Betrachtungstext: 5. Fastensonntag (C)

Jesus vergibt der ehebrecherischen Frau – Die Beichte ist ein Blick in die Zukunft – Der Wert der Zerknirschung

DIE PHARISÄER scheinen endlich eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben, Jesus eine Falle zu stellen. Sie stellten ihm eine Frau vor, die beim Ehebruch ertappt worden war und nach jüdischen Vorschriften den Tod durch Steinigung verdiente. Was würde der Meister von Nazareth, der immer so gerne Sündern vergab, dazu sagen? Aber es scheint, dass Jesus ihre Anschuldigung nicht einmal bemerkt. Mit einer gewissen Gleichgültigkeit beginnt er, auf den Boden zu schreiben. Und als die Pharisäer darauf bestehen, dass er etwas sagen soll, steht er auf und ruft: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie (Joh 8,7).

Wir können uns die Angst der Frau vorstellen, als sie mit geschlossenen Augen auf einen Steinregen wartete. Sie war überzeugt, dass ihr Leben zu Ende war. Und vielleicht würde sie, die ihre Sünden bereut, dieses Ende als einen Akt der Gerechtigkeit ansehen. Sie rechnete jedoch nicht mit der Barmherzigkeit Gottes, die alles menschliche Kalkül übersteigt. Einer nach dem anderen Ankläger verließ sie und sie wurde allein vor Jesus zurückgelassen. Wie jedes Mal, wenn wir zum Sakrament der Beichte gehen, so fiel damals der liebevolle Blick Christi auf ihr Gesicht und vergab ihr. Durch den Priester die Vergebung der Sünden zu erhalten ist eine stets neue, ursprüngliche und unnachahmliche Erfahrung. Sie führt uns, wie bei der Frau im Evangelium, vom Alleinsein mit unserer Erbärmlichkeit und unseren Anklägern dahin, dass wir vom Herrn wiederaufgerichtet und ermutigt werden, der uns neu beginnen lässt1.

Frau, wo sind sie geblieben? - fragt Jesus. Hat dich keiner verurteilt? (Joh 8,10). Die Frau wusste, dass sie gesündigt hatte, und vielleicht wartete sie auf ein Wort der Zurechtweisung von diesem geheimnisvollen Rabbi. Doch der Herr weist sie nicht zurecht, sondern schenkt ihr zwei Schätze: Gottes Vergebung und die Hoffnung auf ein neues Leben. Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8,11).

EINES ABER tue ich, schreibt Paulus an die Philipper: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus (Phil 3,13-14). Unser Glaubensweg ist immer von der Zukunft durchdrungen, die erst kommen wird. Wir wollen, dass jede Geste unseres Lebens eine Vorwegnahme des Himmels ist. Wir sind dazu aufgerufen, das Ziel unseres Lebens schon jetzt, in den alltäglichen Details unseres Tages, zu verwirklichen.

Jedes Mal, wenn wir Gott um Vergebung bitten, laufen wir auf Jesus zu und nehmen so den Himmel in unserem irdischen Leben vorweg. In der Beichte werden wir in die Früchte des Todes und der Auferstehung Christi eingeführt und nehmen an ihnen teil. Deshalb können wir im Sakrament der Barmherzigkeit am eigenen Leib erfahren, dass seine durchbohrten Arme sich für jeden Menschen öffnen und uns einladen, uns ihm in der Gewißheit zu nähern, daß er uns aufnimmt und in einer Umarmung von unendlicher Zärtlichkeit an sich zieht2.

Die Gewissheit, dass der Herr uns vergibt, führt dazu, dass wir die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit loslassen und unseren Blick auf die Zukunft richten können. Vorwärts, was immer auch geschieht! Ergreife fest die Hand des Herrn und bedenke, daß Gott keine Schlachten verliert. Wenn du dich einmal von Ihm entfernst, dann kehre demütig um, und das heißt: beginnen und immer wieder beginnen, täglich oder sogar oftmals am Tag wie der verlorene Sohn zurückkommen und das reuige Herz in dem Wunder der Liebe Gottes ‒ nicht anderes ist ja die Beichte ‒ aufrichten. Durch dieses wunderbare Sakrament reinigt der Herr deine Seele und erfüllt dich mit Freude und Kraft3.

NACH ALTER kirchlicher Tradition dürfen an diesem fünften Fastensonntag die religiösen Bilder in den Kirchen und die Kruzifixe mit einem Schleier bedeckt werden. Die violette Farbe dieser Tücher erinnert uns daran, dass wir uns in einer Zeit der Buße befinden. Das vorübergehende Verschwinden der Darstellungen von Gott, Engeln und Heiligen regt uns zu einer tieferen Besinnung an.

Die Kirche hat uns immer gelehrt, dass unter den Akten des Pönitenten die Reue an erster Stelle steht4. Es ist nicht nur eine menschliche Anstrengung, die Dinge richtig zu machen. Dieser Akt ist die Regung eines 'zerknirschten … Herzens' (Ps 51,19), das durch die Gnade dazu gebracht und bewegt wird (vgl. Joh 6,44; 12,32), der barmherzigen Liebe Gottes, der uns zuerst geliebt hat, zu entsprechen5. Die Reue besteht also nicht in einem erdrückenden Schuldgefühl, das uns vielleicht dazu verleitet, entmutigt zu werden, wenn wir unsere Grenzen spüren. Es ist vielmehr die Sensibilität eines liebenden Herzens, das, obwohl es weiß, dass es sündig ist, selbst seine Stolpersteine benutzt, um Gott zu zeigen, dass es ihn trotzdem liebt.

Gott möchte, dass die Liebe, die wir in der Buße empfangen haben, in den Wunsch umgewandelt wird, Gutes zu tun und diese Barmherzigkeit an die Menschen um uns herum weiterzugeben. Die Reue geht mit dem Wunsch einher, Gott nicht noch einmal zu beleidigen ‒ um uns so auch nicht selber noch einmal Verletzungen zuzufügen ‒ und sich von allem abzuwenden, was uns von ihm trennen könnte. Maria sah, wie ihr Sohn alle Sünden der Menschheit am Kreuz auf sich lud. Wir können sie, die Zuflucht der Sünder, bitten, uns jedes Mal zu erneuern, wenn wir in Reue zur Beichte kommen.


1 Papst Franziskus, Homilie, 29-III-2019.

2 Benedikt XVI., Ansprache, 21-III-2008.

3 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 214.

4 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1451.

5 Ebd., 1428.