Hart, aber herzlich

Die IESE-Schule in Barcelona bietet mediterranes Lebensgefühl und gilt als eine der internationalsten Managementschmieden Europas. Das MBA-Studium aber ist ein Härtetrip.

Eine Villa als Keimzelle des Erfolgs: 1964 wurden hier die ersten MBA-Studenten ausgebildet Eine Villa als Keimzelle des Erfolgs: 1964 wurden hier die ersten MBA-Studenten ausgebildet

Ein MBA-Studium ist stressig - warum also nicht dort lernen, wo es exotisch, aufregend, also schlichtweg schön ist. Schließlich soll das Management-Training auch Spaß machen.

In einer neuen Serie stellt ZEIT Campus online MBA-Programme an attraktiven Studienplätzen vor. Teil vier informiert über die IESE Business School in Barcelona.

Wer es sich leisten kann, lebt in Barcelona inmitten der grünen Hügel, die die katalonische Metropole umgeben. Zum Beispiel an der Avenida Pearson, wo Prinzessin Cristina, eine der spanischen Thronfolgerinnen, ihren Wohnsitz hat. Dort oben befindet sich auch Barcelonas Managementschmiede, die IESE Business School . Sie ist Teil der privaten Universität von Navarra und eine der renommiertesten Wirtschaftsschulen Europas.

Eine Villa als Keimzelle des Erfolgs: 1964 wurden hier die ersten MBA-Studenten ausgebildet Eine Villa als Keimzelle des Erfolgs: 1964 wurden hier die ersten MBA-Studenten ausgebildet

Ein schmales Tor, dahinter ein Glaskasten, in dem die Sicherheitsleute sitzen. Und schon steht man auf dem kleinen, grünen Campus vor einer alten Villa. Sie ist die Keimzelle der Eliteschule, die vor 50 Jahren noch unter Francos Diktatur von der erzkatholischen Prälatur Opus Dei gegründet wurde. Doch wer bei katholisch und Kirche nur an Zucht und Ordnung denkt, liegt zumindest an diesem lauen Frühlingsmorgen daneben. Die künftige Führungselite wirkt verschlafen und kommt zum Finance-Kurs hemdsärmelig in Jeans, T-Shirt und Pullover daher.

An Styling ist bei dem dichten Stundenplan auch nicht zu denken. Einige schleppen ihren Kaffee mit in den Hörsaal; andere kommen sogar zu spät - obwohl das gar nicht gern gesehen wird. Unerbittlich wach ist dagegen der argentinische Professor Javier Estrada, der die Studenten mit Fragen zum Investment-Management aus der Reserve lockt: "Fassen Sie in einer Minute zusammen, wie die Risiken dieser Aktie aussehen."

Es sind junge Leute aus China, den USA, Spanien, Deutschland, Indien und vielen weiteren Nationen, die nun gemeinsam über Finanzfragen brüten. Jeder MBA-Jahrgang ist hier ein kleiner Kosmos für sich. Etwa 210 bis 250 MBA-Studenten beginnen Jahr für Jahr im September ihr zweijähriges Vollzeit-MBA-Programm . Daneben gibt es mehrere Executive-Programme für Führungskräfte wie etwa den Global Executive MBA.

Der neue Campus über den Dächern der Stadt: Seit 2007 genießt man einen Blick bis hin zum Meer

Das Ausleseverfahren für den Vollzeit-MBA hat es in sich: Die Schule hat jedes Jahr weit mehr Kandidaten, als sie am Ende aufnimmt. Dabei hat der Sprung in die Managerelite - und darauf will das Studium vorbereiten - seinen Preis: Der Vollzeit-MBA kostet fast 65.000 Euro, dazu kommen die Lebenshaltungskosten. Allerdings lohnt es sich für Interessenten, sich frühzeitig nach Stipendien zu erkundigen, die sowohl von der IESE Alumni Organisation als auch von vielen Unternehmen vergeben werden.

Ganz klassisch lernt jeder in der MBA-Ausbildung zunächst einmal das Instrumentarium des General Management. Doch neben diesem ökonomischen Primärwissen geht es auch darum, die Persönlichkeit auszubilden. Obwohl viele MBA-Studenten aus Beratungsunternehmen und Banken kommen, zieht die Schule - wohl vor allem wegen dieser Breite des Lehrprogramms - auch Kandidaten mit ungewöhnlichen Karrieren an. Ein Magier aus dem russischen Staatszirkus, der das Marketing im Zirkus neu organisieren will, sitzt da neben einem indischen Notfallchirurgen.

Für den Weltbürger Jonas Nitschak, der in Brasilien, Deutschland und Peru aufwuchs, spielten vor allem die exzellenten Rating-Ergebnisse der Schule eine Rolle. Außerdem konnte er hier sein Spanisch gut gebrauchen, denn anders als in der meist englischsprachig geprägten Welt europäischer Topschulen werden an der IESE auch Kurse in der Landessprache angeboten.

Im Mai wird er dann seinen Abschluss in der Tasche haben; den Folgevertrag für ein Leadership-Programm an der Citibank in London hat er schon unterschrieben. Dabei hatte Nitschak eigentlich Architekt werden wollen, doch nach dem Vordiplom brach er das Architekturstudium in Dresden ab und machte in Edinburgh mit einem Master in Projektmanagement weiter. In Barcelona holte er sich den letzten Managementschliff und erweiterte sein Wissen in puncto Finanzen. "Man kommt am Ende als ein anderer Mensch aus diesem Programm heraus", sagt er.

