IN DER heutigen zweiten Lesung fordert der heilige Paulus die Kolosser auf, nach den himmlischen Gütern zu streben. Damit einher geht ein deutlicher Appell: alles Weltliche aus ihrem Leben zu entfernen – Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist (Kol 3,5). Denn ein lasterhaftes Leben hindert uns nicht nur daran, Gott eines Tages von Angesicht zu Angesicht zu schauen – sondern verwehrt uns bereits hier auf Erden die Möglichkeit zu wahrem Glück.
So verführerisch das Laster auch erscheinen mag – weil es sofortige und intensive Freude verspricht –, bleibt es trügerisch wie eine Fata Morgana: Was zunächst real anmutet, löst sich im entscheidenden Moment auf. Es bedient häufig tiefe menschliche Sehnsüchte – nach Liebe, Geborgenheit, Frieden – und gaukelt uns vor, ein guter Weg zu deren Erfüllung zu sein. Doch die Erfahrung lehrt, dass dieser Weg ins Leere führt: Nach einer kurzzeitigen Befriedigung kommt es bald zu einem Verlangen nach mehr – ohne dass wahrer Friede einzieht. Zurück bleibt ein Zustand permanenter Unzufriedenheit und eine gewisse Unfähigkeit, einfache Freuden zu verkosten. Trost findet man nur noch im Sündhaften.
Papst Franziskus erinnert uns daran, dass niemand diesem Weg ausgeliefert ist: „Das Herz des Menschen kann üblen Leidenschaften folgen und schädlichen Versuchungen Gehör schenken, die in schmeichelnde Gewänder gekleidet sind, es kann sich all dem aber auch widersetzen. (…) Der Mensch ist für das Gute geschaffen, das ihn wahrhaft verwirklicht, und in dieser Kunst kann er sich auch üben und so dafür sorgen, dass gewisse Haltungen in ihm dauerhaft werden.“1 Diese Haltungen sind die Tugenden, die uns helfen, nicht nur gelegentlich, sondern beständig das Gute zu wählen. Ein tugendhafter Mensch ist besser in der Lage, seine Leidenschaften zu beherrschen und mit größerer Freiheit zu handeln: Er möchte sein Herz nicht mit Belanglosigkeiten füllen, sondern in Einklang mit seiner Identität als Christ authentisch leben. Der heilige Josefmaria betonte: „Echte Tugend ist nicht traurig und unsympathisch. Sie ist froh und liebenswürdig.“2
Der Weg der Tugend ist sicherlich mit Mühe und Kampf verbunden, um der Anziehung des Lasters zu widerstehen. Entscheidend ist jedoch zu wissen, dass wir so der Gnade Raum verschaffen, uns zu reinigen, und eine innere Freiheit erlangen, die uns das Leben mit dem Herrn genießen lässt. Papst Franziskus fasste zusammen: „Der geistliche Kampf führt uns dahin, jenen Lastern ins Auge zu blicken, die uns fesseln, und mit der Gnade Gottes zu jenen Tugenden unterwegs zu sein, die in uns aufgehen können und so den Frühling des Geistes in unser Leben bringen.“3
EINES dieser Laster ist die Eitelkeit. Sie verführt uns dazu, unser Glück an die Meinung der anderen zu binden. Im Hebräischen steht dafür ein Wort, das „Dunst“ oder „Hauch“ bedeutet. So erklärt sich die erste Lesung dieses Sonntags aus dem Buch Kohelet: Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch (Koh 1,1-2). Der heilige Autor will damit bedeuten, dass alles Streben des eitlen Menschen – nach Größe, Erfolg, Bewunderung – flüchtig ist: Wie ein Moment, der keine Spuren hinterlässt. Der Kirchenlehrer Basilius erklärte dazu: „Kohelet offenbart uns die Eitelkeit alles Irdischen, damit wir begreifen, dass das Vergängliche nicht begehrenswert ist und wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf belanglose oder nichtige Dinge richten sollen.“4
