig an die prägenden Momente ihres Lebens erinnert haben, vor allem an jene, die mit ihrem Sohn zu tun haben. Sie wird uns helfen, unseren Weg zu gehen, ohne die Liebe aus den Augen zu verlieren, die unser Leben nährte und weiterhin nährt.


1 Franziskus, Regina Coeli-Gebet, 10.5.2020.

2 Benedikt XVI., Jesus von Nazaret, 2. Teil, S. 268.

3 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 1005.

4 Franziskus, Predigt, 8.4.2023.