MARTA, Maria und Lazarus waren so sehr mit Jesus befreundet, dass dieser nicht in die Nähe ihres Wohnorts kommen konnte, ohne sie zu besuchen. Der spontane Gesprächsfluss zwischen Jesus und den drei Geschwistern aus Betanien, den Lukas wiedergibt, zeigt das tiefe Vertrauen, das zwischen ihnen herrschte. Jesus wusste, dass er in diesem Haus stets willkommen war. Das Evangelium berichtet, dass es Marta war, die Jesus empfing. Man kann sich leicht vorstellen, welche Freude sie erfüllte, als sie den Meister eintreten sah. Dennoch legte sich bald ein Hauch Nervosität über ihre Freude. Denn als gute Gastgeberin war sie darauf bedacht, den Aufenthalt ihres Freundes so angenehm wie möglich zu gestalten. Und so beeilte sie sich, raschest Wasser zu bringen für die Reinigung der Hände und Öl für die Salbung des Kopfes ... Zugleich dachte sie bereits an die Vorbereitungen für ein Mahl und wünschte, dass alles zur richtigen Zeit bereit stand und nichts fehlte. Das war ihre Art, ihre Liebe zum Herrn auszudrücken.
Martas Stimmung begann jedoch zunehmend zu kippen, sie geriet allmählich außer sich. Denn während sie ihre Arbeit tat, fürchtete sie, nicht fertig zu werden. Sie berechnete, dass alles anders wäre, wenn sie die Hilfe ihrer Schwester Maria hätte. Diese aber saß zu Füßen des Herrn. Angesichts deren scheinbarer Untätigkeit stellte sich Marta vor Jesus hin und klagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! (Lk 10,40).
Marta hätte ihre Not, ihr Unbehagen vor dem Herrn verbergen können; sie hätte sich ihrer Schwester diskret, ohne jegliches Aufsehen, nähern und sie um Hilfe bitten können. Stattdessen entschied sie, offen zum Meister zu gehen und „fühlt sich dabei berechtigt“, wie Papst Benedikt sagte, „Jesus zu kritisieren“1. Aber schließlich ist auch dies ein Zeichen der Nähe zum Herrn, denn in der Gegenwart eines guten Freundes braucht man seine Gedanken nicht zu verbergen. Wir bitten die heilige Marta, uns zu helfen, die gleiche Vertrautheit mit Jesus zu haben wie sie, uns so zu geben, wie wir sind, wenn wir mit ihm sprechen, auch wenn dies für den Meister manchmal eine Gelegenheit sein wird, uns einen besseren Weg zu zeigen, um unser Leben auf die Reihe zu bringen.
JESUS reagierte auf Martas Unmut nicht mit harschen Worten, denn er wusste um ihre Absichten. Stattdessen sprach er sie zweimal mit ihrem Namen an, um so seine besondere Zuneigung auszudrücken: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden (Lk 10,41). Der Herr wirft Marta an keiner Stelle vor, nicht das Richtige zu tun. Er fordert sie auch nicht auf, sich wie Maria zu seinen Füßen zu setzen und die Pflichten des Haushalts zu vergessen. Wie hätten seine Gefährten essen und sich von der Reise erholen können? Die Veränderung, die er von ihr verlangte, war innerlicher Art: Er bat sie, ihre Aufgaben mit einer anderen Einstellung zu erfüllen. Marta tat viele Dinge, aber sie hatte das Wichtigste vergessen: Jesus war im Haus, und sie hörte vielleicht nicht auf seine Worte.
Wir können uns im Laufe des Tages – ähnlich wie Marta – immer wieder überfordert fühlen. Vielleicht denken wir, dass unsere beruflichen oder familiären Verpflichtungen es uns unmöglich machen, Zeit zu finden, um sie mit Gott zu verbringen. Jesus schlägt uns jedoch nicht vor, unsere Pflichten beiseite zu legen. Wie Marta lädt er uns ein, ihm gerade inmitten dieser Beschäftigungen zu begegnen. Er möchte, dass wir jede Aufgabe in dem Bewusstsein erfüllen, dass der Herr im Haus unserer Seele immer gegenwärtig ist. Auf diese Weise wird die Arbeit zu einem Akt ständiger Liebe, zu einem ständigen „Ich liebe dich“, das über das hinausgeht, was wir mit Worten oder Gedanken ausdrücken könnten. „Worte sind überflüssig, weil die Sprache versagt“, sagte der heilige Josefmaria, „der Verstand kommt zur Ruhe. Nicht mehr Denken, sondern Schauen! Und in der Seele hebt von neuem ein Lied an, ein neuer Gesang: Denn sie fühlt und weiß sich von Gott angeschaut, liebevoll, immerfort.“2
NICHT die Tätigkeiten an sich nahmen Marta in Beschlag. Der heilige Eifer, Jesus einen guten und erholsamen Empfang zu bereiten, endete in Spannungen und Ängsten, weil sie nicht erreichte, was sie sich alles vorgenommen hatte. Dabei verlor sie das eigentliche Ziel all ihrer Mühen aus den Augen. Jesus ermutigte sie daher, nicht zu vergessen, was wirklich wichtig war: Gott war in ihrem Haus zugegen. Und sie erfüllte nicht nur ihre Rolle als Gastgeberin, sondern sorgte auch dafür, dass der Herr ausruhen konnte. Papst Franziskus bringt Licht in Situationen dieser Art: „Das Problem ist nicht immer das Übermaß an Aktivität, sondern vor allem die schlecht gelebte Aktivität: ohne die entsprechenden Motive und ohne eine Spiritualität, die die Tätigkeit prägt und erstrebenswert macht. Daher kommt es, dass die Pflichten übermäßig ermüdend sind und manchmal krank machen. Es handelt sich nicht um eine friedvoll-heitere Anstrengung, sondern um eine angespannte, drückende, unbefriedigende und letztlich nicht akzeptierte Mühe.“3
Wir alle, die wir Gott inmitten der Welt finden wollen, können wie Marta sein. Wir haben viele Aufgaben, die von uns ständig Aufmerksamkeit und Anstrengung erfordern, und das kann uns natürlich ermüden. Wenn wir jedoch wissen, dass all diese Arbeit einen höheren Sinn hat, kann die Müdigkeit uns nicht so leicht den Frieden rauben. Wir wissen, dass unser Erfolg sich nicht an menschlichen Maßstäben misst. Im persönlichen Dialog mit Gott können wir wieder entdecken, dass alles, was wir tun, darauf ausgerichtet ist, ihn zu lieben; dass wir uns dieser Welt annehmen, weil sie ihm gehört. So werden wir uns nicht einfach aus Trägheit oder gemäß dem Diktat der Umstände bewegen, sondern aus dem tiefen Wunsch heraus, Gott zu finden, der in all unserem Tun verborgen ist. Papst Benedikt sagte: „Ohne Liebe verlieren auch die wichtigsten Tätigkeiten an Wert und schenken keine Freude. Ohne einen tiefen Sinn wird all unser Tun auf einen unfruchtbaren und ungeordneten Aktivismus herabgemindert. Und wer schenkt uns die Liebe und die Wahrheit, wenn nicht Jesus Christus?“4 Bitten wir Maria um ihre Fürsprache, um in unserer täglichen Arbeit in erster Linie Gott zu lieben.
1 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 18.7.2010.
2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 307.
3 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 82.
4 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 18.7.2010.