Betrachtungstext: 2. Osterwoche – Mittwoch

Christus ist das Licht der Welt – Das Glaubenszeugnis der Apostel – Wir sind nicht apostolisch tätig, wir sind Apostel

DAS LICHT kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind (Joh 3,19-21). Mit diesen Worten, die wir heute im Evangelium hören, setzt Jesus sein Gespräch mit Nikodemus fort. Sie enthalten ein Motiv, das im Johannesevangelium immer wieder auftaucht: Christus ist das Licht der Welt, und wer ihm nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh 8,12). Das Licht, das Christus in die Welt gebracht hat, war kein blendendes Licht: Ob man es annahm oder nicht, ob man sich ihm näherte oder wegschaute, hing von der Freiheit des Herzens eines jeden ab. Tatsächlich wurde das Licht von vielen abgelehnt. Andere versuchten sogar, es zum Verlöschen zu bringen. Doch der göttliche Heilsplan erweist sich als stärker als jedes menschliche Bemühen.

Das Licht des auferstandenen Christus bleibt ein Licht der Liebe, das sich nicht aufdrängt, sondern sich demütig und unauffällig der Freiheit der Menschen darbietet. Es will uns nicht zwingen und unsere Entscheidungsfreiheit nicht außer Kraft setzen. Wird es in seiner scheinbaren Schwäche aber angenommen, kann es die tiefste Dunkelheit vertreiben. Papst Benedikt schrieb: „Christus, der von den Toten erstanden ist, leuchtet in dieser Welt – und gerade dort am hellsten, wo nach menschlichem Ermessen alles düster und hoffnungslos ist. Er hat den Tod besiegt – er lebt – und der Glaube an ihn durchbricht wie ein kleines Licht all das, was finster und bedrohlich ist. Wer an Jesus glaubt, hat sicherlich nicht immer Sonnenschein im Leben, so als ob ihm Leiden und Schwierigkeiten erspart bleiben könnten, doch es gibt da immer einen hellen Schein, der ihm einen Weg zeigt, den Weg, der zum Leben in Fülle führt (vgl. Joh 10,10). Wer an Christus glaubt, dessen Augen sehen auch in der dunkelsten Nacht ein Licht und sehen schon das Leuchten eines neuen Tages.1


DER HERR, der sich selbst als das Licht der Welt bezeichnete, sagte ebenso zu seinen Jüngern: Ihr seid das Licht der Welt (Mt 5,14). Wir alle sind dazu berufen, Licht zu sein und mit anderen Christen einen Lichtschein darzustellen, der sich immer mehr ausbreitet, und zwar nicht im Sinne einer bloßen Addition, sondern im Sinne eines bewussten Mit- und Füreinanders, wie Papst Benedikt weiter darlegt: „Das Licht bleibt nicht allein. Rings herum flammen weitere Lichter auf. In ihrem Schein erhält der Raum Konturen, so dass man sich orientieren kann. Wir leben nicht allein auf der Welt. Gerade in den wichtigen Dingen des Lebens sind wir auf Mitmenschen angewiesen. So stehen wir besonders im Glauben nicht allein, wir sind Glieder der großen Kette der Gläubigen. Niemand kann glauben, wenn er nicht durch den Glauben der anderen gestützt wird, und durch meinen Glauben trage ich wiederum dazu bei, die anderen in ihrem Glauben zu stärken. Wir helfen uns, einander Vorbilder zu sein, lassen die anderen am Unsrigen teilhaben, an unseren Gedanken, an unseren Taten, an unserer Zuneigung. Und wir helfen einander, uns zurechtzufinden.2

