Der Mensch als Ware

Ethische Überlegungen zur Reproduktionsmedizin

John Haas bei seinem Vortrag im Bildungszentrum Weidenau

Im Jahre 1978 wurde das erste Retortenbaby geboren. Was damals noch eine Sensation war, ist heute medizinische Routine. Seitdem haben sich die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und die gesellschaftlichen Ansprüche erheblich verändert.

Und was ist mit den ethischen Grundlagen? Mit dieser Frage beschäftigte sich am 14. Mai ein Gesprächsabend im Münchener Bildungszentrum Weidenau. Referent war der amerikanische Bioethiker John Haas (Philadelphia). Der Präsident des National Catholic Bioethics Center und Gründer des Institute for International Culture erläuterte die anthropologischen Aspekte der IVF (In-Vitro-Fertilisation).

Haas betonte zunächst, dass die Bioethik nicht eine Frage eines religiösen, sondern eines rationalen Diskurses sei. Es gehe um die Frage der vernunftbegründeten Humanität und der Würde des Menschen. Sie bedeute seine unbedingte Unantastbarkeit und Freiheit von Verzweckung durch andere. Zur Bewahrung seiner Würde bedürfe der Mensch der Achtung seiner Existenz vom Lebensanfang bis zum Lebensende.

Der „in vitro" erzeugte Mensch sei jedoch in seinem Entstehen - was stets ein labortechnischer Produktionsakt sei -fremd-bestimmt und einer Fremdmanipulation ausgeliefert. Er sei im Reagenzglas seiner Würde und Intimität beraubt und so Objekt letztlich nicht kontrollierbarer Techniker. Möglicherweise werde er sogar zum Objekt der Begierde von Agenten und Maklern.

Ein berechtigter Kinderwunsch von Eltern rechtfertige doch nicht, auf diese Weise einen Menschen in fremde Hände auszuliefern. Letztlich gebe es auch kein Recht auf ein Kind, wie es überhaupt nie ein Recht auf einen Menschen geben könne. Vielmehr sei jeder Mensch doch immer und zuerst selbst Rechtssubjekt.

Der Kinderwunsch eines Ehepaares, das die Möglichkeiten der In-Vitro-Fertilisation in Anspruch nimmt, mag ethisch durchaus gut sein. Trotzdem werde der so entstandene Mensch im Kern dem Willen anderer ausgeliefert, aus der Intimität eines Elternpaares herausgerissen und so Objekt fremder Machtausübung. Die besten Absichten könnten bestimmte Vorgehensweisen nicht rechtfertigen - wie überhaupt ein guter Zweck nicht den Einsatz beliebiger Mittel erlaubt.

Ein natürlicher Zeugungsakt, der grundsätzlich frei bleibe und durch den kein unbedingtes Recht auf ein Kind einlösbar sei, ist nie ein schierer Produktionsakt. Vielmehr hält er die Entstehung des neuen Menschen frei von Manipulation und bewahrt ihm die Intimität und die Würde im Mutterleib.

Die Reduzierung des Menschen auf ein Objekt - seine „Verzweckung" - verbiete sich aufgrund seiner unantastbaren Würde, die Haas im Anschluss an den Personenbegriff Kants auf die „Selbstzwecklichkeit" stützte, die durch die menschliche Natur prinzipiell gegeben sei.

An Beispielen aus den USA verdeutlichte Haas was geschieht, wenn diese ethischen Grenzen nicht eingehalten werden: In den Staaten existieren derzeit etwa 450.000 tiefgefrorene menschliche Embryonen. Eine geschäftstüchtige „Maklerin" aus Texas habe eine lukrative reproduktions-medizinische „Geschäftsidee" umgesetzt: Sie unterhält Datenbanken potentieller Ei- und Samenspender. Die Bewerber müssen akademisch gebildet sein und Fotos von sich sowie von bereits vorhandenen eigenen Kindern vorlegen. Die „Kunden" können dann ihr Wunschkind nach dem Katalog kreieren. Nachgefragt werden fast ausschließlich blonde und blauäugige Ei- und Samenspender, berichtete Haas. Wie ein Teilnehmer zugespitzt formulierte, generiert hier der „freie Markt" ganz nebenbei subtile Formen von Rassenauslese. Die US-Bundesbehörde FDA (Food and Drug Administration) nahm den „Betrieb" zwar unter die Lupe, sah sich aber außerstande einzugreifen.

Derartigen Auswüchsen ist in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz noch ein Riegel vorgeschoben. Aber auch hier hinterlässt die Praxis der IVF regelmäßig das ethische Problem des „richtigen Umgangs" mit „überzähligen" Embryonen: „Verwerten" oder Vernichten als mögliche, aber unter keinen Umständen wählbare Handlungsalternative.

von Josef Dohrenbusch