Wie der typische Karrierist wirkt der 30-Jährige allerdings nicht. Er ist als Präsident der MBA-Klasse so etwas wie der oberste Klassensprecher und kümmert sich um den Zusammenhalt der Leute. So wie er engagieren sich die meisten Studenten nebenbei, etwa in einem der vielen Universitätsclubs. Hier wird denn auch die Philosophie der IESE spürbar: Der Mensch steht im Zentrum unternehmerischer Entscheidungen.

Mehr noch als an den Kreuzen, die in allen Klassenzimmern hängen, oder an der Kapelle auf dem Schulgelände zeigt sich der alte katholische Geist in dem Understatement, das man an der Schule pflegt. MBA-Direktor Luis Palencia etwa empfängt seine Besucher ganz bescheiden in seinem kleinen Büro. Auch er betont: "Ein guter Manager sollte auch eine umsichtige und aufrichtige Persönlichkeit sein." Ihm ist es wichtig, dass die MBA-Studenten lernen, im Team zu arbeiten und so Verantwortung auch für Kollegen zu übernehmen.

Luis Palencia ist der oberste Hüter des MBA-Curriculums, das ab und an vorsichtig geändert wird, zum Beispiel, indem jetzt schon im ersten MBA-Jahr Unternehmensgründung (Entrepreneurship) zum Pflichtprogramm gehört. Die Management-Schule setzt seit ihrer Gründung - 1964 startete das erste MBA-Programm - nach dem Vorbild der US-amerikanischen Elitehochschule Harvard ganz auf die Case Study -Methode. Am Ende ihres Studiums werden die Absolventen dann mit 400 konkreten Business-Fällen aus allen Bereichen der Wirtschaft gearbeitet haben.

Das erste Jahr ist für die MBA-Studenten hart. Für einen Spaziergang am Meer bleibt wenig Zeit; von Ausflügen an die Costa Brava mit ihren Stränden ganz zu schweigen. Jeden Morgen ist Teamtreffen, auch wenn bis tief in die Nacht Prüfungen oder Hausaufgaben vorbereitet werden müssen.

"Jeder wird an sein Limit geführt", bestätigt auch Jonas Nitschak. Vor allem die MBAler aus eher liberaleren Ländern haben damit anfänglich Probleme. Zu spät zu kommen ist verpönt, und wer seine Arbeit wegen Überlastung eine Stunde später abgibt, kann Pech haben, dass sie dann nicht mehr angenommen wird. Für Amerikaner und Deutsche sind das oft ganz neue Erfahrungen.

Wie viele das harte Programm aufgeben, bleibt das Geheimnis der Schule. "Die meisten machen nur eine Pause, dann können sie im nächsten Jahr wieder neu anfangen", sagt der Inder Anjaney Borwankar, der für die Auswahlkommission der Schule arbeitet und Kandidaten in der ganzen Welt rekrutiert. Wer Probleme mit dem Stoff oder persönliche Schwierigkeiten hat, bekommt viel Unterstützung von den Professoren.

Immer wieder kommt die Sprache auf den IESE-Spirit, der die Schule prägt und der wie ein ständiger Begleiter durch die laue katalonische Luft zu wehen scheint. In allen Gesprächen betonen die Studenten, wie wichtig ihnen der persönliche Umgang ist, der an der spanischen Eliteschule gepflegt werde. Nicht nur mit dem gut ausgebildeten akademischen Personal. Viele finden hier Freunde und Business-Kontakte fürs Leben; einige gründen gemeinsame Firmen.

Auf die Zeit nach dem MBA werden die Studenten durch eine spezielle Karriereberatung vorbereitet, die vom ersten Tag an beginnt. Neben Bewerbungstraining, Anleitungen zu den unterschiedlichsten Netzwerkstrategien und Infos über potenzielle spätere Arbeitgeber, geht es auch darum, den Kandidaten ihren eigenen Weg zum nächsten Karriereschritt aufzuzeigen. Selbst wenn damit ein schwieriger Karrierewechsel verbunden ist.

Der Neu-Ulmer Heiko Seitz, der das Studium in Barcelona trotz des Stresses traumhaft findet, hatte eigentlich bei seinem Start an der IESE fest damit gerechnet, in einer Unternehmensberatung zu landen. Doch es wurde ihm immer klarer, dass er seinen Weg im Geschäft mit Rohstoffen sieht. "Das MBA-Programm hat mir die Augen geöffnet und mein Interesse für Produktionsprozesse geweckt", sagt er. Seitz hat seinen MBA erst im September 2007 begonnen und schon jetzt einen Vertrag beim Energieunternehmen BP unterschrieben.

Im zweiten Jahr lässt der Druck nach, und es gibt stressfreiere Tage, wenn die Studenten ihre eigenen Wahlkurse belegen können. Dann bleibt auch etwas mehr Zeit, um zur von ihnen organisierten "Bar of the Week" zu gehen. Immer donnerstags fallen die IESE-Schüler nach Feierabend in die Bars und Clubs der Stadt ein - und genießen endlich auch einmal die lauen spanischen Nächte am Meer.

Von Kerstin Schneider Die ZEIT online 22.4.2008