Dies war bei den ersten Christen der Fall, die ein Herz und eine Seele bildeten (Apg 3,32). Als ein Merkmal der „Wiedergeburt in einer Gemeinschaft“ hob Papst Franziskus „die Gnade der Einheit, der Harmonie“ hervor. Und „der Einzige, der uns diese Harmonie schenken kann“, weil „er zugleich auch die Harmonie zwischen dem Vater und dem Sohn darstellt,“3 ist der Heilige Geist. Er hielt die ersten Christen zusammen und drängte sie zugleich zur Evangelisierung. Auf diese Weise wuchs die Kirche – wie die Heilige Schrift berichtet – schnell. Natürlich fehlte nicht an Schwierigkeiten. So hören wir in der heutigen Messlesung, dass die Behörden, die sahen, dass immer mehr Menschen das Christentum annahmen, Hand anlegten an die Apostel und sie in öffentlichen Gewahrsam nahmen (Apg 5,18). Auf die eine oder andere Weise wird es auch in unserem Leben nicht an Schwierigkeiten mangeln, wenn wir versuchen, das Licht Christi um uns herum zu verbreiten. Wenn wir den Eindruck haben, dass wir nicht viel Frucht bringen oder unsere Voraussetzungen nicht die besten sind, sagen wir, jede einzelne, jeder einzelne, mit dem Psalmisten: Da rief ein Armer, und der Herr erhörte ihn (Ps 33,7). Dies war auch die Haltung der Apostel, während sie im Gefängnis saßen. Und der Trost Gottes ließ nicht lange auf sich warten.


EIN ENGEL des Herrn aber öffnete nachts die Gefängnistore, führte sie hinaus und sagte: Geht, tretet im Tempel auf und verkündet dem Volk alle Worte dieses Lebens! Sie gehorchten und gingen bei Tagesanbruch in den Tempel und lehrten (Apg 5,19-21). Die Gestalt des Engels wird nicht näher beschrieben, doch muss sie eindrucksvoll gewesen sein. Bei Tagesanbruch und im Wissen, dass sie erneut verhaftet werden würden, setzten die Apostel die Anweisung um. Sie predigten dabei nicht wie jemand, der einen von außen auferlegten Auftrag ausführt, sondern wie jemand, der seine eigene Sendung erfüllt, eine Aufgabe, die ein Teil von ihm selbst geworden ist; sie waren, in anderen Worten, nicht nur apostolisch tätig, sondern waren und fühlten sich alsApostel, als Zeugen eines Ereignisses, das ihr Leben verändert hatte.

Auch „wir müssen die Welt mit Licht erfüllen (...)“, schrieb der heilige Josefmaria. „Nichts kann mehr befriedigen, als zahllose Seelen dem Licht und der Wärme Christi zuzuführen. Menschen, die nie jemand gelehrt hat, ihr Alltagsleben wertzuschätzen, die das Gewöhnliche für leer und sinnlos halten, die es nicht fertig bringen, diese große Wahrheit zu begreifen und zu bestaunen: dass Jesus Christus sich unser angenommen hat, bis hin zu den scheinbar Geringsten. Allen Leuten sollt ihr sagen: Auch euch sucht Christus, wie er die ersten Zwölf gesucht hat, wie er die Samariterin gesucht hat, wie er Zachäus oder den Gelähmten gesucht hat: surge et ambula (vgl. Mk 2,9), steh auf, der Herr wartet auf dich. Wie er zum Sohn der Witwe von Nain gesagt hat: tibi dico, surge! (Lk 7,14). Ich sage dir: Steh auf aus deiner Bequemlichkeit, aus deiner Trägheit, aus deinem Tod.“4

Bitten wir unsere himmlische Mutter um Hilfe, in uns das Bewusstsein wachzuhalten, dass wir Apostel sind, dazu berufen, das Wirken des Heiligen Geistes zu unterstützen, um viele Seelen Gott näherzubringen.


1 Benedikt XVI., Ansprache, 24.9.2011.

2 Ebd.

3 Franziskus, Tagesmeditation, 14.4.2015.

4 Hl. Josefmaria, Brief Nr. 1, 24.3.1930, Nr. 22.