In gewisser Weise führt Eitelkeit zur Instrumentalisierung menschlicher Beziehungen: Der andere wird zum Spender von Anerkennung. Wenn es nach dem Eitlen ginge, müssten „seine Person, seine Unternehmungen, seine Erfolge allen gezeigt werden: Er bettelt unablässig um Aufmerksamkeit.“5 Der heilige Josefmaria merkte an: „Manch einer meint, er sei wie die Sonne der Mittelpunkt aller anderen, alles solle um ihn als dem Zentrum kreisen.“6
Jesus warnte eindringlich davor, gute Werke nur zu tun, um gesehen zu werden, denn man suche damit mehr die menschliche Anerkennung als die göttliche Belohnung (vgl. Mt 6,1); stattdessen lobte er stille, diskrete Gesten wie die der armen Witwe (vgl. Mk 12,41-43). Wenn wir uns umschauen, entdecken wir auch heute viele Menschen, die sich still für andere aufopfern. Christliches Leben besteht aus vielen Gesten – zu lächeln trotz Müdigkeit, lieber zu schweigen als zu verletzen, Zeit zu verbringen mit schwierigen Menschen oder unscheinbare Arbeiten zu verrichten –, die vielleicht unbeachtet bleiben, aber Gott sehr wohl sieht. Unddein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten (Mt 6,4). Dieser Lohn wird ein Glück sein, das nicht vom schwankenden Urteil anderer abhängt, sondern von der Gewissheit, Gott zu gefallen.
IM EVANGELIUM spricht Jesus von einem reichen Mann, der dem Laster der Habgier verfallen ist. Angesichts einer reichen Ernte wähnt er, dass sein Leben von nun an nur noch aus Wohlergehen, Essen, Trinken und Vergnügen bestehen wird. Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist. Por eso, Cristo advierte: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt (Lk 12,13-21). Die Habgier macht blind für die Wahrheit, dass Glück nicht in der Ansammlung von Besitz liegt, und führt dazu, dass alles, was nach Verzicht aussieht, als Verlust erlebt wird. So war es auch beim reichen Jüngling, der traurig wegging, als Jesus ihn rief, weil er sich nicht vorstellen konnte, ohne seinen Besitz glücklich zu sein (vgl. Mt 19,22).
Ganz anders die Apostel: Petrus, Jakobus und Johannes ließen ihre Boote am Ufer zurück (vgl. Lk 5,11), Matthäus seinen einträglichen Beruf als Zöllner (vgl. Mt 9,9). Ihr Verzicht war konkret – aber auch befreiend. Denn sie entschieden sich nicht gegen etwas, sondern für jemanden: Christus. Anstatt Güter anzuhäufen, die sich früher oder später auflösen würden, wollten sie ihr Herz mit etwas Größerem füllen, das nicht enttäuscht und nicht vergeht. Der heilige Josefmaria betonte daher, dass derjenige, der sich entscheidet, für den Herrn zu leben, in Wahrheit nichts verliert.7
Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich vollständig von den materiellen Gegebenheiten abwenden soll. „Selbstverständlich bedarfst du der materiellen Hilfsmittel“, kommentierte der Gründer des Werkes. „Aber setze alles daran, dass du selbst von allem irdischen Besitz losgelöst bist, damit du diese Mittel stets nur im Dienst an Gott und den Menschen gebrauchst.“8 Wir bitten die Jungfrau Maria, dass sie uns helfe, ein freies Herz zu haben – eines, das alles als Gewinn ansieht, was uns näher zu Christus führt.
1 Franziskus, Audienz, 13.3.2024.
2 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 657.
3 Franziskus, Audienz, 3.1.2024.
4 Hl. Basilius, In principium Proverbiorum 1.
5 Franziskus, Audienz, 28.2.2024.
6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 101.
7 Vgl. hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 21.
8 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 728.