Betrachtungstext: 16. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Das Reich Gottes wächst in einem jeden – Das Unkraut wächst mit dem Korn – Den guten Samen aufnehmen

JESUS verwendet Gleichnisse, um bestimmte Aspekte seiner Lehre zu veranschaulichen. Eines Tages erklärte er das Reich Gottes anhand von drei Bildern: dem guten Samenkorn, das zusammen mit dem Unkraut keimt, dem kleinen Senfkorn, das zu einem blühenden Baum wird, und dem Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert (vgl. Mt 13,31-33). Alle drei Beispiele haben etwas gemeinsam: das Wachstum. Der gute Samen und das Unkraut wachsen gemeinsam, bis sie zur Erntezeit getrennt werden; das Senfkorn wächst zu einem großen Baum empor, in dem die Vögel des Himmels nisten; ein wenig Sauerteig im Mehl lässt den ganzen Teig aufgehen.

Das Reich Gottes zeichnet sich also durch seine Dynamik aus, durch die Tatsache, dass es immer in Bewegung ist. Es ist keine statische Wirklichkeit: Es ist dazu bestimmt, sich jeden Tag und unter allen historischen Umständen auszudehnen. Das Reich Gottes wächst vor allem dann, wenn der Mensch der göttlichen Initiative Raum gibt, wenn dieser Same seine volle Kraft entfalten kann, vor allem in unserem Inneren. Wie ein guter Gärtner pflegt der Herr den Boden, der jeder von uns ist. Er versteht zu warten, bis die Saat aufgeht. Papst Franziskus sagte: „Jesus schaut auf den ,Acker‘ des Lebens eines jeden Menschen voll Geduld und Barmherzigkeit: Er sieht den Schmutz und das Böse viel besser als wir, doch er sieht auch die Keime des Guten und wartet vertrauensvoll, dass sie heranreifen.“1

Jesus möchte uns mitteilen, dass, wie Papst Benedikt sagte, „in uns etwas Kleines und Verborgenes ausgesät ist, das dennoch eine unaufhaltsame Lebenskraft besitzt. Trotz aller Hindernisse wird sich der Same entfalten und die Frucht reifen.“2 Es ist eine tröstliche Tatsache: Wenn wir das Gottes Wachstum in uns nicht behindern, wächst sein Reich in unseren Herzen, oft ohne dass wir uns dessen allzu deutlich bewusst sind.


IM ERSTEN Gleichnis wachsen die gute Saat des Weizens und die schlechte Saat des Unkrauts gleichzeitig auf einem Acker. Als die Jünger Jesus nach der Bedeutung des Bildes fragen, erklärt er ihnen: Der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Kinder des Reiches; das Unkraut sind die Kinder des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel (Mt 13,37-39). Damit verdeutlicht Jesus, dass das Böse zwar in der Welt vorhanden ist, aber nicht von Gott stammt.

Der Herr zeigt, dass das Unkraut bis zum Ende der Ernte neben dem guten Samen Bestand hat. Johannes Paul II. erklärte dazu: „Es ist nicht möglich, sich die menschliche Geschichte ohne Unkraut vorzustellen; das heißt, wie Jesus selbst sagt, es ist nicht möglich, das Unkraut völlig auszurotten, weil es sich mit dem Guten vermischt.“3 Wir beobachten diese Realität nicht nur außerhalb von uns selbst, sondern erleben sie vor allem in unseren eigenen Herzen, wo neben echtem Verlangen nach Heiligkeit böse Neigungen Bestand haben. Wir machen die gleiche Erfahrung wie der heilige Paulus, der großen Schmerz empfand, als er erkannte, dass die Sünde in ihm wohnte: Was ich bewirke, begreife ich nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse (Röm 7,15).

Es sollte uns weder überraschen noch die Hoffnung rauben, wenn wir das Unkraut in unseren Herzen spüren, wie Neid, Eifersucht und weniger edle Begierden. In diesem Sinn sagte der heilige Josefmaria: „Lasst euch nicht betrüben, wenn euch in den wunderbarsten Momenten eures Lebens plötzlich die Versuchung überkommt – die ihr vielleicht für ein Verlangen haltet, dem ihr zustimmt, obwohl es nicht so ist –, die größten Schandtaten zu begehen, die man sich nur vorstellen kann. Nehmt Zuflucht zur Barmherzigkeit Gottes und vertraut auf die Fürsprache seiner und unserer Mutter, und alles wird sich zum Guten wenden. Danach könnt ihr lachen: Gott behandelt mich wie einen Heiligen! Es hat keine Bedeutung; seid überzeugt, dass der alte Mensch, den wir alle mit uns tragen, sich jederzeit erheben kann. Seid fröhlich und kämpft wie immer!“4


DAS GLEICHNIS vom Weizen und vom Unkraut fasst auf gewisse Weise das Geheimnis der menschlichen Geschichte zusammen: Es zeigt sowohl das Wirken Gottes als auch die Freiheit des Menschen, wenn diese für die Sünde missbraucht wird. Durch unser Handeln können wir dazu beitragen, dass die Saat des Reiches Gottes aufgeht, wir können jedoch auch das Unkraut wachsen lassen. Und dieses wird nicht vorzeitig aus dem Acker gejätet, denn der Herr hat uns vollkommen frei gelassen. Er hat uns nicht geschaffen, um vorherbestimmt nur die gute Saat zu nähren, und er hat den Acker auch nicht mit hohen Mauern umgeben, um ihn zu schützen. Er hat ihn frei zugänglich gelassen, damit die Saat ungehindert wachsen kann, obwohl er weiß, dass jemand vorübergehend einen Teil der Ernte sabotieren könnte.

Auf dem Acker unseres Herzens wachsen die gute Saat des Weizens und die Saat des Unkrauts nebeneinander. Der Freiheit unseres Herzens ist die Entscheidung überlassen, ob das Unkraut den Weizen erstickt oder der Weizen dem Unkraut überlegen ist. Manchmal ist es jedoch nicht leicht, diese Unterscheidung zu treffen, denn Gut und Böse sind ineinander verwoben. Es kommt nun darauf an, die Entscheidung zu treffen, guter Weizen sein zu wollen, „mit allen zur Verfügung stehenden Kräften, um so Abstand vom Teufel und seinen Verführungen zu nehmen“5. Wir werden nur dann wirklich glücklich sein, wenn wir guter Same sein wollen und unsere Freiheit nutzen, um Gott und die anderen zu lieben. Bei der Entscheidung, guter Same zu sein, kann als Richtschnur helfen, stets den Dienst zu wählen.

„Derjenige, der bei der Prüfung seines Gewissens erkennt, dass er Unkraut ist“, predigte der heilige Augustinus, „soll sich nicht fürchten, sich zu ändern. Es wurde noch nicht zum Mähen aufgerufen, es ist noch Zeit bis zur Ernte. Sei heute nicht, was du gestern warst, und sei morgen nicht, was du heute bist.“6 Maria, unsere Hoffnung, wird uns in diesem Kampf unterstützen, den guten Samen in uns wachsen zu lassen, damit er unsere Herzen und die Herzen unserer Mitmenschen erobere.


1 Franziskus, Angelusgebet, 20.7.2014.

2 Benedikt XVI., Angelusgebet, 17.7.2011.

3 Hl. Johannes Paul II., Predigt, 19.7.1987.

4 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, Das Talent zu sprechen.

5 Franziskus, Audienz, 23.7.2017.

6 Hl. Augustinus, Predigt 73, A.