Sein Biograph, der Familienvater Thomas Mertz aus Bonn, erklärt im Interview, was ihn so sehr an Don Alvaro faszinierte und was besonders junge Menschen von ihm heute lernen können.
Thomas, Du hast Don Alvaro mehrfach persönlich erlebt und eine Biographie über ihn abgefasst. Was beeindruckt Dich bis heute so sehr an seiner Person?
Thomas: Seine Liebenswürdigkeit und Gelassenheit, seine ausstrahlende Freude. Seine Treue kam mir erst danach so richtig zu Bewusstsein. Don Alvaro war ein tief geistlicher Mensch und ein Vater, der immer ein offenes Ohr für alle im Werk hatte. Immerhin: Don Alvaro war eine hochstehende Persönlichkeit, aber wenn er mit uns zusammen war, merkte man das nicht. Keine Aura der Distanz. Das war bei ihm überhaupt nicht der Fall. Die Mitglieder der Leitung hatten natürlich engere Gespräche mit ihm und viele Beisammensein mehr, aber ich als Supernumerarier fühlte mich ihm einfach nahe. Er lebte vor, was Vaterschaft im Opus Dei bedeutet. Wir nennen ja den Prälaten Vater und mit Don Alvaro habe ich zum ersten Mal sehr intensiv erfahren dürfen, dass räumliche Distanz zweitrangig ist, wenn es darum geht, väterliche Zuneigung zu spüren.
Vom Charakter her unterschied sich Don Alvaro vom heiligen Josefmaria. War das nicht auch eine Umstellung für die Männer und Frauen im Opus Dei?
Thomas: Ich kann für die Männer und Frauen im Opus Dei dieser Übergangszeit nicht reden, denn ich kam erst 1976 dazu, als die Nachfolge eine Selbstverständlichkeit war. Der Übergang hatte sich bereits in aller Natürlichkeit vollzogen. In der Tat waren die beiden charakterlich durchaus unterschiedlich. Unser Gründer war ein sehr temperamentvoller Mann, ein echter Vulkan. Don Alvaro war hingegen eher unaufdringlich. Die Familientreffen in großer Runde waren für ihn zunächst eine echte Überwindung. Aber Don Alvaro war mit dem heiligen Josefmaria völlig identifiziert und tat, was der tat, wenn es für das Werk das Naheliegende war. Und diese Treffen sind in ihrer verfilmten Fassung weiterhin inspirierend. Ich würde es so ausdrücken: Don Alvaro hat von Natur aus eine besondere intellektuelle und geistliche Begabung gehabt, die sich durch die Begegnung mit unserem Gründer entfaltet hatte. Beide verband eine positive Kompromisslosigkeit in Sachen von Glauben und Lehre. Don Alvaro hatte vom Gründer gelernt, immer alles in Beziehung mit Jesus Christus zu setzen, der für uns am Kreuz gestorben ist, um uns zu erlösen. Beide waren also recht fordernd und konnten so gerade in jungen Menschen große Ideale erwecken. Wie gesagt, sie waren beide von einer ganz tiefen Gottesliebe durchdrungen.
Es heißt immer wieder, dass Don Alvaro den heiligen Josefmaria über seinen Tod hinaus im Opus Dei präsent machte. Was bedeutet das?
Thomas: Nach dem Tod des Gründers 1975 gab es zunächst nur wenige Dokumente, die Josefmarias Leben uns im Werk veranschaulichen konnten. Die Erzählungen und Schriften Don Alvaros waren folglich die maßgebliche Quelle, um das Leben des Heiligen und die Botschaft des Opus Dei immer mehr kennenzulernen und zu verinnerlichen. Ich wurde Supernumerarier, als zunächst immer mehr Schriften vom Gründer erschienen. Don Alvaro sah wohl seine Mission im Leben – wie er selbst einmal sagte –, Schatten zu sein, dem heiligen Josefmaria in allen Dingen beizustehen. Das tat er zu Lebzeiten des Gründers, aber mindestens im selben Maße über seinen Tod hinaus. Der selige Alvaro nahm ständig Bezug auf seinen Vorgänger und erläuterte dabei Wesen und Botschaft des Opus Dei. So wurde er zum Medium, durch das der heilige Josefmaria so präsent im Werk blieb, als ob er noch hier auf Erden leben würde.
Du hast den seligen Alvaro in Rom und viele Male in Deutschland erlebt, wo er zahlreiche Sommeraufenthalte verbrachte. Wie erklärt sich seine Zuneigung zu Deutschland?
Thomas: Ich bin nicht ganz sicher, aber ich denke doch, dass Don Alvaros Zuneigung zu Deutschland auch vom heiligen Josefmaria beeinflusst war, der Deutschland und die Deutschen sehr gerne hatte. Diese Wertschätzung für Deutschland kam wohl daher, dass die Deutschen einen besonderen Sinn für Ordnung und Fleiß haben und zu arbeiten verstehen. Ich meine mich zu erinnern, dass Don Álvaro einmal sagte, jetzt müssten die Deutschen ihren Sinn für Arbeit nur auf eine übernatürliche Ebene heben. Wohl war es auch Don Alvaro, der unseren Gründer zu seiner ersten Deutschlandreise 1955 überredete, nachdem die Arbeit des Opus Dei erst kurz zuvor begonnen hatte.
Kannst Du Dich an Deine erste Begegnung mit Don Alvaro erinnern?
Thomas: Das war in einem Beisammensein in Rom bei einem Studententreffen 1976. Ich habe damals teilgenommen am ICU – heute UNIV-Kongress – mit mehreren Tausend Studenten aus aller Welt. Es war Don Alvaros erste Zusammenkunft dieser Art mit einer großen Studentengruppe als Chef des Opus Dei. Er sprach damals als gelernter Bauingenieur über Technik und schlug von da aus eine Brücke zu Gott. Das hat mich sehr angesprochen und zeigte mir, dass meine Beschäftigungen im Alltag eine Möglichkeit zu einer Begegnung mit Gott sein können.

Don Alvaro starb vor über 30 Jahren im Jahr 1994. Was kann er trotz des zeitlichen Abstands den jungen Menschen von heute vermitteln?
Thomas: Ich denke an drei Punkte, die eine direkte Inspiration für junge Leute sein können. Da ist zunächst seine Attraktivität als durch und durch konsequente Person. Bis heute ist es faszinierend, wenn Menschen einen tiefen Einklang zwischen ihren Worten und Überzeugungen und ihren Handlungen erzeugen können. Dann ist Don Alvaros Gottvertrauen zu nennen. Natürlich hatte er viele Sorgen an der Spitze einer weltumspannenden Gemeinschaft wie dem Opus Dei. Aber das merkte man ihm nicht an. Er war zutiefst davon überzeugt, dass über allen Dingen Gottes liebevolle Hand wirkt. Das brachte ihn zu einer heiteren Gelassenheit, die das Wesensmerkmal von Don Alvaro war. Schließlich zeigt der selige Alvaro, dass Treue, ein bis heute von zahlreichen Menschen angestrebter Wert für ihr Leben, möglich ist und sich in höchstem Maße lohnt. In der Treue zu seiner von ihm definierten Lebensmission ging er ohne Wenn und Aber auf – und wurde dadurch sichtbar überaus glücklich.
Denkst Du, dass Du seine Heiligsprechung noch erleben wirst?
Thomas: Ja, definitiv. Die Heiligsprechung des seligen Alvaro wird sicher nicht mehr lange dauern. Und ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich diesen Heiligen so viele Male persönlich erleben und ihn als meinen geistlichen Vater bezeichnen durfte.