Betrachtungstext: 2. Adventsonntag (B)

Barmherzigkeit und Geduld Gottes – Zur Umkehr gerufen – Die Sünde zurückweisen

GROSSE TEILE des israelitischen Volkes befanden sich noch immer im Exil, und nach Jahrzehnten voller Not und Schmach zeichnete sich kein Ende ab. Ringsum schien alles dunkel, und viele hatten den Glauben verloren. Doch da erhebt sich hoffnungsfroh die Stimme des Propheten und kündigt einen neuen und ewigen Bund an, der durch einen Nachkommen Davids geschlossen werden wird. Der Prophet Jesaja lässt den weit entfernten Berg Sion und die zerstörte Stadt Jerusalem selbst das Kommen des Herrn jubelnd ankündigen: Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Siehe, da ist euer Gott. Siehe, Gott, der Herr, kommt mit Macht (Jes 40,9-10).

Mit dem Eintritt der zweiten Adventwoche kommt der Herr neuerlich auf uns zu und lädt uns ein, die Ankunft seines Sohnes vorzubereiten. Und wie ehemals die Israeliten so hören wir in der ersten Lesung die Aufforderung des Propheten Jesaja zur Umkehr: Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben (Jes 40,3-4).

Markus greift am Anfang seines Evangeliums genau diese Aufforderung des Propheten auf. Sie bildet den Hintergrund für die Einführung von Johannes dem Täufer: Er ist die von Jesaja vorausgesagte Stimme, der Herold, der das endgültige Kommen des Herrn vorbereitet und die Umkehr zur Vergebung der Sünden (Mk 1,4) verkündet. Dem Beginn des öffentlichen Lebens Jesu geht das Gebet und die Buße seines Cousins voraus.

Die Adventzeit bietet eine günstige Gelegenheit, um die Einladung zur inneren Umkehr anzunehmen; wir können dem Herrn auch dafür danken, dass er in seiner Barmherzigkeit nicht müde wird, uns zu vergeben. Der heilige Josefmaria lädt uns ein zu bedenken, dass Gott „bei unserem Gebet den Vorsitz führt, und du, mein Kind, sprichst mit ihm, wie man mit einem Bruder, einem Freund, einem Vater spricht – voll Vertrauen. Sag ihm: Herr, du bist alle Größe, alle Güte, alle Barmherzigkeit. Ich weiß, dass du mich hörst! Deshalb liebe ich dich immer mehr, bei all meiner Ungeschliffenheit, bei meinen armseligen Händen, die schmutzig sind vom Staub des Weges.“1


NACH seiner Einführung zeichnet Markus ein Profil der Predigttätigkeit des Johannes, seiner Werke und der Auswirkungen seiner Sendung: Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus (...). Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig (Mk 1,5-6).

An seiner Botschaft fällt das asketische Leben des heiligen Johannes als erstes auf. Er predigt mit Taten als würdiger Vertreter einer priesterlichen Familie und widmet sich voll und ganz der Sendung, die der Herr ihm aufgetragen hat. Seine Haltung, seine Lebensweise und seine Kleidung zeigen, dass er der neue Elija ist, dazu bestimmt, dem Gesalbten Gottes vorauszugehen. Darüber hinaus zieht er sich in die Wüste zurück und führt ein Büßerleben, das Jesus selbst später rühmen wird: Was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten (Mt 11,8-9).

