JEDER, DER den seligen Alvaro del Portillo näher gekannt haben, war der Meinung, dass er verkörperte, was der heilige Josefmaria einmal sagte: „Ein untrügliches Kennzeichen für ein Kind Gottes ist der Friede im Herzen, das heißt selbst den Frieden haben und den Mitmenschen den Frieden weitergeben.“1 Es ist der Wunsch eines jeden Menschen, den inneren Frieden zu finden – nicht in ständiger Unruhe zu leben – und darauf zu vertrauen, dass es keine Sorgen gibt, für die sich nicht ein Trost findet.
In einer Tagesmeditation wies Papst Franziskus auf eine wichtige Unterscheidung hin: „Der Friede, den die Welt gibt, ist ein Friede ohne Drangsal, ... ein künstlicher Friede, der eher Ruhe als wirklicher Frieden ist ..., der nur auf die eigenen Belange, die eigenen Sicherheiten schaut, darauf, dass einem nichts fehlt. ... Die Welt lehrt uns den Weg des Friedens in der Betäubung und betäubt uns, um uns die andere Wirklichkeit des Lebens nicht sehen zu lassen: das Kreuz. Der Friede Gottes hingegen ist ein realer Friede, der mit der Wirklichkeit des Lebens vereinbar ist, der das Leben nicht verleugnet. Denn das Leben ist so: Es gibt Leid, es gibt Krankheit, es gibt viel Hässliches, es gibt Kriege, ... Und dennoch verlieren wir nicht jenen Frieden, der von innen kommt, der ein Geschenk ist, sondern machen weiter und nehmen Kreuz und Leid auf uns. Ein Friede ohne Kreuz ist nicht der Friede Jesu – sondern ein Friede, den man kaufen kann. Vielleicht können wir ihn künstlich herstellen, er ist jedoch nicht von Dauer: Er hat ein Ende.“2
Den Seelenfrieden, den wir für uns selbst und für die anderen benötigen, finden wir im Umgang mit dem Herrn. Nur er hat den Schlüssel dazu. Wir sehnen uns nach diesem Frieden, weil er uns die Welt realistisch sehen lässt: mit den Augen Gottes.
DIE WORTE, die Jesus beim Letzten Abendmahl an die Apostel richtete und die wir heute im Tagesevangelium hören, sind wunderbar: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht (Joh 14,27). Überlegen wir, welche Sorgen uns den inneren Frieden rauben, was unser Herz beben oder schwanken lässt – um dann auf den Rat des heiligen Josefmaria zu hören: „Entfache in deiner Seele und in deinem Herzen – in deinem Denken und in deinem Wollen – den Geist des Vertrauens und der Hingabe an den liebevollen Willen des himmlischen Vaters ... Von dort kommt der innere Friede, nach dem du dich sehnst.“3
In jeder Heiligen Messe erfahren wir jenen Frieden, den nur Gott gewährt, auf besondere Weise. Kurz vor dem Empfang der Kommunion, nach dem Vaterunser, öffnet der Priester seine Arme für die ganze Menschheit und wünscht jedem einzelnen: „Der Friede sei mit euch.“ Alles, was es an Gutem in der Kirche, in jedem Christen, in jedem Menschen gibt, entspringt in Jesus Christus und in seinem Opfertod auf Golgota. Ein Christ, der sein Leben verbunden mit der Messe, mit dem Herzen Christi führt, „kennt“, so sagte der heilige Josefmaria, „nur ein Ziel: den Frieden in der Gesellschaft, den Frieden in der Kirche, den Frieden in der eigenen Seele: den Frieden Gottes, der vollendet wird, wenn sein Reich kommt.“4
Die Kirche lässt Jesus jene für unsere wunden Seelen so tröstlichen Worte bei Jeremias sagen: Ich kenne die Gedanken, die ich für euch denke, es sindGedanken des Heils und nicht des Unheils; ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben (Jer 29,11). Tatsächlich, in Jesus „zeigt sich uns deutlich, wie sehr Gott uns liebt. Er kommt nicht, um uns zu verurteilen und uns unsere Bedürftigkeit und Bosheit vorzuhalten: Er kommt, um uns zu erretten, zu vergeben und zu entschuldigen, um uns den Frieden und die Freude zu schenken.“5
DER HEILIGE THOMAS von Aquin plädierte dafür, zu den neun Früchten des Heiligen Geistes, wie sie der heilige Paulus aufzählt, auch noch die Liebe, die Freude und den Frieden hinzuzufügen. Er argumentiert, dass der heilige Paulus selbst geschrieben hat, dass die Liebe Gottes ausgegossen wird in unsere Herzen durch den Heiligen Geist (Röm 5,5). Und fährt dann fort: „Der heiligen Liebe aber folgt unausweichlich die Freude, denn der Liebende freut sich über die Verbindung mit dem Geliebten (...). Die Vollendung der Freude aber ist der Friede.“6 Allerdings, so Thomas, gibt es für diesen Frieden zwei Voraussetzungen, nämlich: „dass man sich (im Genuss der Liebe) nicht von außen stören lässt und alles Verlangen in einem Gute seine Ruhe findet.“7 In anderen Worten: Wir erlangen den wahren Frieden, indem wir Gott an die erste Stelle setzen und alles fern halten, was uns von ihm trennen könnte.
Dies aber ist nicht möglich ohne Kampf. Deshalb schrieb der Gründer des Opus Dei: „Der Friede fordert von mir beständigen Kampf. Ohne Kampf kann ich keinen Frieden finden.“8 Er lehrte unermüdlich, dass der Friede eine Folge des Krieges ist, eines Krieges, den wir in erster Linie gegen uns selber führen sollen: indem wir jede Art von Egoismus ablegen, die eigenen Wünsche nach den Wünschen Jesu richten, unsere Kräfte auf die Verbreitung des Guten konzentrieren usw. – kurzum kämpfen, um voranzutreiben, was Gott gefällt. Der heilige Josefmaria hielt fest: „Die Menschen sind ständig dabei, Frieden zu schließen und Kriege vom Zaun zu brechen. Woran das liegt? Sie haben vergessen, dass man im eigenen Inneren kämpfen und auf die Hilfe Gottes bauen soll, damit er der Sieger sei und sein Friede herrsche – im eigenen Herzen, im eigenen Zuhause, in der Gesellschaft und in der Welt.“9
Maria ist die Königin des Friedens, weil sie in den beglückenden wie in den leidvollen Momenten stets mit dem Blick auf den Herrn lebte. Wir flehen sie an, uns zu helfen, in jeder Lebenslage Seelenruhe und Frieden zu bewahren.
1 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 649.
2 Franziskus, Tagesmeditation, 16.5.2017.
3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 850.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 170.
5 Ebd., Nr. 165.
6 Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 70, a 3.
7 Ebd.
8 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 308.
9 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 102.