Das leere Grab zwingt zur Entscheidung

Die Auferstehung hat mit Reinkarnation nichts zu tun – Jesus lebt nicht nur in seiner Botschaft weiter.

„Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war“ (Lk, 24,12). Das schreibt der Evangelist Lukas über Petrus, nachdem dieser in das leere Grab geschaut hatte. Wäre nicht ein Petrus, der voll Freude ausruft: „Christus ist erstanden!“ angebrachter. Statt eines überschwänglich jubelnden Petrus begegnet uns ein nachdenklicher, sich wundernder Petrus. Das Ende dieses Evangeliums hat nichts von der Freude, von dem Halleluja, von der Feierlichkeit unserer Osterliturgie. 

Das leere Grab war für Petrus erst einmal schwer zu verkraften, wirft für ihn erst einmal alles über den Haufen und lässt Fragen aufsteigen: Was bedeutet die Botschaft der Engel, „er ist nicht hier, er ist auferstanden“? Wer ist dieser Jesus, dem ich gefolgt bin, der mein Leben verändert hat, den ich verraten habe, der hier beerdigt lag? Wer ist er wirklich? 

Später ist Petrus das alles klar geworden. Spätestens seit der Sendung des Heiligen Geistes weiß er, was Auferstehung bedeutet, wer Jesus Christus wirklich ist. Pfingsten wird er nämlich zum ersten großen Prediger der Frohen Botschaft von der Auferstehung der Toten. Als erster Papst bekennt er vor der Welt, dass Jesus Christus der Herr der Welt ist, der Herr über Leben und Tod. 

Was ist Auferstehung? Und wer ist dieser Jesus? Das sind ja nicht allein die Fragen Petri. Es sind auch unsere. 

Was ist die Auferstehung? 

Manche Menschen, und darunter zunehmend auch Christen, verwechseln oder vermengen die Auferstehung mit der Wiedergeburtslehre ostasiatischer Religionen, der sogenannten Reinkarnation. Reinkarnation voraus, dass der Einzelne mehrere Leben auf Erden hat: Je nach dem vorherigen Leben würde ich als Mensch oder Tier oder sonst ein Lebewesen wiedergeboren. Doch jede solche Wiedergeburt gilt als Bestrafung. Das Ziel ist ganz im Gegenteil, nicht mehr an die Erde gebunden zu sein, sondern in das Nichts, in das Nirwana einzugehen.  

Wir Christen glauben hingegen, dass wir nur ein Leben auf dieser Erde haben, in dem wir uns auf den Himmel vorbereiten. Und dieser Himmel ist kein Nichts, sondern die Fülle: Wir werden als ganze Menschen auf ewig leben, mit verklärten Leib und geläuterter Seele. Außerdem ist uns die Erde als Gabe von Gott geschenkt worden: Auf ihr zu leben ist trotz aller Mühsal eine Gnade und keine Strafe. – Nein, mit Reinkarnation hat das leere Grab nichts zu tun. 

Andere sagen: Jesus lebt in seiner Botschaft weiter. Die Sache Jesu geht weiter. Was er gelehrt hat, ist lebendig in der Kirche.  

Sicherlich, die Lehre Jesu wird weitergetragen von Generation zu Generation. Ähnlich wie die Erinnerung an liebe Verstorbene in uns weiterlebt. „In unseren Herzen lebst du weiter“, heißt es dann oft auf Totenzetteln. Das Gedächtnis der Toten zu pflegen, ist gut und wertvoll. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, an die wir glauben. Jesus Christus lebt nicht nur darin weiter, dass die Kirche ihn verkündet. Vielmehr verkündet gilt die Kirche Jesus Christus, weil er wirklich lebt. 

Der Herr lebt als der Auferstandene in der Herrlichkeit des Vaters – auch wenn die Kirche ihn nicht mehr auf Erden verkünden würde. Unsere lieben Verstorbenen leben in der Ewigkeit, auch dann wenn sich keiner mehr an sie erinnert. Es wäre ja schrecklich, wenn wir nur in den Herzen der anderen weiterleben würden. Was, wenn Menschen einsam gelebt haben und keiner sich ihrer erinnert? Was, wenn die Menschen, die sich eines Verstorbenen erinnern, schließlich selber sterben? 

Wenn wir von der Ewigkeit sprechen, muss uns eines klar sein: Der Himmel ist kein Ort und die Ewigkeit keine unermesslich lange Zeitdauer. Wir Menschen können aber nicht anders von der Herrlichkeit Gottes sprechen, weil wir auf Erden selbst an Ort und Zeit gebunden sind. 

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden!“ (Lk 24,6) In diesen Worten der Engel ist kurz zusammengefasst, was wir Christen glauben: Jesus, der Gekreuzigte, lebt als der Auferstandene nicht hier in dieser Welt oder nur in unserer Erinnerung, sondern er lebt wirklich beim Vater. Deshalb ist das Grab auch leer. 

Wer ist dann dieser Jesus? 

Er ist nicht nur ein Prediger der Liebe Gottes. Er ist nicht nur ein guter Mensch. Er ist nicht nur einer, der sich der Armen und Kranken annahm. Er ist nicht nur ein Wunderheiler. Er ist nicht nur unser Meister und unser Bruder. Dieser Jesus ist all das, aber er ist noch viel mehr: Er ist der Sohn Gottes, er ist der menschgewordene Gott. Er ist der Herr über Leben und Tod. Er ist das Leben. 

Unser Herr spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ (Joh 11, 25f). 

Gott hat sich mit uns Menschen in seinem Sohn Jesus Christus sosehr verbunden, dass er in ihm unseren Tod gestorben ist. Und er hat sich in ihm sosehr mit uns Menschen verbunden, dass wir an seinem ewigen Leben Anteil erhalten, an seiner Auferstehung. 

Wenn wir wirklich leben wollen, wenn wir wirklich auferstehen wollen, dann kommen wir an ihm nicht vorbei. Wer sich an Christus festmacht wird wirklich auferstehen. Wie er – auf ewig. Wer sich von ihm lossagt, wird sterben, tot sein – auf ewig. Wir müssen uns entscheiden, wenn wir auf sein leeres Grab schauen. Für oder gegen ihn. 

Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war. Petrus hat sich den Fragen gestellt: Was ist Auferstehung? Wer ist dieser Jesus? Er glaubte und verkündete: Auferstehung heißt wirklich als ganzer Mensch auf ewig zu leben. Jesus ist der Herr über Leben und Tod. Petrus hat sich entschieden: Für ihn. Und so wird er doch mit all den anderen gejubelt haben: Halleluja! Und dann hat er mit all den anderen vor der Welt den Glauben an die Auferstehung und an Jesus Christus, den Sohn Gottes, bekannt. 

So wie sein Nachfolger, der todkranke Papst Johannes Paul II. In der Osternacht 2005 konnte er nicht mehr selber predigen. Seine Worte verlas damals Kardinal Ratzinger: „Lasst uns aufwachen aus unserem müden, schwunglosen Christentum! Erheben wir uns und folgen wir Christus, dem wahren Licht, dem wahren Leben.“

von Klaus Klein-Schmeink