Benedikt XVI. wies darauf hin, dass „der Aufruf des Johannes hinsichtlich der Einfachheit des Lebensstiles weiter reicht und tiefer geht: Er mahnt zu einer inneren Veränderung, angefangen beim Eingeständnis und dem Bekenntnis der eigenen Sünde. Während wir uns auf Weihnachten vorbereiten, ist es wichtig, dass wir in uns gehen und unser Leben einer aufrechten Prüfung unterziehen.“2 Auch wir sind aufgerufen, uns durch Werke der Umkehr und Buße innerlich auf die Geburt Christi vorzubereiten. So predigte der heilige Josefmaria einmal zu Beginn des Kirchenjahres: „Der Herr will, dass wir hingegeben, treu, feinfühlig, liebevoll sind. Er will uns heilig, ganz als die Seinen. (...) Du bist zu einem Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe berufen. Du darfst nicht niedriger zielen und in einer mittelmäßigen Zurückgezogenheit verharren. (…) Bitte mit mir unsere Herrin darum und stell dir vor, wie sie diese Monate in Erwartung des Sohnes, der geboren werden soll, wohl verbracht hat. Und unsere Herrin, die heilige Maria, wird erreichen, dass du alter Christus, ipse Christus wirst, ein zweiter Christus, Christus selbst.“3


DIE BÜSSERGESTALT Johannes des Täufers lud alle Menschen, die zu ihm kamen, ein, die Gnade zu ersehnen und zu erbitten, die der Messias bringen würde: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken und ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen (Mk 1,7-8). Auch wenn das Taufritual des Johannes noch nicht das Sakrament war, durch das Jesus uns dem Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung einverleibt, so diente es doch dazu, den Wunsch nach Besserung, die Abkehr von der Sünde und die Umkehr zu Gott zum Ausdruck zu bringen.

Eine der Dimensionen des Advents ist neben der Vorbereitung auf Weihnachten der Gedanke an das Gericht, an das endgültige Kommen Jesu am Ende der Zeit. Wenn wir unser Leben im Licht dieses Augenblicks sehen, der zweifellos kommen wird, hilft uns das oft, die Perspektive zu ändern, mit der wir die Ereignisse unseres täglichen Lebens betrachten. Es ermutigt uns, das Beste aus den Talenten zu machen, die wir erhalten haben, unsere Zeit besser zu nutzen und Gott mehr Ehre zu geben. Darüber hinaus beinhaltet die Bekehrung den Schmerz darüber, Gott beleidigt zu haben, und den Entschluss, die Sünde als das einzig wahre Übel abzulehnen. So vertraute der Gründer seinem Notizbuch einmal an: „Ich wünschte mir, Herr, wahrhaft ein für alle Mal eine unermessliche Abscheu vor allem haben, was nach einem Hauch von Sünde riecht, selbst der lässlichen. Ich wünschte mir eine Zerknirschung wie es jene haben, die dir am meisten Freude zu machen wussten.“4

Die Bußpraxis des heiligen Johannes des Täufers beschränkte sich nicht auf das Taufritual, sondern die Pilger bekannten auch ihre Sünden (Mk 1,5), um die innere Veränderung nach außen zu manifestieren. Diese Bekenntnisse erleichterten das Wirken Gottes in jeder Seele und den Beginn eines neuen Lebens. Nach dem Kommen Jesu Christi dürfen wir auf die Vergebung Gottes im Sakrament der Barmherzigkeit zählen. Papst Franziskus beschreibt dieses so: „Das Sakrament der Versöhnung feiern bedeutet, in eine liebevolle Umarmung hineingenommen zu sein: Es ist die Umarmung der unendlichen Barmherzigkeit des Vaters (…). Jedes Mal, wenn wir beichten, umarmt Gott uns, feiert Gott ein Fest!“5

Wenden wir uns an Maria, das Vorbild der Vorbereitung auf das Kommen des Gotteskindes. Mit ihr gemeinsam wollen wir im Tagesgebet der Messe um die Läuterung unseres Herzens in dieser Adventzeit bitten: „Allmächtiger und barmherziger Gott, deine Weisheit allein zeigt uns den rechten Weg. Lass nicht zu, dass irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern, deinem Sohn entgegenzugehen. Führe uns durch dein Wort und deine Gnade zur Gemeinschaft mit ihm, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.“6


1 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, S. 32.

2 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 4.12.2011.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 11.

4 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 23, von April 1930.

5 Franziskus, Audienz, 19.2.2014.

6 Tagesgebet, 2. Adventsonntag